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STUTTGART/ Isny.Opernfestival im Wilhelma-Theater: ARIADNE AUF NAXOS

Ein Liebesrausch im Blumenmeer

24.06.2018 | Oper


Isny Opernfestival von Ann Mackinnon (mcphotoart.de@)

 

 „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss beim 30. Isny Opernfestival im Wilhelma-Theater (24. 6.2018)

EIN LIEBESRAUSCH IM BLUMENMEER

 Das Isny Opernfestival feiert sein 30jähriges Jubiläum. Begabte junge Studierende oder Absolventen verschiedener Musikhochschulen erhalten hier die Möglichkeit, im Allgäu Opernpartien zu entwickeln. Die Inszenierung der einaktigen Oper „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss (die übrigens 1912 in Stuttgart uraufgeführt wurde) von Hans-Christian Hauser spielt ganz mit den Elementen der Commedia dell’arte und der Burleske. Ein junger Komponist hat den Auftrag bekommen, eine Oper für ein Fest im Hause eines reichen Mäzens zu schreiben. Voller Begeisterung fiebert der junge Meister auf die Aufführung hin, was Hauser in einem rustikalen Ambiente voller Arabesken und Harlekinaden subtil herausarbeitet. Der Gegensatz zwischen den Künstlern der seriösen Oper und der leichten Muse wird in dieser Aufführung grell herausgestellt. Der plötzliche Szenenwandel durch die seltsame Truppe von gauklerhaften und durchtriebenen Schauspielern unter der suggestiven Leitung der hübschen Zerbinetta führt hier zu einem deutlichen Tohuwabohu, denn sie sind ohne Absprache mit dem Komponisten eingeladen worden. Dass der Mäzen kein Gespür dafür hat, dass diese beiden Gruppen nicht zusammen passen, betont Hauser ebenfalls treffsicher und mit leiser Ironie. Doch mit der Macht seiner Geldmittel zwingt er beide Gruppen zum Zweck einer Opernaufführung in eine gemeinsame Abendveranstaltung. Eine Opera seria und Opera buffa sollen gleichzeitig gegeben werden.


Isny Opernfestival von Ann Mackinnon (mcphotoart.de@)

Die Verzweiflung des jungen Komponisten verwandelt sich durch die reizvolle Zerbinetta (virtuos: Juhyun Park) und die drei Nymphen Najade (Dasol Choi, hoher Sopran), Dryade (Samira Misimovic, Mezzosoppran) und Echo (Elsa Kodeda, Sopran) bald in leidenschaftliche Euphorie, zumal Zerbinetta Ariadne neuen Lebensmut vermittelt. Ariadne ist von ihrem geliebten Theseus auf der Insel Naxos verlassen worden. Auf der Empore des Wilhelma-Theaters erwacht Ariadne alsbald aus ihrer leblosen Starrheit. Sie gewinnt angesichts des Gottes Bacchus neues Leben. Auch das Bühnenbild vewandelt sich allmählich in ein riesiges Blumenmeer, was eine sehr gute Idee ist (Bühne: Johannes Müller; Kostüme: Diana Leist). Auch Zerbinetta ist beeindruckt – und so steht dem hymnischen Abschluss des Werkes nichts im Wege. Das Gehabe der Geldgeber, die den Künstlern in ihr Tun hineinreden, wird in der Inszenierung von Hans-Christian Hauser aufs Korn genommen und bloßgestellt. Das Sinnenfrohe und das Geistvolle bilden Gegensätze und ziehen sich doch an. Zerbinetta ist dabei eine Realistin, die sich mit vielen Männern vergnügt – während Ariadne als ideale Protagonistin immer nur die wahre Liebe sucht. Der junge Komponist sieht sich bei Hauser selbst als den Gott Bacchus, der Ariadne von ihren Leiden durch eine transzendentale Liebe erlöst. Das unvergleichliche Happy End im Blumenmeer ist nicht mehr aufzuhalten. Denn Ariadne wird sogar mit Blumengewändern eingekleidet.


Isny Opernfestival von Ann Mackinnon (mcphotoart.de@)

Die Verbinung von Antike und Komödie ist bei dieser Inszenierung durchaus geglückt. Hans-Christian Hauser betont als umsichtiger Dirigent die Nähe von Richard Strauss zu Richard Wagner, was sich sogar bei der Gestaltung der drei Nymphen zeigt. Da hört man im Schwelgen der Musik sogar „Götterdämmerungs“-Anklänge. Tragisches Pathos und gewitzte Komik stehen dicht beieinander, wobei der melodische Kern hier nie zu kurz kommt. In der kammermusikalischen Besetzung stechen die Feinheiten grell heraus. Der geschmeidige Parlandoton des Vorspiels verdichtet sich dann bei der Haupthandlung zu verschwenderischer kontrapunktischer Fülle. Verena Barth (Sopran, Ariadne) und Youngwon Yoo (Tenor, Bacchus) erreichen beim Schlussduett geradezu ekstatische Leuchtkraft, die sich nicht mehr bändigen lässt. Die Ankündigung des Gottes Bacchus in Cis-Dur heizt schon vorher die Stimmung mächtig an. Juhyun Park als Zerbinetta mit hohem Sopran kann den chromatischen Abschnitten und Koloraturen ihrer halsbrecherischen Partie immer mehr zielsichere Leuchtkraft abgewinnen. Die Erinnerung Zerbinettas an ihre vielen Liebhaber schwankt immer wieder reizvoll zwischen Des-Dur und D-Dur, wobei bei dieser Wiedergabe neben einem bemerkenswerten Klangfarbenreichtum auch ein geschmeidiges Timbre auffällt. Die vier Charaktermasken der Commedia dell’arte Brighella (Nora Paunescu), Scaramuccio (Pierre Herrmann), Harlekin (Serguei Afonin) und Truffaldin (Jonas Jud) tänzeln hier graziös und stimmlich abwechslungsreich um Zerbinetta herum, wobei der parodistische Klang ins f-Moll abrutscht.


Isny Opernfestival von Ann Mackinnon (mcphotoart.de@)

Das Instrumentalensemble des 30. Isny Opernfestivals gerät dabei in dynamischer Hinsicht nicht aus dem Gleichgewicht. Die Singstimmen treten bei Hausers Wiedergabe deutlich hervor, wobei er die Anklänge an den „Rosenkavalier“ eher dezent betont. Das F-Dur-Lied des Harlekins würzt die Buffo- und Seria-Akzente. Auch die Psychologisierung der Motive kommt dabei nie zu kurz. Sinfonische Struktur und formale Abgrenzung erreichen klare Konturen. Im Vorspiel überrascht der feine dynamische Wechsel von C-Dur nach c-Moll – und die Aufhebung des „Götterdämmerungs“-Des-Dur am Ende der Oper unterstreicht Hans-Christian Hauser als Dirigent akribisch.

In weiteren Rollen imponieren bei dieser amüsanten Vorstellung noch Matthieu Lanniel (Bariton) als burschikoser Lakai und Perückenmacher sowie Pierre Herrmann (Tenor) als gewiefter Tanzmeister und Offizier. Felicitas Weiß als Mäzen (stumme Rolle) und Robert Beckert als Haushofmeister (Sprechrolle) sowie Andreas Truong (Bariton) als genervter Musiklehrer ergänzen die Gesangssolisten wandlungsfähig. Selbst manche dynamische Schwankungen fallen so nicht ins Gewicht. Zuletzt gab es für alle Mitwirkenden begeisterten Schlussbeifall.

Alexander Walther

 

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