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STUTTGART/ Kammertheater: LEUCHTFEUER von Nancy Harris

24.07.2021 | Theater

„Leuchtfeuer“ von Nancy Harris im Kammertheater am 23.7.2021/STUTTGART

Schwierige Graubereiche

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Elias Krischke, David Müller. Foto: Björn Klein

 In der Inszenierung von Sophia Bodamer werden komplizierte Familienverhältnisse grell beleuchtet. Dies zeigt sich auch im Bühnenbild von Oliver Helf, der für Kostüme und Video verantwortlich ist. Hier dominieren kalte Stahlgerüste, die von einem Wassergraben umrahmt werden. Die feministische Künstlerin Beiv, die von Christiane Roßbach facettenreich gemimt wird, lebt im Haus ihres verstorbenen Ex-Mannes, der vor zehn Jahren bei einem Segelunfall ums Leben kam. Dabei kursieren Gerüchte, ob sie für den Tod ihres Mannes verantwortlich sein könnte. David Müller spielt hier nuancenreich ihren Sohn Colm, der seine Hochzeitsreise mit der Kunststudentin Bonnie (ausdrucksstark: Anne-Marie Lux) macht. Colm hat seiner Mutter allerdings nichts von der Heirat erzählt. Sie hat verschwiegen, dass sie das Haus komplett abgerissen hat und nun alle Wände durch Glas ersetzt. Dabei brechen seelische Abgründe auf. Colm spricht jetzt den Tod seines Vaters an und weist auf Beivs Unzulänglichkeiten als Mutter hin. Dabei eskaliert die Situation. Denn nach einem Streit verschwindet seine Frau Bonnie spurlos. Man will schließlich sogar die Polizei  rufen, denn der verzweifelte Ehemann sucht vergeblich nach seiner Frau. Traumatisiert verfängt er sich immer mehr in einem Netz von Vorwürfen gegenüber seiner Mutter, stürzt sich ins Wasser: „Ich habe sie immer behandelt wie eine Prinzessin“. Colm hat den Verdacht, dass Bonnie eine Beziehung mit dem von Peer Oscar Musinowski undurchsichtig gespielten Podcast-Spezialisten Ray hat.  Außerdem hat er ein Problem mit seiner homoerotischen Verbindung zu Donal (emotional: Elias Krischke), die die Ehe mit seiner Frau Bonnie erheblich stört.

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Anna-Marie Lux, Peer Oscar Musinowski.

Als Bonnie schließlich wieder auftaucht, hat sich die Welt plötzlich verändert. Und auch die Menschen reagieren anders. Es kommt noch einmal zu einer heftigen Auseinandersetzung Colms mit seiner Mutter Beiv, nachdem sich auch Donal mit Ray wegen unerlaubter Handy-Aufnahmen fast geprügelt hat. Schließlich will Colm seine Mutter verlassen, um letztendlich ganz frei zu sein. Sie sagt dazu nur lakonisch: „Dann werde ich wissen, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast.“

Das Stück von Nancy Harris krankt zuweilen an einer fehlenden Dramaturgie. Und selbst den roten Faden sucht man vergebens. Klar wird allerdings, dass die feministische Künstlerin Beiv auf der irischen Insel ein Fremdkörper ist: „Ich liebe die riesige Skulptur deines Tampons…“ Das angebliche Verbrechen dieser Frau rückt ins Zentrum des Gechehens, könnte aber auch noch stärker und greller beleuchtet werden. Der Wahrheit der eigenen Imagination soll dabei gefolgt werden. Doch die schwierigen Graubereiche in den komplizierten Beziehungen der einzelnen Figuren werden oft nur unzureichend beleuchtet. Deutlich wird nur, dass Colm glaubt, Bonnie aufrichtig zu lieben. Gleichzeitig wütet er gegen seine Mutter. Dieser Aspekt kommt bei der Inszenierung am besten zum Vorschein. Colms Vater bestimmt dieses Stück allerdings schon ab der ersten Szene. Und Colm macht seine Mutter dafür verantwortlich, dass Teile seiner selbst fehlen. Beiv will nicht, dass  ihr Sohn die Schuld ebenfalls tragen muss. Das ist ihr Opfer als Mutter: „Ich behalte das für mich – geh du und leb dein Leben.“

Alexander Walther

 

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