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STUTTGART: CRANKO PUR – die vielseitigen Spielarten eines Choreographen

27.11.2017 | Ballett/Performance

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L’Estro Armonico: Elisa Badenes, getragen von Shaked Heller, Adrian Oldenburger und Alessandro Giaquinto. Copyright: Stuttgarter Ballett

Stuttgarter Ballett: „CRANKO PUR“ 15.+26.11.2017– die vielseitigen Spielarten eines Choreographen

 Das seit Anfang Oktober getanzte Dreier-Programm bietet mit seinem Ineinander von Soli und unterschiedlichen Ensembles die ideale Möglichkeit, nicht nur die Vorderen der Compagnie zu präsentieren, vielmehr auch so manchem Nachwachsenden die Gelegenheit mehr oder weniger auf sich und ein Zukunftsversprechen aufmerksam zu machen.

In „L’ESTRO ARMONICO“ ist es Fabio Adorisio, der bislang mehrheitlich in anspruchsvollen Charakterpartien solistisch aus dem Corps de ballet heraus getreten war und hier neben dem vorbildlichen Techniker in Attitude und Balance Adhonay Soares Da Silva umso erfreulicher mit einer Leistung auffällt, die Linearität, formale Ausgeglichenheit und eine der harmonischen Werkstruktur auch mimisch entsprechende Präsentation vereint. Und diese gute Figur insbesondere auch neben einer so meisterhaft leichten und besonders in einem langsamen Satz der drei von Kurt Heinz Stolze eingerichteten Vivaldi-Streicherkonzerte fast durchgehend feinst auf Spitze ausformulierenden Elisa Badenes macht. Für seine vielfachen überwiegend erfolgreichen Solo-Aufgaben wäre eine Beförderung des Italieners inzwischen mehr als angebracht.

Für eine Vorstellung bekam Halbsolistin Jessica Fyfe die Gelegenheit, ihre technische Kompetenz zu beweisen und konnte ihrer genannten Kollegin mit ausgewogener Balance und einer aparten, ja entzückenden Agilität in der fast ausgestorbenen Tradition von Soubretten durchaus das Wasser reichen.

Auch die größtenteils ausgewechselten jeweils sechsköpfigen Frauen- und Männer-Ensembles tragen dazu bei, dass Crankos formell originell verspielte, mal besinnliche, mal frisch dahin fließende Choreographie als titelgemäß überzeugende harmonische Eingebung erscheint.

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Brouillards: Alexander Mc Gowan. Copyright: Stuttgarter Ballett

Fast komplett in neue Hände und natürlich Beine gelegt wurde „BROUILLARDS“, jene zeitlose Symbiose aus Naturerscheinungen und menschlichem Verhalten mit diversen feine Seelenschwingungen aufgreifenden Préludes von Claude Debussy. Auch da fällt eine Gruppentänzerin, Sinéad Brodd als erste auf, wie sie dem Flirt eines Mädchens mit drei Jungen bis zum enttäuschten Zurückbleiben mitteilsame gestalterische Kontur gibt. Die Metaphern eines nach und nach erschlaffenden Segels bringen Hyo-Jung Kang und Marti Fernandez Paixa mit fein durchschimmernder Psychologie auf den Punkt. David Moore weiß die Sehnsüchte nach einem auf einer Parkbank schlafenden Mädchen einfühlsam und klar verständlich auf die Bühne zu transportieren. Den „feuilles mortes“ (= toten Blättern) geben Ami Morita bzw. Miriam Kacerova und Matteo Crockard-Villa in vielen mühelos verschlungenen Stütz- Formationen sowie geschmeidigem Bewegungs-Duktus die berührende Ausdrucksdichte eines Liebesverhältnisses. Mit trocken komischer Nonchalance erfüllt Alexander Mc Gowan den köstlich ironisierten englischen Gentleman, der zuletzt seinen Schirm und seine Melone am Grab als Markenzeichen zurück läßt. Die besonders poetischen Schritte im Schnee als schmelzende Vergangenheit füllen die Ersten Solisten Alicia Amatriain, Roman Novitzky und ohne jeglichen erkennbaren Abstand Gruppentänzer Adrian Oldenburger in dieser Dreierbeziehung mit tiefer Nachdenklichkeit aus. Der erst in dieser Spielzeit aus der Schule ins Corps de ballet gekommene Amerikaner hat damit nach einigen auffallenden sprungtechnischen Leistungen in der Gruppe auch als Darsteller nicht zuletzt seiner großen attraktiven Erscheinung wegen auf sich aufmerksam gemacht. Das tat er neben dem stets so voller Freude und Temperament engagierten Matteo Miccini auch in der Herzsuite in „JEU DE CARTES“. In diesem vergnüglichen dreirundigen Tableau mit vielen Elementen aus Crankos Anfängen als Spaßmacher und später immer wieder gekehrten choreographischen Merkmalen gab der neu engagierte Halbsolist Moacir De Oliveira einen überaus erfreulichen solistischen Einstand als Joker, wobei die mimische Präsenz wie seine gesamte Bühnen-Präsenz vorerst mehr auffielen als eine mit dieser Rolle auch verbundene sprungtechnische Effizienz. Rocio Aleman verkörpert die Herz-Königin über ihre Marionettenhaftigkeit hinaus mit Herz und Spitzen-Vergnügen, Aurora de Mori die Karo-Zwei mit quirliger Lebendigkeit.

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Brouillards:  Hyo-Jung Kang und Marti Fernandez Paixa. Copyright: Stuttgarter Ballett

Aivo Välja (15.11.) bzw. Wolfgang Heinz (26.11.nm) führten das Staatsorchester Stuttgart sorgsam bzw. etwas animierter durch Vivaldis und Strawinskys Musik, Andrej Jussow ließ Debussys gleichnamige Prélude-Sammlung den jeweiligen Stimmungsbildern gemäß in den Tanz mit einfließen.

Udo Klebes

 

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