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STUTTGART/ Liederhalle: 2. SINFONIEKONZERT DES STAATSORCHESTERS (Cornelius Meister)

23.11.2025 | Konzert/Liederabende

Stuttgart/Liederhalle: 2.Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart am 23.11.2025 

Machtvolle Klangbilder

mar
Cornelius Meister. Foto: Sebastian Mare

„Don Juan“ von Richard Strauss stand als sehr jugendlich wirkende Tondichtung gleich zu Beginn auf dem Programm des 2. Sinfoniekonzerts in der Liederhalle. Cornelius Meister dirigierte das Anfang 1888 entstandene Werk mit deutlichen Anklängen an Franz Liszt. Der berüchtigte Musikkritiker Eduard Hanslick sprach von einem „Tumult von blendenden Farbenklecksen“. Doch auch unter Cornelius Meister imponierte das Staatsorchester Stuttgart mit einem Feuerwerk der Klangfarben und markanten Dissonanzen. Die üppigen Melodien und der schillernde Klangteppich gingen nahtlos ineinander über. Bei der frei erweiterten Sonatenform trat das männliche Motiv des Helden und Verführers leuchtkräftig hervor. Und mit herrisch-eleganter Eroberergebärde warf er alles nieder. Breit und klangsatt behauptete sich die Oboenmelodie – und wieder stürmte der Sieggewohnte weiter. Demensprechend überschlugen sich hier die Themen Don Juans, schraubten sich mit dem Hornfanal in hymnischem Rausch empor und stürzten vom Gipfel dieses origastischen Kraftausbruchs ins Leere. Großartig wirkte dann der fahle, verinnerlichte Schluss der Tragödie. Knapp und bestimmend war das Klangbild.

Danach folgte als Deutsche Erstaufführung „Process“ für Oboe, Wagnertuba, Cembalo und Streichorchester (2023) von Ivan Danko, der Erster Solooboist des Staatsorchesters Stuttgart ist. Er hat in seinem Stück drei Kapitel aus Franz Kafkas Roman „Der Prozess“ vertont. Es geht um die Kapitel „Die Verhaftung“ und „Im Dom“ sowie das Ende, in dem der Protagonist Josef K. entführt und hingerichtet wird. Auf die düstere Stimmung des Beginns folgt ein expressives Fugato, in dem das Vier-Ton-Motiv c-e-ces-es kontrapunktisch verarbeitet wird und sich zu sehr schnellen Passagen steigert. Wie in einem Alptraum erscheint der Marche funebre. Spukhafte Klänge erinnern an einen Horror-Film. Obertöne und moderne Spieltechniken erweiterten im Beethovensaal den Klangraum. Manche Passage erinnerte an Arnold Schönberg. Martellato, Pizzicato, Glissando, Tremolo und Triller sowie col-legno-Effekte beherrschen hier vor allem den Streicherapparat in fesselnder Weise. Die Interpretation von Cornelius Meister zielte außerdem auf kammermusikalische Durchdringung der Partitur. Ivan Danko (Oboe), Philipp Römer (Horn) und Alan Hamilton (Cembalo) musizierten das Werk mit akribischer Hingabe.

Nach der Pause folgte Adagio und Fuge in c-Moll KV 546 aus dem Jahre 1788 von Wolfgang Amadeus Mozart. Das impulsiv auffahrende Motiv korrespondierte in elektrisierender Weise mit dem fahlen chromatischen Absinken. Homophone und polyphone Momente ergänzten sich gegenseitig. Nach der kunstvollen Fuge wirkte das abschließende c-Moll umso schroffer. Zum Abschluss war noch die Tondichtung „Tod und Verklärung“ op. 24 von Richard Strauss zu hören, wo das Staatsorchester Stuttgart unter der impulsiven Leitung von Cornelius Meister nochmals in gewaltiger Weise auftrumpfte. Zu dieser Tondichtung hat Alexander Ritter im Jahre 1889 ein Programm geschrieben. Hier wird ein Mensch ganz real vom Fieber geschüttelt. Das Ringen mit der Krankheit wird zu Klang. Dumpf war der Beginn, eine schwebende Flötenfigur über sphärenhaften Harfenklängen zeichnete diese Situation nach. Immer klarer trat das Erinnerungsbild in der Solovioline hervor. Der von Qualen geschüttelte Kranke vernahm plötzlich majestätische Erlösungungsklänge. Das arbeitete Cornelius Meister mit dem Staatsorchester sehr einfühlsam heraus. Erschöpft sank der Kranke zurück – wieder umgaben ihn beeindruckende Jugendbilder. Wie ein Wiegenlied aus der Kindheit hüllten sie ihn ein. Energie erfüllte das Tonsymbol des Mannes im Lebenskampf. Die Erlösungsverheißung tauchte jetzt machtvoller und größer als zuvor auf, der Wille zum Leben behauptete sich pathetisch. Dann tobte nochmals der Sturm entfesselter Schmerzen über den Kranken hinweg, dumpf und geisterhaft dröhnte das Tamtam in die atemlose Leere. Da richtete sich das Erlösungsthema aus wunderbar dunkler Urtiefe auf, breitete sich in wachsendem Glanz aus und nahm in seinem hymnischen Strom auf, was zuvor als Jugenderinnerung widerhallte.

Viele „Bravo“-Rufe, starker Schlussapplaus!

Alexander Walther        

 

 

 

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