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STUTTGART/ Kammertheater: LAST PARK STANDING von Ebru Nihan Celkan. Deutsche Erstaufführung

Seelenkämpfe im Glaskasten

31.10.2019 | Theater

 Szene aus "Last Park Standing": Am Staatstheater Stuttgart inszeniert Nuran...
Anne-Marie Lux als Janina und Josephine Köhler als Umut . Foto: Björn Klein

Deutsche Erstaufführung „Last Park Standing“ am 31.10.2019 im Kammertheater/STUTTGART

SEELENKÄMPFE IM GLASKASTEN

Die Aufstände in Istanbul werden bei dieser suggestiven Inszenierung von Nuran David Calis (Bühne: Irina Schicketanz; Kostüme: Geraldine Arnold; Video: Nuran David Calis) thematisiert und grell bloßgestellt. Die beiden jungen Frauen Umut und Janina verlieben sich ineinander. Obwohl Janina in Berlin lebt und Umut in Istanbul, gehen sie eine erotische Beziehung ein, die an Intensität immer mehr zuzunehmen scheint. Doch auch die seelischen Kämpfe werden in dieser komplizierten Frauenbeziehung deutlich. Das Liebesglück wird zeitweilig im Glaskasten gelebt. Ein Wahlerfolg der Opposition schenkt ihnen zunächst große Hoffnung. Doch dieser Widerstand wird dann vom türkischen Regime  brutal niedergeschlagen, was man auch auf den großen Video-Einblendungen sieht. Umuts und Janinas Beziehung leidet darunter, hält den Widrigkeiten jedoch stand.

Anne-Marie Lux als Janina und Josephine Köhler als Umut gelingt es packend, die psychischen Zwangssituationen dieser beiden Frauen deutlich werden zu lassen. Die gewaltige Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 wird im Stück der türkischen Autorin Ebru Nihan Celkan ebenfalls grell herausgestellt. Auch Umuts homosexueller Freund Ahmet (überzeugend: Valentin Richter) wird mehrfach verhaftet. Er schildert Umut verzweifelt seine seelischen Nöte, wird von ihr aufgefangen. Janina bittet Umut, ihre Heimat zu verlassen und mit ihr in Berlin zu leben: „Die Hyänen kommen in den Morgenstunden, bevor die Menschen zueinander finden können, bevor der Mensch an seinen Träumen satt ist.“ Die Wände in den Glaskästen sind durchsichtig und lassen immer wieder gespenstische Gestalten sichtbar werden, die bei Janina und Umut aber keine Angst auslösen. Das sind eindrucksvolle Bilder, von denen diese Inszenierung vor allem optisch stark profitiert. Umut ist jetzt in der Zwickmühle. Was ist ihr wichtiger? Die Liebe zu Janina oder die Solidarität mit ihren politischen Freunden in der Türkei? Josephine Köhler gelingt es eindringlich, Umuts Kampf und Aufbegehren gegen diese undurchdringlichen gesellschaftlichen Mauern darzustellen: „Wir vertrauen nur einander, sonst nichts und niemandem…“  Als Deniz stellt Valentin Richter eine weitere interessante Figur dar, die der gesellschaftlichen Ächtung ausgesetzt ist.

 Geschrieben wurde das Stück von der in Istanbul lebenden Autorin Ebru Nihan...
Foto: Björn Klein

Die subtile Musik von Meredi unterstreicht diese geheimnisvolle Aura der Angst zwischen Lichtblitzen und exotischen Pflanzen, die manchmal zu sprechen scheinen. Liebe und Revolution gehen hier nahtlos ineinander über. Die Protagonisten versuchen geradezu krampfhaft, revolutionär zu sein, was ihnen jedoch nicht glückt. Die Geister und Dämonen eines unerbittlichen diktatorischen Regimes herrschen jederzeit und überall, das ist die Botschaft dieser Inszenierung, die weitgehend fesselt und nur manchmal noch mehr Detailarbeit nötig hätte: „Der Elefant ist gekommen. Er hat unsere ganze Siedlung plattgemacht…“ Die Menschen liegen am Boden, sind nahezu ohnmächtig. Der Park mutiert hier zu einem beängstigenden Dschungel, wobei man vor unliebsamen Überraschungen nicht sicher ist. Es bleibt offen, wie die Geschichte ausgeht oder ob es überhaupt einen neuen Lichtblick gibt. Die Zuschauer der Premiere waren durchaus beeindruckt. 

Alexander Walther

 

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