Carolina Ullrich. Foto: Privat
„Der ganze Hugo Wolf“ am 16.12.2019 mit Carolina Ullrich, Marcelo Amaral und Walter Sittler im Hospitalhof/STUTTGART
ES WEIHNACHTET SEHR
„Es weihnachtet sehr“ war diesmal das Motto eines Konzerts mit Carolina Ullrich (Sopran), Marcelo Amaral (Klavier) und Walter Sittler (Lesung). Gleich bei „Der Freund“ (Eichendorff) betonte Carolina Ullrich mit weichem Timbre die Klangfarbenveränderungen und harmonischen Stimmungen, die von dieser Komposition ausgehen. Marcelo Amaral war ihr ein sensibler Begleiter. Aus dem „Spanischen Liederbuch“ von Hugo Wolf erklangen dann „Nun wandre, Maria“, „Auf ein altes Bild“ und „Auf eine Christblume II“, wo Carolina Ullrich auch den intimen Seelenschilderungen dieser Musik sehr gut gerecht wurde. Harmonische Stockungen, reine Dreiklänge („Wie glänzt der helle Mond“) und modale Akzente waren nicht zu überhören. Bei weiteren Liedern aus dem „Spanischen Liederbuch“ wie „Die ihr schwebet“, „Auf eine Christblume“ und „Wie glänzt der helle Mond“ verleugnete Carolina Ullrich nicht das Pathos des Intimen und der Pianist unterstrich die reizvollen chromatischen Verästelungen. Man begriff, wie stark Wolfs Melodien aus dem Sprachfall abgeleitet sind. „Die du Gott gebarst, du Reine“, „Ach, des Knaben Augen“ und „Führ mich, Kind, nach Bethlehem“ aus dem „Spanischen Liederbuch“ sowie „Schlafendes Jesuskind“ (Mörike) waren weitere Lieder, die Carolina Ullrich mit starkem Ausdrucksvolumen und sensiblen Klangschattierungen interpretierte. Auch die restlichen Nummern „Wunden trägst du, mein Geliebter“, „Herr, was trägt der Boden hier“ und „Nun bin ich dein“ entstammten dem „Spanischen Liederbuch“. Hier wölbte sich die Stimme facettenreich über den reichen Klangteppich des Klaviers, wobei die durchsichtige Harmonik auch bei Mörikes „Gebet“ positiv auffiel. „Abendglöcklein“, „Epiphanias“ und „Zum neuen Jahr“ waren die letzten Titel, die sich dem Publikum tief einprägten. Ekstatische Stimmungsbilder paarten sich dabei mit verfeinerter Harmonik, die die Sängerin einfühlsam umsetzte. Der Schauspieler Walter Sittler gestaltete als versierter Rezitator den literarischen Teil mit Joseph von Eichendorffs „Weihnachten“, Bertolt Brechts „Die gute Nacht“ („Mehr konnte die Welt für den Christ nicht tun“), Monika Adele Elisabeth Hunnius‘ „Linnäa“ oder Erich Kästners „Selbstgespräch eines zivilisationsmüden Städters“. Dadurch erhielten die tiefsinnigen und auch melancholischen Kompositionen Hugo Wolfs noch ein ganz anderes Gewicht. Musik und Dichtung verschmolzen in beglückender Weise. Obwohl Wolf sich selbst als Ungläubigen bezeichnete, atmeten seine Lieder bei dieser Interpretation eine starke spirituelle Klarheit und klangliche Intensität.
Alexander Walther