Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART: GASTSPIEL DES BÈJART BALLET LAUSANNE

Ein Fest der Tanzfreude

11.11.2018 | Ballett/Tanz


Damencorps in „t ‚M et variations“ Copyright: Jean-Pierre Addor

Stuttgart: „Gastspiel des BÈJART BALLET LAUSANNE“ 10.11.2018 – Ein Fest der Tanzfreude

Während der Japan-Tournee des Stuttgarter Balletts gastierte auf Einladung von Ballettintendant Tamas Detrich das Béjart Ballet Lausanne für zwei Abende im Opernhaus. Die 42köpfige Compagnie in der französischen Schweiz feierte letztes Jahr ihr 30jähriges Bestehen seit der Gründung durch ihren Namensgeber Maurice Béjart. Als Start des Jubiläumsprogramms kreierte der langjährige Tänzer dieser Compagnie und nach dem Tod von Béjart dessen Nachfolge als Direktor übernommen habende Gil Roman unter dem Titel „T ‚M ET VARIATIONS“ eine Hommage an den großartigen und unverwechselbaren Choreographen, dessen bedeutendste Stücke in der Aera Marcia Haydée regelmäßig zum Spielplan gehörten und in den letzten Jahren der Direktion von Reid Anderson wieder mehrfach ins Repertoire zurück kehrten.

Zu origineller, weil nicht stereotyp mit Trommeln oder Xylophon gestalteter Percussion-Musik (Citypercussion – Thierry Hochstätter & JB Meier) die eine dauerhafte, geheimnisvollen Naturlauten gleichende akustische Kulisse in stets wechselnden melodischen Motiven und Rhythmen überlappt und phasenweise wie Erinnerungen aus der Vergangenheit beschwören, finden sich die Tänzer in meist kleinen Gruppierungen, vorzugsweise Duos und Trios, zusammen, um ihre Verbindung zu Béjart wie in einem aufgeblätterten Tagebuch zum Ausdruck zu bringen. Die Liebe und Leidenschaft für den Tanz findet in zahlreichen Varianten ihren Niederschlag, der menschliche Körper wird zum Formulierer oder auch nur Andeuter intimer Details, deren entsprechende Worte spürbar werden oder manchmal auch über das sprachlich Fassbare hinausgehen.

Als erfahrener Interpret und Vertrauter von Béjart wandelt Roman auf dessen Spuren, ohne ihn stilistisch zu kopieren. Die wie Béjart selbst unleugbar im Klassischen fußende Handschrift wandelt den Körper von großzügig ausgetanzten Sequenzen mit unverkrampft ineinander fließenden Sprüngen und Hebungen zu komplex verwobenen Gebilden bis hin zu nur angedeuteten, fast strichhaften Kommentaren. Phasenweise Verzögerungen in Zeitlupenmanier und immer wieder ein Innehalten signalisieren das Erinnern an etwas Vergangenes, das durch die Kunst und ihre Interpreten weiterlebt. In dem knapp einstündigen Kaleidoskop geht es nicht um das Hervorheben Einzelner, sondern die Gemeinschaft an Tänzern, die Maurice Béjart und die  Lust am Tanz feiern. Und da präsentiert sich die Compagnie in diversen Trainings-Trikots als einheitlich starkes und verbindendes Kollektiv, in das sich am Schluss auch die beiden Percussion-Musiker integrieren. Das Beeindruckendste ist dabei das aus dem Tanz erwachsende Zwischenmenschliche, das unabhängig von einer mehr oder weniger starken choreographischen Hand zum Schwingen kommt und unmittelbar zu berühren vermag.


Kwinten Guilliams + Lawrence Rigg in „Béjart fete Maurice“. Copyright:  Gregory Batardon

Der zweite Teil war dann Béjarts Schaffen selbst gewidmet. Unter dem Titel „BÉJART FETE MAURICE“ hat Roman Höhepunkte aus seinem Schaffen in einer Collage zusammengefügt. Die Auswahl umfasst eine große Bandbreite an musikalischen Grundlagen, die das breit gestreute Interesse Béjarts dokumentieren. In aller Phantasie, Buntheit, Frische gemischt mit Nachdenklichem, Betörendem, Beschwörendem oder einfach nur lustvoll Nachgezeichnetem wird da ein Zauber nach dem anderen entfaltet.

Hier treten nun auch einzelne TänzerInnen deutlicher hervor, zeigen in Soli und einigen Pas de deux, aus welchen Persönlichkeiten die Compagnie besteht. Besonders erwähnenswert, da markant im Profil und in der Präsenz der Gestaltung, sind Wictor Hugo Pedroso, der Strauß „Tritsch-Tratsch-Polka“ in quirlig leichter Manier und mit Spaß an rhythmischem Nachempfinden zu einem Gala-würdigen Häppchen werden lässt. Oder Elisabet Ros (graziös charmant) und Julien Favreau (sinnlich nobel) die Richard Heubergers moussierendes „Komm mit mir ins chambre separée“ elegant, mit passend leichter Hand und einem leichten Schuss Frivolität schmackhaft machen. Oder der lausbubenhafte Blondschopf Lawrence Gigg und der verspielt witzige Kwinten Guilliams, die Rossinis spritzige „Seidene Leiter“ mit köstlichem Humor und geschwinder Bewegungsattacke aufladen.


Finale Ensemble-Wirkung in „Béjart fete Maurice: Copyright: Lauren Pasche

In die von Béjart immer wieder gewählten exotischen Gefilde führen Pas de deux zu traditioneller Musik aus dem Tschad mit einem balance-virtuosen Balztanz, indisch traditioneller Musik, sich rassig entfaltenden Csardas-Klängen in Itzak Perlmans geigerischer Kunst, hebräisch Geprägtes von Shalom Anski, wo Lisa Cano und Javier Casado Suarez als reif gestandene Interpreten besonders hervor zu heben sind. Oder auch Mari Ohashi und Fabrice Gallarrague, die in orientalischem Duktus und Gewand eine fast schlangenbeschwörerische Körperkraft aussenden. Gerahmt wird die Collage von Klängen Beethovens, wo sich dann ganz im Sinn von dessen Menschheit umfassender Symphonik alle Tänzer ein Stelldichein geben. Zuerst heiter und fröhlich zur noch unbeschwerten Ersten und zuletzt mit Tiefgang zur Tragik mitschwingen lassenden Neunten. Die oft geometrisch gegliederten Gruppen wie auch Bewegungsmuster, die den Komponisten bei aller Lockerheit und eingestreuten Floskeln nie veräppeln, vielmehr die Potenz seiner Musik körperlich ausschöpfen, erinnern an so manchen Klassiker konzertanter Ballette. Béjart fügt dem Ganzen noch das Element des Sinnlichen bei, das dieses mit so leichter Hand umgesetzte und von Tanzfreude erfüllte Gastspiel so besonders schmackhaft machte und ins schon zur Pause und nach einzelnen Teilen enthusiasmierte Publikum überschwappte. Ohne den kopflastigen Anspruch so  manch bedeutungsvoll sein wollenden Ausdruckstanzes durfte hier die pure Notwendigkeit des Tanzes in aller Sinnenfreude mit hohen technischen Ansprüchen zurecht gefeiert werden. Auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen!


Elisabet Ros + Julien Fevreau in „Béjart fete Maurice“. Copyright: Gregory Batardon

Udo Klebes

 

Diese Seite drucken