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STUTTGART/ Ballett: MAYERLING

Krönung eines Tänzerlebens

19.10.2019 | Ballett/Tanz


Hyo Jung Kang, Jason Reilly. Copyright: Stuttgarter Ballett

Stuttgarter Ballett: „MAYERLING“ 18.10.2019 – Krönung eines Tänzerlebens

Gut vier Monate nach seinem Rollendebut hat sich Kammertänzer Jason Reilly nun wiederum für nur eine Vorstellung auf den österreichischen Kronprinzen Rudolf konzentriert und sich auch aufgrund einer neuen Partnerin noch einmal komplett vorbereiten müssen. Was schon im Juni in Grundzügen erkennbar war, festigte sich jetzt zu einem stringenten Charakterbild. Gespeist aus der durch wirklich alle großen Partien des Repertoires erzielten tänzerischen und menschlichen Reife bedeutet MacMillans in höchstem Maße anspruchsvolles choreographisch gestalterisches Psychogramm des habsburgischen Hoffnungsträgers für den Kanadier genauso wie für seinen Premieren-Kollegen Friedemann Vogel den verdienten Gipfel eines Tänzerlebens. Und so legt er genauso alle Kapazitäten und Möglichkeiten für diese Rolle frei, gibt sich ihr in aller Konsequenz ohne Schonung hin. Das Zusammenwirken von psychischer und körperlicher Extreme führt auch bei ihm zu einer beständigen Spannung und dem Bangen um ein konditionelles Durchstehen dieser Tour de force. Da gerade im Partnern, im häufigen Wechsel der Partnerinnen, Reillys besondere Stärken liegen konnte sich auch die neue Mary Vetsera Hyo Jung Kang in allen Waghalsigkeiten absolut sicher fühlen. Statt Alicia Amatriain, die im März nächsten Jahres ein Kind erwartet, bekam die koreanische Erste Solistin nun vorzeitig die Chance als Rudolfs mit ihm in den Tod gehende Geliebte zu debutieren. Und tat dies mit der von ihr gewohnten Leidenschaft und einer nun im auch schon fortgeschrittenen Ballerinen-Alter glaubhaft jungmädchenhaften Ausstrahlung, die für  die schwärmerisch naive Mary unabdingbar ist und worin sie nebenbei betrachtet zusehends an diese Gabe ihrer berühmten ehemaligen Stuttgarter Kollegin gleichen Namens erinnert. Vielleicht sollte sie das eine oder andere zu liebevolle Lächeln gegenüber Rudolf zugunsten einer mehr berechnende Verführung signalisierenden Mimik ablegen, doch wird sie sicher mit mehreren Vorstellungen noch mehr charakterliches Profil gewinnen, wo jetzt vorläufig noch etwas an der Oberfläche hängen blieb. In der choreographischen Umsetzung ließ sie keinerlei Wünsche offen, geradezu furchtlos warf sie sich in die teils kriminellen und in schneller Abfolge gesetzten Hebefiguren.


Jason Reilly. Aurora De Mori. Copyright: Stuttgarter Ballett

Angelina Zuccarini hat als Gräfin Larisch ihre eisernen Bemühungen um eine Zurückgewinnung von Rudolfs Gunst noch einmal intensiviert, das intrigant Berechnende kommt dabei weniger zum Vorschein, ohne der Rolle deshalb an Glaubwürdigkeit zu nehmen. Von Akt zu Akt gewinnt Daiana Ruiz als Elisabeth an Persönlichkeit, während Ami Morita in der einzigen Szene von Rudolfs Halbwelt-Geliebter Mizzi eine feine Interpretations-Note auszuspielen weiß. Aurora De Mori wiederum ist als Rudolfs Zwangsbraut Prinzessin Stephanie eine edel zart schöne Erscheinung mit nuancierter Ausdruckskraft im brutalen Schlafgemach-Pas de deux. 

Viel her machten auch jetzt wieder die vier vielfältig eingesetzten ungarischen Offiziere, angeführt vom auffallend sprungstarken Ciro Ernesto Mansilla. Mit beherzter technischer Lockerheit und gleichzeitig echt besorgtem Mitgefühl für seinen Herrn zeichnet sich Matteo Miccini als Leibfiaker Bratfisch aus. Veronika Verterich lässt sich von ihrem Schwager Rudolf nach erster Verwirrtheit in einem Pas de deux vor versammelter Hochzeitsgesellschaft den Hof machen. Clemens Fröhlich als Colonel Middleton trägt Elisabeth bei seinen Avancen elegant auf Händen.

Die Charakterdarsteller (Franz Joseph, Sophie samt Hofdame, Graf Taaffe, Rudolfs engste Freunde sowie des Kaisers Lebensgefährtin Katharina Schratt sind inzwischen alle bewährt besetzt, das Corps de ballet erfüllte seine vielfältigen Einsätze am Hof, auf der Jagd und in der Taverne mit szenisch-musikalischem Gespür für Details.

Das Staatsorchester Stuttgart leistete unter der Leitung von Mikhail Agrest  wieder einen erheblichen Beitrag, indem es die teilweise von John Lanchberry orchestrierten Franz Liszt-Kompositionen in all ihren Stimmungsvaleurs entfaltete.                  

Udo Klebes   

 

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