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STUTTGART: FAUST von Gounod in der Castorf-Inszenierung

Viele Reize trotz schweren Durchblicks

30.05.2018 | Oper


Mandy Fredrich (Margarete) und Gezim Myshketa (Valentin). Copyright: Thomas Aurin

Stuttgart; „FAUST“ von Gounod 28.5.2018 – Viele Reize trotz schweren Durchblicks

Auch bei der wiederholten Begegnung mit Frank Castorfs  komplexer Inszenierung ergibt sich ein durchwachsener Eindruck zwischen optischer Überfrachtung und konzentrierter musikalischer Spannung. Der Gang durch die Geschichte in Paris von 1860 bis heute, der sich sowohl in den Kostümen von Adriana Braga Peretzki als auch in den vielen oft parallel auf zwei Leinwänden ablaufenden Videos (Regie: Martin Andersson) niederschlägt erfordert viel Konzentration auf die Solisten, die jedoch dank einer nie langweiligen oder beliebigen Personenführung im faszinierend ineinander verschachtelten Dreh-Bühnenbild von Aleksandar Denic gut zur Geltung kommen. Nicht zuletzt deshalb, weil ihnen zwei Kameramänner immer wieder und manchmal bedrohlich nah zu Leibe rücken. So viel Voyeurismus ist denn doch übertrieben und stört ebenso wie die Gleichzeitigkeit mancher Vorgänge.

Die musikalische Grösse der Gounod-Oper entspricht dem Bühnen-Aufwand, sie kam auch bei der Aufführung trotz einiger Einschränkungen durchaus zu ihrem Recht. Die größte davon betraf das Dirigat von Willem Wentzel, der die vom Premieren-Kollegen erzielte ausgewogene Tempo-Dramaturgie und das Gespür für den sinnlichen Reiz der Musik etwas vermissen ließ und das Staatsorchester Stuttgart nach einem klangschön ausmusizierten Vorspiel manchmal etwas behäbig, mal etwas handfest steuerte. Die nicht immer funktionierende Koordination mit dem gewohnt sicheren und bühnenpräsenten Staatsopernchor Stuttgart (Einstudierung: Johannes Knecht)  dürfte auch der nicht immer optimalen Positionierung dieses Ensembles geschuldet gewesen sein.  


Die Kirchenszene mit Mandy Fredrich (Margarete) und Adam Palka (Faust). Copyright: Thomas Aurin

Die vokale Krone gebührt diesmal Mandy Fredrich, die trotz einer angekündigten Indisposition nie den Eindruck verminderter Fähigkeiten entstehen lies, die Partie der Margarete vielmehr mit durchgängig leicht ansprechendem, rund gesättigtem Sopran voller Engagement vom innigen Moment bis zur ausbrechenden Emphase zu schönster Entfaltung brachte. Georgy Vasiliev, der in eine der vorhergehenden Aufführungen sehr kurzfristig eingesprungen war und jetzt erneut antrat, verfügt für Faust über einen hell timbrierten Tenor lyrischer Prägung, recht angenehm im Klang, auf Dauer etwas eindimensional in der Phrasierung, wodurch speziell die durchschlagsfähige und recht sichere Höhe an Gehalt einbüßt. Im Spiel fügt er sich ohne auffallende Details in den Gesamtablauf.

Adam Palka ließ sich ansagen und als Mephisto einen in Mittellage und Tiefe zwar hörbar etwas reduzierten, phasenweise etwas fahleren Bass vernehmen, der jedoch selbst in dieser Verfassung, auch dank seines prachtvoll fülligen Höhenregisters, noch eine erstklassige Leistung bot, der in gleichem Maße seine darstellerische Potenz und interpretatorische Beweglichkeit entspricht.

Gezim Myshketa war wieder der fast zu dramatisch gelagerte Valentin mit im Übergang zur klangvollen Höhe etwas unorganisch reagierendem Bariton, Sophie Marilley ein einfühlsamer Siebel mit jetzt geschmeidiger geführtem Mezzo, der in der Höhe mehr und mehr zum Sopran tendiert. Fredrika Brillembourg die leicht frivole Marthe mit charaktervollem Mezzosopran, Michael Nagl vom Opernstudio ein solider Wagner.

Einzelne Ovationen im längst nicht gefüllten Haus.

  Udo Klebes

 

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