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STUTTGART/ Ballett: „KRABAT“ – ungebrochene Magie quer durch alle Besetzungen

20.02.2017 | Ballett/Tanz

Stuttgarter Ballett: „KRABAT“ 16.+19.2.nm – Ungebrochene Magie quer durch alle Besetzungen

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Ein rundum überzeugendes Debut: Marti Fernandez Paixa als Krabat. Copyright: Stuttgarter Ballett

 Auch wenn die vielen Zaubertricks in Demis Volpis Choreographie durch mehrmaligen Aufführungsbesuch keine Überraschungen im eigentlichen Sinn mehr darstellen, bleibt die Faszination von diesem Gesamtkunstwerk, in dem alle Komponenten so glücklich und dicht ineinander wirken, unvermindert stark. Unter den Stammbesuchern gibt es zwar auch kritische Stimmen, die bei dieser Schöpfung einen größeren Anteil von Ballett-Tanz vermissen – bei genauem Hinschauen speist sich jedoch die erzählerische Kraft phasenweise aus unendlich vielen kleinen Partikeln des Ballett-Vokabulars. Der Erfolg bei allen Altersstufen spricht wiederum für sich und sorgt für schnell ausverkaufte Vorstellungen, so dass die nächste Wiederaufnahme sicher in nicht allzu ferner Zukunft liegen wird.

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Seelenvolles Paar: Marti Fernandez Paixa (Krabat) und Agnes Su (Kantorka). Copyright: Stuttgarter Ballett

Am 16.3. lag das Hauptaugenmerk auf dem debutierenden Titelhelden, wobei dieser vielstrapazierte Begriff bei dem Halbsolisten Marti Fernandez Paixa auch wirklich zutraf, weil er von der noch unsicher tastenden Aufnahme in der Mühle bis zum ergreifenden Schreiten in die Freiheit mit nie verkünstelter Gestaltung, sicher und gefestigt in allem was er tat, zielstrebig bei der Sache war. Präsenz beweist er sowohl in der Gruppe mit den anderen Mühlen-Gesellen als auch in solistischen Einsätzen, gekrönt vom großen facettenreichen Solo, in dem er sich die vom Meister erzwungene Entscheidung über seine Zukunft mit viel Energie und einer spannungsgeladenen Verbindung aus explosiver Hingabe und lässigen Akzenten abringt. In seiner Angst um die geliebte Kantorka kommt sein ohnehin sympathisches und sensibel reagierendes Wesen noch verstärkt zum Vorschein. Die Erregung über die Befreiung durch den atemberaubenden Enthauptungstod des Meisters zeichnet sich bis kurz vor Schluss in seiner bewegten Körpersprache ab. Ein verdient großer Erfolg für den hoffnungsvollen Nachwuchstänzer, der kaum weniger auch auf Agnes Su zutrifft, die die Kantorka mit zarter Anmut und viel Liebe in ihren vielen Spitzenpositionen auszirkelt und der Rolle auch da, wo sich ihr Gesicht hinter einer Halbmaske verbirgt, eine persönliche Note gibt.

Neben dem von Matteo Crockard Villa rustikal männlich und relativ geradlinig angelegten Meister und der herrisch dominanten Magdalena Dziegielewska als Gevatter Tod ist Ami Morita hervorzuheben, die ihren kämpferischen Auftritt als Zauberer Pumphutt seit ihrem Debut wesentlich an Attacke und Lust am Tempo gesteigert hat. Roman Novitzky (Tonda) und Myriam Simon (Worschula) berühren in ihrem leider viel zu schnell endenden Liebes-Pas de deux.  Alexander Mc Gowan ließ sich erstmals – und dies mit großer Leidensfähigkeit – als Merten vom Meister demütigen, ebenso wurde Alessandro Giaquinto im zweiten Akt als äußerst ängstlicher Witko neu zu den Gesellen aufgenommen.

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Robert Robinson als bedrohlicher Meister mit den (Raben-)Gesellen. Copyright: Stuttgarter Ballett

Drei Tage später hätte mit dem Gruppentänzer Matteo Miccini ein weiterer Krabat-Debutant folgen sollen, doch musste er kurzfristig wegen Krankheit durch den Uraufführungs- und Wiederaufnahme-Interpreten David Moore ersetzt werden. Der Erste Solist hat den Waisenjungen nun in allen Belangen verinnerlicht ohne die jungenhafte Ausstrahlung verloren zu haben. Keinerlei Premieren-Nervosität zeigte Jessica Fyfe als Kantorka, die ihre Rolle ganz aus einer elastischen Spitzentechnik heraus zuverlässig und sicher charakterisierte. Der neue Meister Robert Robinson spielt die Macht des Mühlen-Monarchen mit bedrohlicher Präsenz und einer dauerhaft gesehen etwas zu strengen Mimik aus, wo so manche Prise Sarkasmus ein schillernderes Rollenbild ergeben würde. Die Vehemenz seiner groß angelegten Schritte und Kopf-Windungen verfehlen ihre Wirkung auf die Umgebung indes nicht. Als Kampfgegner Pumphutt stellte sich nun Agnes Su mit vorerst noch etwas gebremstem Tempo, aber süffisanter Gestaltung erstmals vor. Neu dabei auch Louis Stiens als Geselle Juro, der Krabat mit spielerischer Lust und viel Profil den Weg zur Befreiung weist. Den geheimnisvoll rot glühenden Tod verkörperte diesmal Sonia Santiago mit eisern behaupteter Instanz. Vom Meister zum ältesten Gesellen Tonda wechselte Matteo Crockard-Villa mit männlich ausgeprägter Körpersprache und viel Gefühl sowohl für den anfangs noch unsicheren Krabat als auch für seine Geliebte Worschula, deren Wahnsinns-Szene Hyo-Jung Kang mit wie selbstverständlich funktionierendem, gebrochenem Spitzeneinsatz entfaltete, ehe sie wie von Zauberhand von einem der vielen Mehlsäcke regelrecht verschluckt wird.

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Bewegt und erschöpft nach überstandener Prüfung:  Jessica Fyfe (Kantorka) und David Moore (Krabat). Copyright: Stuttgarter Ballett

James Tuggle leitete das Staatsorchester Stuttgart durch beide Aufführungen mit nie nachlassender Dringlichkeit im Ausdrucksradius der perfekt ausgewählten Kompositionen von Philip Glass, Peteris Vasks und Krzysztof Penderecki.

Viel Begeisterung von einem erfreulich jugendlich durchsetzten Publikum.

  Udo Klebes

 

   

 

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