Stuttgarter Ballett. „DORNRÖSCHEN“ 20.12.2015 – mit Bilderbuch-Aurora
Mädchenhaft strahlende und technisch erhabene Vorzeige-Aurora: Hyo-Jung Kang (mit den vier Prinzen). Copyright: Stuttgarter Ballett
Sie gehört nicht mehr zu den ganz jungen Tänzerinnen, verwandelt sich aber in den edlen Tutus von Jürgen Rose in ein strahlendes Mädchen, das den königlichen Eltern an ihrem 18. Geburtstag in einer spannenden Verbindung aus freudenvoller Erwartung und Ehrfurcht gegenüber tritt: Hyo-Jung Kang. Viel Anmut und spürbarer Respekt fließt in ihre Linien ein, die sie hingebungsvoll und mit einer nie vordergründigen Brillanz auskostet. Da ist alles tief aus der Musik heraus erfühlt. Die größten Hürden des Rosen-Adagios, die träumerische Verlorenheit ihrer von der Fliederfee aus dem Schlaf herauf beschworenen Erscheinung und schließlich die überglückliche Braut – alles erwächst wie selbstverständlich, mit Leichtigkeit und einer leisen Konzentration aus ihrer höchst zuverlässigen technischen Veranlagung. Kurz gesagt: sie ist derzeit die Vorzeige-Aurora, weil alle Parameter so glücklich übereinstimmen und in dem märchenhaften Wesen eine natürliche Menschlichkeit walten lassen.
Carabosse mit starkem Charakter und Sprung-Emphase: Robert Robinson (mit Helmar Paulokat als König). Copyright: Stuttgarter Ballett
Daniel Camargo erweist sich an ihrer Seite einmal mehr als Prinz ohne Zuckerguss, aufgeweckt und doch auch mit einer nachdenklichen Note, und steigerte sich an diesem Abend im 3. Akt zu grandioser Form bei den Manege-Sprüngen und Schraub-Drehungen. Mit Robert Robinson hat das Stuttgarter Ballett wieder eine Carabosse mit sattelfest umrissenem Charakter, einer gewaltigen Portion Bosheit, vielen mimischen Zwischentönen und in jedem Akt noch zunehmender Sprung-Emphase – zusammengefasst einen Rollenvertreter, der sich dauerhaft einprägen wird. Bei Ami Moritas Fliederfee tritt neben einer tadellosen Spitzen-Agilität nun mehr und mehr auch ein markantes Gesicht hervor, mit dem sie künftig bei ihren Auftritten assoziiert werden kann.
Auch in der vorläufig letzten Vorstellungs-Serie sind noch zwei wichtige, weil anspruchsvolle Debuts im Hochzeits-Divertissement zu vermerken: Adhonay Soares da Silva als Ali Baba mit locker leichten Sprüngen, die er durch temporeiche schöne und gleichmäßige Drehungen zu effektiver Wirkung kombiniert sowie Adam Russell-Jones, der als Blauer Vogel eine äußerst elegante Figur mit schlanken Pirouetten und fein schwingenden Armen abgibt, und nur den Nachteil hat, neben seiner charismatischen und technisch vollkommenen Prinzessinnen-Partnerin Elisa Badenes zu verblassen.
Mit viel Verve und klanglichem Reichtum seitens des Staatsorchesters Stuttgart, herausgekitzelt von Dirigent Wolfgang Heinz, summierte sich diese Aufführung zu einer Aufführung von besonders großer Dichte. Viel Jubel von einem erfreulich jungen Publikum.
Udo Klebes