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STUTTGART/ Cannstatter Kulturwasen: DIE ZAUBERFLÖTE

30.06.2020 | Oper


Beate Ritter (Königin der Nacht), Josefin Feiler (Pamina), im Hintergrung Aoife Gibney (Papagena. Foto: Matthias Baus.

STUTTGART: Mozarts „Zauberflöte“ mit der Staatsoper Open-Air auf dem Cannstatter Kulturwasen am 29.6.2020

Vielfalt der Bilder

Die Vielfalt der stilistischen Elemente sind gerade bei der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart frappierend. Auch die stark gekürzte Fassung auf dem Kulturwasen in der flotten Inszenierung von Rebecca Bienek konnte großteils überzeugen, denn die Regisseurin überträgt das Stück kurzerhand in die heutige Zeit. Im Autoradio konnte man das musikalische Geschehen in ungewohnter Weise mitverfolgen. Auf einem großen LED-Bildschrim sah man dann die Handlung neben der Bühne.

Neben dem einfachen Lied- und Volkston von Papageno und Papagena beeinruckten bei der Aufführung auf dem Kulturwasen vor allem auch die gehobene Gefühlssprache Taminos und Paminas. Auch wenn der figurierte Choral in der Wasser- und Feuerszene stark zusammengestrichen wurde, erfand Rebecca Bienek (Kostüme: Astrid Eisenberger) hier immer wieder faszinierende Bilder mit riesigen Schlangen und geheimnisvoll-überdimensionalen Zauberbildern. Die Lebenswanderung als großer Prüfungsweg erschien gleichsam in neuem Gewand. Die Paare Tamino, Pamina, Papageno und Papagena fanden so wie in einem Mosaik oder Labyrinth zusammen. Tamino durfte hier auch den Orpheus spielen, der seine verloren geglaubte Geliebte zurückgewinnt. Auf seinem T-Shirt prangte die Aufschrift „Iron Mozart“, Kronenmotive fanden sich auf seiner Tapete.

Allerdings wirkte das Bühnenbild oftmals etwas zusammengepfercht, denn die Protagonisten konnten sich hier nur eingeschränkt bewegen. Der Märchenraum wurde dabei stark eingeschränkt. Und die Bilderwelt der „Zauberflöte“ sollte wirklich nicht nur zufällig sein. Trotzdem blitzte das Humanitätsethos vielsagend hervor. Aber Rebecca Bienek zollte auch der Pop-Kultur ihren Tribut. Manches wirkte doch stark verfremdet. Die Videoanimation von Bianca Knülle hinterließ hier den besten Eindruck. Es mangelte nicht an zündender Spontaneität.


Johannes Kammler (Papageno). Foto: Matthias Baus

Vor allem die hervorragende Beate Ritter als Königin der Nacht konnte ihre effektvollen Koloraturen stets gut platzieren. Die Vertiefung und Steigerung des dramatischen Ausdrucks erreichte dank des sehr versierten Pianisten Thomas Guggeis (auch Synthesizer) eine starke Intensität, die immer mehr zunahm. Aufflammende Leidenschaft konnten sowohl Josefin Feiler als Pamina als auch Kai Kluge als Tamino betonen, während Aoife Gibney als Papagena und Johannes Kammler als Papageno die komödiantischen Aspekte ihrer Rollen herausarbeiteten. Besonders überzeugend war ferner der sonore Bass von Michael Nagl als recht jugendlicher Sarastro. Neben Urwald-Geräuschen sowie vergnüglichen Wagner- und Beethoven-Anspielungen konnte sich die Charakterisierungskunst der einzelnen Figuren immer wieder gut behaupten.

Übrigens erklang die Ouverüre zu Beginn in der opulenten Orchesterfassung. Das zuerst fugierte Allegrothema mit seinen kontrapunktischen Wendungen und Verbindungen zeigte dabei immer neue Facetten. Wie in einem vielschichtigen Mosaik fügten sich so die einzelnen Bilder zusammen. Orginell war auch die Idee, Pamina mit ihrer königlichen Mutter per Telefon beziehungsweise Smartphone kommunizieren zu lassen. Die einzelnen Liebespaare wurden durch Wände getrennt, was dem ganzen Geschehen zusätzliche Spannungsgrade verlieh. So kamen vor allem auch jugendliche Zuschauer auf ihre Kosten. Heinz Göhrig als Monostatos setzte dem Ganzen als windiger Managertyp noch die Krone auf.

Auffallend ist bei dieser Inszenierung in jedem Fall, dass das Reich der Königin der Nacht nahtlos in Sarastros Palast übergeht und dass die Königin der Nacht hier viel von ihrer Dämonie verloren hat. Sie ist letztendlich mitsamt ihrer Dienerschaft nicht dem Untergang geweiht. Das ist durchaus eine neue Sichtweise. Am Schluss gab es viel Applaus, „Bravo“-Rufe und kräftiges Autohupen für diese trotz kleinerer szenischer Schwächen gelungene „Oper trotz Corona“-Produktion.    

Alexander Walther

 

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