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STUTTGART: LA BOHÈME – mit idealer Einspringerin

13.12.2019 | Oper


Eindeutiger Publikumsmagnet: Jarrett Ott als Marcello (4.Akt). Copyright: Martin Sigmund

Stuttgart: „LA BOHÈME“ 12.12.2019 – mit idealer Einspringerin

Für eine der zentralen Sopranpartien des Repertoires wie Mimi ist es meist kein Problem kurzfristig einen Ersatz zu finden. So kam Selene Zanetti  von der Bayerischen Staatsoper, wo sie derzeit in der gleichen Rolle eingesetzt ist, zu ihrem Stuttgarter Debut um für Olga Busuioc einzuspringen. Die 30jährige Italienerin  stand nicht nur dem Part entsprechend im Mittelpunkt, vielmehr gelang es ihr mit ihrem seelenvollen kräftigen lyrischen Sopran das Schicksal der todkranken Blumenstickerin bewegend ins Publikum zu transportieren. Gepaart mit spürbar intuitiver Spielgabe, die es ihr erleichterte sich in Andrea Moses teilweise sehr individuell angelegter Personenregie ohne hilflose Momente zurecht zu finden, erweist sich ihre nach oben flutend leicht öffnende und bis ins Piano tragfähige Stimme beim weniger dramatischen Puccini momentan als ideal eingesetzt.

Eine spontane Harmonie ergab sich auch mit Pavel Valuzhins mehrfach bewährtem Rodolfo, auch wenn der hell timbrierte Tenor nur in den Höhen mit der Partnerin mithalten konnte, während sein schlanker Ansatz in Mittellage und Tiefe nicht immer optimal gegen das doch recht dichte orchestrale Gewebe ankämpfte.

Beim Studentenquartett hatte Jarrett Ott als spielerisch draufgängerischer und vokal im vollen Saft seines top sitzenden Baritons badender  Marcello die Nase und die Publikumsgunst vorne. Andrew Bogard ist ein pfiffiger, baß-baritonal sattelfester Schaunard und könnte aufgrund eines exzellenten Höhenregisters und nicht so dunklen Timbres durchaus auch den Marcello probieren. Neu ins diesem Pariser Künstler-Ensemble ist Jasper Leever aus dem Opernstudio als Colline. Sein kultiviert geführter Bass hat noch nicht rundum die Expansion gegenüber dem großen Orchesterapparat, trifft indes mit als Philosoph passend trockener Spielfreude und bei der Verabschiedung von seinem für Mimis Behandlung geopferten Mantel genau den dafür angemessenen schlichten Tonfall.

Beate Ritter ergänzt wieder als zwischen mondäner Zicke und später ernsthafter Anteilnehmerin zwei Seiten einer Frau zeigende Musette und findet, unterstützt von ihrem flexiblen lyrischen Koloratursopran für beide Ausrichtungen den maßvollen Ausdruck.

Als Hausherr Benoit ist Matthew Anchel rollendeckend besetzt, Musettes ältlichen Galan Alcindor, dem am Ende des Weihnachtsabends die Rechnung für die ganze Runde präsentiert wird, zeichnet Sasa Vrabac mit köstlicher Erregtheit, Staatsopern- und Kinderchor (Einstudierung: Bernhard Moncado) sind rund ums zu kitschig überzeichnet geratene Café Momus (Bühnenbild: Stefan Strumbel, Kostüme: Anna Eiermann) in jeglicher Beziehung voll auf dem Posten, bis die Gendarmerie eingreift und den Vorhang schließt.

Nach „La sonnambula“ steht Michele Gamba nun bei dieser Puccini-Serie wieder als Gast am Pult. Wie schon bei Bellini ist sein Dirigat von einem flotten Grundtempo geprägt, das den schnellen  Dialogen der Studenten und dem großen Straßenensemble einen mitreißend lebhaften Charakter verleiht und den ruhigeren Abschnitten dennoch die erforderliche Poesie und Atmosphäre sichert. Abgesehen von einigen zu laut geratenen Ausbrüchen des Staatsorchesters Stuttgart war somit auch instrumental gesehen alles am richtigen Platz.

Das mit vielen Schülern durchsetzte Publikum hatte an diesem Abend hörbar viel Spaß mit der Showroom-artigen Inszenierung und überschüttete die Akteure mit viel jubelndem Applaus und abgestuften Solo-Ovationen.

Udo Klebes

 

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