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STUTTGART/ Ballett: DORNRÖSCHEN. ungebrochene Wiedersehensfreude – Wiederaufnahme

27.11.2021 | Ballett/Performance

Stuttgarter Ballett: „DORNRÖSCHEN“ 26.11. 2021 (Wiederaufnahme) – ungebrochene Wiedersehensfreude

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Ideal in Ausstrahlung und Technik: Elisa Badenes als Aurora. Foto: Stuttgarter Ballett

Gerade mal drei Wochen währte die wieder gewonnene Vollbelegung der Stuttgarter Kulturtempel -ehe ausgerechnet jetzt vor vielen bereits ausverkauften Vorstellungen in der Advents- und Weihnachtszeit von heute auf morgen im Zuge der Einführung von 2G plus die Begrenzung auf 50 % der verfügbaren Plätze angeordnet wurde. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie die Mitarbeiter des Kartenverkaufs in einer Nacht- und vielen Extraschichten nach Maßgabe des Kauf-Datums viele Karten stornieren, refundieren und deren Käufer verständigen mussten/müssen. So deplaziert oder zumindest nebensächlich dies in einer Aufführungs-Rezension erscheinen mag, gilt an dieser Stelle doch ein großer Dank an all die Betroffenen hinter den Kulissen!

Vor gelichteten Reihen musste nun die soundsovielte Wiederaufnahme des begehrten Märchenklassikers in der unübertrefflich geschmackvoll farbenreichen Ausstattung von Jürgen Rose stattfinden, die Marcia Haydées von zahlreichen sinnstiftenden Ideen angereicherte Choreographie nach dem Original von Marius Petipa den perfekten Rahmen liefert. Nicht ohne Grund durfte die einstige Primaballerina und Ballettdirektorin des Hauses wieder einmal eine Sonderovation durch das Publikum und Blumen erhalten. Genauer gesagt Rosen, die in diesem Stück eine wichtige Funktion einnehmen. Zuerst in Form kleiner Topfpflanzen zur Taufe der Titelgeberin, die bis zu ihrem 18. Geburtstag zu stattlichen, die Spielfläche säumenden Hecken gewachsen sind. Und dann jener fatale Strauß, in dem die böse Carabosse die Spindel versteckt hat, deren Stich Dornröschen und den gesamten Hofstaat in einen hundertjährigen Schlaf versenkt. Zum Glück gibt es da noch den guten Geist in Gestalt der Fliederfee, die den Prinzen Desiré zum Erwecker werden und die Geschichte mit einer rauschenden Märchenhochzeit samt feierlicher Apotheose enden lässt. Doch auch dann bleibt das Böse in Gestalt von Carabosse gegenwärtig, wie ein Mahnmal schreitet sie zuletzt vor dem gesamten Ensemble über die Vorderbühne.

Diese in Haydées Fassung eigentliche oder heimliche Hauptpartie zeigte Jason Reilly knapp zwei Wochen nach einem tief beeindruckenden Onegin in einer gleichfalls bewundernswert dichten Verschmelzung von immer noch beweglicher Kraft und bis ins Detail feinster, glaubhaft androgyner Interpretation. Sprich von einer Rollen-Durchdringung, der es der Fliederfee umso schwerer macht, ihr ausgleichende Magie zu geben. Miriam Kacerova gelingt es mehr mit astreiner luftiger Spitzentechnik als mit die Bühne jederzeit beherrschender Ausstrahlung.

Elisa Badenes gehört zu jenen Vertreterinnen der Aurora, bei der im Verbund mit einer mädchenhaft selbstbewussten Aura selbst die anspruchsvollsten choreographischen Sequenzen wie ein Akt der Selbstverständlichkeit wirken, sprich ob ihrer totalen Sicherheit keinen Moment um das Gelingen zittern lassen muss. Wenn sie im gefürchteten Rosen-Adagio bei den Rondes de jambes diesmal an den entscheidenden Stellen nicht komplett gelöst war, lag dies wohl eher an der mangelnden Geschicklichkeit des einen oder anderen der vier um sie werbenden Prinzen (Noan Alves, Timoor Afshar, Fabio Adorisio, Daniele Silingardi), die ansonsten vor allem mit viel Sprunggewalt und differenzierten Formen von Eitelkeit und Arroganz imponierten.

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David Moore (Prinz) in den Fängen von Jason Reilly (Carabosse). Copyright: Stuttgarter Ballett

Gegenüber dem Prinzen haben sie indes keine Chancen. David Moore charakterisiert ihn weniger als Strahlemann denn als nachdenklich ernsten Adelsvertreter mit akkuraten Linien und einer ausgeglichenen klassischen Attitude sowie als hilfreichen Partner für die mehrfachen Fisch-Figuren im Hochzeits-Pas de deux. Spätestens hier kehrt in seinem Gesicht die Fröhlichkeit ein.

Zu erwähnen ist unbedingt noch das Debut von Jessica Fyfe als apart feiner und brillant bestehender Prinzessin in Begleitung des nun deutlich sichtbare Fortschritte zu einer flügel-leichten Bewegungs-Transparenz gemacht habenden Christian Pforr als Blauem Vogel.

Sicherer und durchgehender akzentuiert bewährte sich jetzt Ciro Ernesto Mansilla als Ali Baba, umgeben von ausgeglichenen neuen Edelsteinen in Gestalt von Elisa Ghisalberti, Fernanda Lopews und Daiana Ruiz.

Nicht vergessen werden darf Alessandro Giaquinto als köstlich blasierter Zeremonienmeister Catalabutte, der wie kaum ein anderer zuvor soviel Aufmerksamkeit auf sich zog, wie er das Geschehen tänzelnd beobachtete.

All die Feen, deren teils erstmals eingesetzte Begleiter, die zahlreichen Märchenfiguren sowie das Königspaar, die Amme und nicht zuletzt das in mehrfacher Kostüm-Gestalt geforderte Corps de ballet müssen sich mit einer Pauschal-Würdigung begnügen.

Als Gast stand die ehemalige Tänzerin Maria Seletskaja am Pult des Staatorchesters Stuttgart, und brachte die von unterschiedlichsten symphonischen Formen geprägte Partitur weitgehend sicher mit den Bedürfnissen der Choreographie und ihrer Interpretation in Einklang.

Vergessen war am Schluss eine etwa halbstündige Unterbrechung der Vorstellung im Walzer des 1.Aktes durch einen Fehlalarm – da herrschte nur noch Freude über das glückliche Ende und die verdiente Begeisterung aus dem Publikum.

  Udo Klebes

 

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