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STUTTGART: DON PASQUQALE

Der Humor kam wieder zu kurz.

17.11.2018 | Oper


Erste Annäherungsversuche: Enzo Capuano (Pasquale) und Ana Durlovski („Sofronia“). Copyright: Martin Sigmund

 

Stuttgart: „DON PASQUALE“ 16.11.2018 – Der Humor kam wieder zu kurz

Auch die zweite Begegnung mit der Inszenierung des nun ehemaligen Operndirektors Jossi Wieler in Personalunion mit seinem Chefdramaturgen Sergio Morabito vermag die ersten Eindrücke nur wenig nach oben zu korrigieren. Die mittels eines Animationsfilms mit Don Pasquales Vorleben und seiner daraus resultierenden jetzigen Handlungsmotivation missbrauchte Ouvertüre degradiert diese trotz vielfach übereinstimmender Bewegungstempi zur Begleitmusik und ist schon deshalb überflüssig,, weil sich der Inhalt des Films auch nur durch vorheriges Programmheftstudium oder eine Einführung vor der Vorstellung erschließt.

Die fast schon gaunerhafte Organisation des bösen Spiels der Kurierung des alternden Pasquale von späten Heiratsabsichten wird durch den Einsatz einer Pistole zu weit ins Kriminelle überspannt, das gibt die trotz aller nachdenklich durchzogenen Momente überwiegend komödienhaft leichte und spritzige Musik Gaetano Donizettis nicht her. Die somit eher Abscheu als spaßhaftes Mitmachen erregende Energie von Norina, ihres Komplizen Doktor Malatesta und dessen Cousin Carlotto führt immerhin dazu, dass Pasquale mehr Mitgefühl als gewöhnlich entgegen gebracht und von Anfang an zu einer gestandenen Charakterperson wird, wo sonst oft etwas schemenhaft überdrehte Komödianten zu erleben sind. Abgesehen von Norinas etwas übertrieben lachhafter Erscheinung als schüchterne Klosterfrau Sofronia, die für ein Pointen setzendes Wirr-Warr-Finale des 2. Aktes sorgt, blieb auch der aus der Musik sprühende Humor und Charme wieder unterbelichtet oder bewusst ausgetrieben. Insofern eine vertane Chance, das über 30 Jahre nicht mehr am Haus gezeigte Stück im richtigen, sprich optimal zündenden Format, einem nachgewachsenen Publikum zu präsentieren. Die Stimmung an diesem Abend zeugte nicht gerade von köstlicher Unterhaltung, wie sie Donizettis reife Opera buffa in Fülle bieten könnte.

Das moderne Drehbühnenbild mit sich immer wieder neu in- oder gegeneinander verschiebenden Wandelementen (Jens Kilian) mag die äußerlichen Turbulenzen wie auch die inneren Konflikte Pasquales symbolisieren, die Kostüme von Teresa Vergha entbehren in ihrer Beliebigkeit jeglichen Reizes.

Das musikalische Personal konnte einiges ausgleichen, wenn auch nicht so richtig mitreißen. Selbst Ana Durlovski, eine nun wirklich gewandte Schauspielerin allerlei Typen und noch mehr versierte Sopranistin hinsichtlich flexibler und ausdrucksgewandter Stimmführung , vermochte das szenische Manko ganz aufzufangen, war aber einmal mehr für ihren spielerisch leichten Einsatz im oberen und Spitzen-Register, schwebend leichte Bögen und ein perfektes dynamisches An- und Abschwellen von Tönen zu bewundern. Enzo Capuano ist mit seiner überaus attraktiven Erscheinung eines gestandenen italienischen Signore der ideale Interpret für diese Inszenierung. Sein diesmal gefestigter wirkender Bassbariton hat die Souveränität sowohl für das flotte Parlando wie auch das von Melodien getragene Phrasieren, ist ausreichend durchsetzungsfähig und eher leise sinnierend als vordergründig laut polternd.

Die beiden Neuzugänge im Ensemble präsentierten sich äußerst vorteilhaft: Johannes Kammler verfügt für den Strippen ziehenden Malatesta über einen sauberen, belcanto-gerecht geführten, dunkel getönten Bariton mit leichter Höhe und ausgeglichenen Registern und eine rollenimmanente, wenn auch hier etwas gebremst wirkende Spielfreude. Petr Nekoranec ist ein weiterer, noch nicht lange diversen Opernstudios entwachsener Anwärter für das heute so erfreulich breit aufgestellte Reservoir an Belcanto-Tenören. Sein helles, aber nicht gleißendes Timbre, eine klare lyrische, von Gefühl und Musikalität getragene Phrasierung und eine offene unverkrampfte Höhe, mit der er den nicht immer gehörten Intervallsprung am Ende seiner betörenden Arie zumindest respektabel bewältigte, und nicht zuletzt sein ungekünstelt und ansehenswert Äußeres für die Darstellung des hier sehr teenagerhaft aufsässig gezeichneten Neffen Ernesto machten ihn zum Hauptgewinn dieser zweiten Aufführungsserie. Elliott Carlton Hines aus dem Opernstudio konnte als zumindest in stummer Funktion aufgewerteter, den Notar spielender Carlotto seine Bühnenpräsenz ausspielen.

Der Staatsopernchor Stuttgart holte aus der zur gaunerischen Familiensippe Norinas umfunktionierten Dienerschaft als spielerisch versierte Vokalgemeinschaft das Beste heraus, das Staatsorchester Stuttgart servierte Donizettis leichtfüßige oder romantisch sehnsüchtig durchwehte Musik unter der Leitung des Premieren-Dirigenten Giuliano Carella (anstatt des erkrankten vorgesehenen Francesco Angelico) mit hinreichender Pointierung und Stimmungsgehalt. Nur in den Tutti-Passagen schlichen sich immer wieder Grobheiten ein, wo Transparenz und Eleganz auch der Entfaltung der Sänger besser zuträglich wären.

Udo Klebes

 

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