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STUTTGART/JOIN – Junge Oper: HOLLE von Sebastian Schwab als Kinderoper

27.06.2021 | Oper international

Stream: „Holle!“ als Kinderoper von Sebastian Schwab in der Jungen Oper (JOIN) am 27.6.2021/STUTTGART

Sonne und Wärmegewitter

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Maria Theresa Ullrich. Foto: Matthias Baus

 Es ist eine leichte Abwandlung des berühmten Märchens „Frau Holle“ der Gebrüder Grimm nach einem Libretto von Kai Weßler. Aus den beiden Holle-Töchtern werden nämlich gestandene Männer. Doch auch hier sorgt Frau Holle für Schneegestöber und Blumenwiesenwetter. Doch sie schafft das Pensum leider nicht mehr allein. Frau Holle braucht unbedingt Unterstützung. Die bekommt sie von Pech-Andy und Gold-Andy, die sich als neue Wetterexperten bewerben. Sie wünscht sich eine hoffnungsvollere Zukunft für die Welt. Für die kleinen Zuschauer gibt es bei dieser originellen Kinderoper von Sebastian Schwab sogar Holle-Blumen, in die die Kinder ihre Ideen eintragen können. Sie können die Blumen in ihre Fenster hängen, damit möglichst viele Menschen an den Forderungen teilhaben können. Bühne und Kostüme von Stephan von Wedel sowie Konzept und Regie von Suse Pfister geben auf einer weiträumigen Bühne den Blick frei auf ein großes Himmelbett mit vielen Kissen. Frau Holle erscheint sogar auf der Schaukel. Doch sie ist ihrer Arbeit überdrüssig, sie will nicht mehr alles alleine machen. So treten die beiden Herren in ihre Fußstapfen und bringen sogar die Windmaschine in Bewegung. Dass Frau Holle plötzlich weg ist, wird als Katastrophe empfunden. Als sie wieder erscheint,  meinen sie schließlich sogar: „Du glaubst ja gar nicht, wie gut hier alles läuft, seit du weg bist.“ Ein Wolkenband sorgt hier für zusätzliche Verwirrung, denn die beiden sind der Sache nicht immer gewachsen. Hilfe tut not – und die gute Frau Holle muss ihnen immer wieder unter die Arme greifen. Nach dem Frühling wird behutsam der  Sommer beschworen und es kommt sogar zu einem gewaltigen Wärmegewitter. Frau Holle ist der Sache jedoch weitgehend überdrüssig: „Ich halte die Menschen  nicht mehr aus.“ Sie verlangt eine Urkunde: „Ich bin raus. Ich setz‘ mich zur Ruhe“. Sie bittet Mutter Erde am Telefon um ihre Entlassung und blitzt ab. Das macht sie wütend. Wind und Regen wechseln sich in heftiger Weise ab. Sie zieht sich die Perücke aus. Aber die Wolken werden auch vertrieben: „Das ist das Wetter der Zukunft!“ Frau Holle erscheint plötzlich im Rettungsring und macht Schwimmbewegungen. Nachdem sogar Feuer ausgebrochen ist, kommt es auch noch zum Streit zwischen Pech-Andy und Gold-Andy, den sie schlichten muss. Zuletzt wiegt sie beide in den Schlaf und nimmt das Wetter-Zepter wieder in die Hand. Die Komposition von Sebastian Schwab spielt virtuos und einfallsreich mit verschiedenen Stilmitteln. Salsa-Rhythmen, kühne Intervalle, Walzer-Episoden und chromatische Aufgänge wechseln sich mit Klavier- und Klarinetten-Klängen facettenreich ab. Lyrische Kantilenen betören den Zuhörer und klassische Formen werden gekonnt karikiert. Bei Frau Holles amüsant-erfrischender Arie „Heut‘ fängt mein neues Leben an!“ herrscht sogar Operetten-Atmosphäre.  Pech-Andy antwortet als gewitzter Klarinettist den Tasten-Eruptionen von Gold-Andy. Einmal gibt es sogar entfernte Anklänge an Beethovens „Mondschein-Sonate“. Auch das Largo von Händel wird musikalisch zitiert. Tragende Säule der Aufführung ist allerdings Maria Theresa Ullrich (Mezzosopran) als gewitzte Frau Holle, der es gelingt, ihre Umgebung immer wieder treffsicher zu manipulieren und auszutricksen. Gesanglich agiert sie bei dieser Aufführung mit ausgezeichnetem Klangfarbenreichtum und stimmlicher Spannungskraft. Dieser Raffinesse sind die beiden Herren offensichtlich nicht gewachsen. Im Bann der Geräuschkulisse kommen sie zu dem Schluss, dass sie eben einfach zu viel wollen. Frau Holle weiß aber genau, was sie will. So schreibt sie zuletzt einen Brief an die Kinder, in dem sie eine hoffnungsvolle Zukunft fordert. Das gemeinsame Träumen wird als höchst wichtig angesehen. Wolken-Nebel und Regenschicht-Wolken sorgen für zusätzliche Verwirrung. Und am Ende schneit es wieder. In weiteren Rollen überzeugen noch Adam Ambarzumjan als Pech-Andy sowie Markus Hein als Gold-Andy.  Wieder ist der Jungen Oper eine einfühlsam dargebotene Kinder-Oper geglückt, die das Märchen „Frau Holle“ hintersinnig in unsere schwierige Zeit überträgt. 

Alexander Walther

 

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