Alexandra Urquiola. Foto: Martin Sigmund
„Trouble in Tahiti“ von Leonard Bernstein am 11. Juli 2020 am Hafen/STUTTGART
(Staatsoper)
Momentaufnahme einer Ehe!
Wie stark der Jazz, Strawinsky und Copland Leonard Bernstein auch bei seinem Operneinakter „Trouble in Tahiti“ beeinflusste, machte die rasante Aufführung in der Inszenierung von Anika Rutkofsky (Bühne: Susanne Gschwender; Kostüme: Miriam Schubach) deutlich, die sich diesen Momentaufnahmen einer Ehe in der ungewöhnlichen Hafenatmosphäre facettenreich annahm. Das Ehepaar Dinah und Sam möchte hier keine Spießerehe führen, sondern im Südseeparadies Tahiti die Liebe wieder neu entdecken. Der Alltag wird dabei auf gepackten Koffern passend eingerichtet – und die Hafenarbeiter beobachten das langweilig gewordene Beziehungsleben der beiden Protagonisten.
Die sieben Szenen haben in dieser Inszenierung durchaus den Charakter filmischer Sequenzen. So kommt es am Frühstückstisch zum Streit um Kleinigkeiten. Sams Büroalltag wird dann von einem Handballspiel fast atemlos unterbrochen. Weil Sam den Schein des Familienvaters nicht wahren kann, landet Dinah beim Psychiater. Das Paar geht plötzlich intensiv der Frage nach, wann es sich verloren hat. Gewinner und Verlierer werden auch bei diesen Szenen gegeneinander ausgespielt. Dinah spottet über Südsee-Filmklischees, die bei den abwechslungsreichen Video-Clips von Lukas Rehm wirkungsvoll festgehalten und sarkastisch persifliert werden.
Pawel Konik und Alexandra Urquiola. Foto: Martin Sigmund
Angesichts eines gemeinsamen Kinobesuchs von „Trouble in Tahiti“ findet das Paar wieder zusammen. Da kommt in der Abendsonne Südseeromantik auf. Bernstein soll sich bei diesem Geschehen an den Kindheitserfahrungen in seinem Elternhaus orientiert haben. Pawel Konik als Sam und Alexandra Urquiola als Dinah zeigen bei der Aufführung starke Bühnenpräsenz. Vor allem bei der grotesken Arie „Trouble in Tahiti“ kann sich Alexandra Urquiola mit tragfähigen Kantilenen profilieren.
Das Jazz-Trio und Alexandra Urquiola. Foto: Martin Sigmund
Vlad Iftinca lotet als umsichtiger Dirigent das harmonische Geschehen ausgesprochen wirkungsvoll aus. Zusammen mit den gut aufeinander abgestimmten Musikern Daniela Rapps (Flöte), Gunter Pönisch (Klarinette), Martin Maier (Trompete), Bernhard Leitz (Posaune), Lars Jakob (Kontrabass), Thomas Höfs, Christoph Wiedmann (Schlagzeug) sowie Ugo Mahieux (Klavier) arbeitet er die tragische Ironie und spritzige Lebendigkeit dieser Musik überzeugend heraus. Gelegentlich blitzen sogar Assoziationen zur „West Side Story“ auf. Verismus und Lyrik zeigen ungewöhnliche Stimmungsbilder. Die melodischen Passagen besitzen leidenschaftliche Kraft. Ausgesprochen gelungen wirkt ferner das Jazztrio mit Deborah Saffery, Arthur Cangucu und Philipp Nicklaus (Hörspielsprecher: Teresa Smolnik, Michael Stiller). Da triumphieren raffinierte Klangkombinationen.
Alexander Walther