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STUTTGART/ Ballett: SCHWANENSEE – reifer Schwan und jungenhafter Prinz

29.04.2024 | Ballett/Performance

Stuttgarter Ballett

„SCHWANENSEE“ 28.4.2024 – reifer Schwan und jungenhafter Prinz

An diesem Sonntag Nachmittag trat die erste teilweise Alternativ-Besetzung nach dem Debut zwei Wochen zuvor nun wohl etwas entspannter an. Die Doppelrolle der Odette/Odile ist für Anna Osadcenko bereits vertrautes Terrain, das zeichnet sich an ihrer Sicherheit und ihrer gestalterischen Tiefe ab, die Verletzlichkeit und Stolz vereint. Dass sie jetzt etwas verschlossener, kühler, weniger mitteilsam wirkte als zuvor, mag vielleicht damit zusammenhängen, dass sie sich im nun erreichten reifen Ballerinen-Alter doch mehr auf die konditionelle Bewältigung der Technik konzentrieren muss, ohne in dieser Hinsicht inzwischen Grenzen in einigen Momenten wie den langsamer gedrehten Fouettes, lediglich den Eindruck einer etwas eingeschränkteren Mühelosigkeit aufzuzeigen.

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Matteo Miccini im 1. Akt. Copyright: Stuttgarter Ballett

Aufgrund der erwähnten zurückhaltenderen Interpretation bietet sie für den neuen Partner Matteo Miccini nur wenige Ansätze für eine emotionalere Beziehung. Erst im letzten Akt, im Angesicht des Scheiterns eines dauerhaften Liebesglücks ereignet sich zwischen dem Paar ein Geben und Nehmen, eine spürbare Intimität. Bewundernswert ist, wie Miccini, der mit dem Siegfried endlich seine erste Hauptrolle anvertraut bekommen hat, auch diesem etwas verschlossenen Gegenüber mit ansteckend jungenhafter Sympathie vom unbeschwerten Beginn bis zum leidvollen Ende alles gibt, was die Rolle bedarf, und auch zwischen den zunehmend ernsteren Phasen immer wieder den Strahlemann durchblitzen lässt. Das kann er, dessen etwas geringere Körpergröße nicht nachteilig auffällt, wie derzeit kein zweiter in der Compagnie. Rein choreographisch erfüllt er die Anforderungen grundiert von seiner hohen Präzisionsgabe und seiner stupenden Kraft für längere Hebeaktionen, von kleineren Schwächen am Ende einiger Drehungen abgesehen, überaus effektiv, aber auch mit dem Versprechen, die noch vorhandene Lücke an Luft nach oben mit zunehmender Rollenerfahrung und menschlicher Reife zu schließen.

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Anna Osadcenko, Matteo Miccini im 3. Akt. Copyright: Stuttgarter Ballett

Anstatt des vorgesehenen Ciro Ernesto Mansilla wiederholte Clemens Fröhlich mit Macht gebietender Präsenz, weitem Schwung seines gespenstischen schwarzen Umhangs und magischen Bewegungs-Ritualen die Einsätze des geheimnisvollen Zauberers Rotbart.

Zu Mackenzie Brown gesellte sich als zweiter Großer Schwan jetzt Agnes Su, die ihre solistische Kompetenz auch als das Divertissement im 1.Akt anführende Bürgerin beweist, gefolgt von ihren diesmal ihre Soli nicht ganz gleichmäßig gut absolvierenden Freundinnen, worunter Irene Yang als Debutantin wie auch später als neapolitanische Prinzessin sicher besteht – als letztere von ihrem Begleiter Eduardo Sartori mit ausgeglichen schön und sauber gedrehten Pirouetten fast in den Schatten gestellt. Diana Ionescu vereint auch als Polnische Prinzessin hoheitliche Würde und feine Technik, Aiara Iturrioz Rico ist eine anmutig liebliche Russische Prinzessin. Den Spanischen Tanz führt Alicia Torronteras gebührend temperamentvoll an. Ein Pauschallob dem weiteren Personal der kleinen Partien sowie dem wieder sehr homogenen Schwanen-Corps. Wolfgang Heinz stellte sich sehr einfühlsam auf die Tempo-Bedürfnisse ein und vermittelte mit dem Staatsorchester Stuttgart viel von der faszinierenden romantischen Klangpracht Tschaikowskys.

 

 Udo Klebes

 

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