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STUTTGART: CRANKO-KLASSIKER – ironisches und berührendes Vergnügen

26.04.2016 | Ballett/Performance

Stuttgarter Ballett

„CRANKO-KLASSIKER“ 25.4. 2016– ironisches und berührendes Vergnügen

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Hinreißender Kapitän: Robert Robinson (mit begehrenden Mädchen der Cranko-Schule). Copyright: Stuttgarter Ballett
 
Der Solist Robert Robinson stand im Mittelpunkt dieser Aufführung, musste er doch zusätzlich zur offiziell angesetzten männlichen Hauptrolle im zweiten der Cranko-Einakter von einem ausgefallenen Kollegen wie schon bei der Wiederaufnahme-Premiere in die ihm perfekt anstehende Partie des Kapitäns in „PINEAPPLE POLL“ schlüpfen. Da blieb auch dieses Mal in der Verquickung von persönlicher Ausstrahlung, tänzerischer Haltung und Wendigkeit sowie köstlich ironischer Gestaltung nichts zu wünschen übrig. Absolut nachvollziehbar, dass neben Elisa Ghisalbertis frisch und frech angelegter Poll mit sicher durchgezogenen Pirouetten und Spitzenaktionen auch all die anderen Mädchen des englischen Hafernstädtchens nach dem schmuck uniformierten, schließlich zum Admiral aufsteigenden Kapitän gieren und sich in Matrosenkleidung an Bord seines Schiffes schmuggeln. Da hat der arme Schankbursche Jasper bis zur unvermittelt glücklichen Finalwendung keine Chance, mag er noch so engagiert, mit viel Liebe zum Detail und forschem Sprung erfüllt sein wie von Halbsolist Louis Stiens. Doch der Kapitän hat nur Augen für die standesgemäße, diesmal von Aiara Iturrioz Rico passend affektiert angelegte Blanche. Die sie begleitende Tante Mrs.Dimple zeichnet Anouk van der Weijde als beständig schnäbelnde und tänzelnde Nervensäge, die zum Schluss mit Standarte und umgewickelter Fahne vom Corps in die Höhe gehoben wird. Eine reine Freude sind auch diesmal die mit Ausgelassenheit und Witz wirkenden John Cranko SchülerInnen in den dankbaren Ensembletänzen der Matrosen und ihren Mädchen. So rückständig diese Seemanns-Ballade heute daherkommen mag, Crankos jeden Moment auskostende Choreographie und die einschmeichelnden Melodien von Arthur Sullivan garantieren für uneingeschränkt amüsante Unterhaltung.

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Schöne Lady mit Herz und Tiefe: Myriam Simon (mit Gesellschaft). Copyright: Stuttgarter Ballett

Nach der Pause folgte Robert Robinsons Wandel zum Clown Moondog in „THE LADY AND THE FOOL”.  Statt Ironie und Stolz bestimmten nun tragikomische Züge seine Auftritte, begleitet vom mehr kindlich rührend als traurig erscheinenden Özkan Ayik als Clownsbruder Bootface. Mit knapper vielsagender Geste, wärmendem Charakter und präzis lockerer Einverleibung von Crankos bis zu den ersten Hebungen fordernden choreographisch-musikalischen Verdichtungen trifft der Engländer mitten ins Herz dieser großartigen Partie. Als Charaktertänzer mit weit darüber hinausreichenden technischen Möglichkeiten setzt Robinson die seit Crankos Zeit begründete Tradition erfreulich fort.

Nicht weniger ins Herz der Rolle traf Myriam Simon als zentrale, ihre Schönheit meist hinter einer Maske verbergende Lady. Zu ihrer, äußerlich betrachtet, passenden Attraktivität gesellten sich Züge tiefer Empfindung und menschlicher Größe. Auch mit diesmal etwas eingeschränkt ausgekosteter großer Linie wurde beider Pas de deux zum Höhepunkt dieser Vorstellung. Ihre drei Anwerber auf dem Fest, zu dem sie das Clownspaar mitnimmt, hatten keine Chancen, trotz auch jetzt überwiegend positiver Leistungen: Pablo von Sternenfels als debutierender Capitano Adoncino mit der von ihm gewohnten Emphase und effektivem Dreh-Potenzial, Constantine Allen als von Weltschmerz erfüllter, von nobler lyrischer Attitude erfüllter Prinz von Arronganza und der sich neben solch solistischer Kapazität vor allem in den kraftvollen Battements seiner Präsentation erfolgreich behauptende, fast widerwärtig eitel und hochnäsig daherkommende Gastgeber von Gruppentänzer Fabio Adorisio.

Auch wenn das Corps de ballet gegen Schluss des Balls mit Unkonzentriertheit auffiel – solche Marginalien am Rande konnten das Gesamtergebnis nicht schmälern, wozu auch wieder die ebenso mitreißende wie gefühlvolle Begleitung mit frühen Verdi-Melodien durch das Staatsorchester Stuttgart und Wolfgang Heinz beigetragen hat.

Udo Klebes

 

 

 

 

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