Stuttgarter Ballett „DON QUIJOTE“ 11.7. 2025 – viel Stimmung mit minimalen Defiziten
Strahlendes Temperament: Mackenzie Brown (Kitri) und Marti Paixa (Basilio). Copyright: Stuttgarter Ballett
Bei der Bekanntgabe der neuen Saison im Mai hat es noch so ausgesehen, dass Mackenzie Brown mit der Kitri ihre letzte Rolle verkörpern wird, hatte doch die gerade mal Anfang 20Jährige Amerikanerin völlig überraschend die Rückkehr in ihre Heimat in Verbindung mit der Beendigung ihrer Bühnenkarriere verlauten lassen. Zur großen Erleichterung bleibt sie nun doch der Ballettwelt und Stuttgart mit einem Gastvertrag erhalten. Die außergewöhnlich begabte Erste Solistin brannte denn bei ihrem Debut in Maximiliano Guerras Choreographie erwartungsgemäß ein Feuerwerk an Spitzenattraktionen wie einem rasant gleichmäßigen Pirouettenwirbel, leicht durchgestreckten Spagatsprüngen und wie selbstverständlich eng gedrehten Diagonalen in ihren Soli ab. Dazu eine herzhaft erfrischende Spielastik aus Backfisch-Strahlen und schon selbstbewusster Aufmüpfigkeit gegenüber ihrem andere Heiratsabsichten für sie hegenden Vater (Emanuele Babici wieder mit großspurig angelegtem Darstellungs-Einsatz).
Ob es am Debut oder an der Tagesform lag, dass sich die Szenen mit ihrem geliebten Basilio nicht immer wie aus einem Guss durchgezogen fügten, hie und da mancher Übergang noch etwas vorsichtig wirkte, lässt sich schwer beantworten. Marti Paixa jedenfalls präsentierte auch seine neueste Rolle als rundes Gesamtpaket aus technischem Knowhow, bis in die einarmigen Hebungen hinein fürsorglich starkem Partnern und von Charme und Detailfreude bestimmter Charakterzeichnung. Vielleicht sorgten auch die diesmal vor allem im ersten Akt auftretenden Tempo-Irritationen seitens des MD Mikhail Agrest für irritierende Situationen, was umso mehr zu bedauern ist, als das Staatsorchester Stuttgart unter seiner Leitung wieder einen melodisch ausgekosteten und rhythmisch zündenden Teppich legte.
Agnes Su (Mercedes), David Moore (Torero) mit hinten Carlos Strasser (Sancho Pansa) und Adrian Oldenburger (Don Quijote). Copyright: Stuttgarter Ballett
Neu dabei auch Agnes Su als gleichzeitig feurig und doch fein agierende Mercedes, wozu in den Spitzen der Königin der Dryaden im zweiten Akt noch eine besonders elegante Note dazu kam. David Moore interpretierte den Torero wieder als eher ernsten, dabei aber stolzen Stierkämpfer mit akkurat akzentuierter choreographischer Umsetzung.
Adrian Oldenburger startete nach mehrmonatiger Pause mit der tänzerisch sehr begrenzt angelegten Titelrolle und vermittelte die in Guerras Version als Doppelrolle von Schöpfer Cervantes und Romanfigur Don Quijote angelegte Partie mit Inspiration, Würde, Leid und Glückseligkeit in einigen fein sichtbar werdenden Nuancen in Haltung und Mimik. An seiner Seite stürzte sich der vielseitig begabte Eleve Carlos Strasser mit Hingabe und spielerisch-humoriger Verausgabung in den treuen, aber auch ungeschickten Gefährten Sancho Pansa.
Alicia Torronteras bezaubert als Muse Dulcinea mit dem schwebend leichten Duktus einer Lichtgestalt. Einige auffallend starke Beiträge sind in den Nebenrollen zu verzeichnen: Fernanda Lopes und Yana Peneva, die in ihren Soli als Kitris Freundinnen auf größere klassische Einsätze neugierig machten, in ähnlicher Weise Irene Yang als strahlender Cupido sowie auf männlicher Seite Riccardo Ferlito als sprungvehement wilder Zigeunerprinz – ein Versprechen für die Zukunft! Bleiben noch Christopher Kunzelmann als aristokratisch feiner Don Camacho mit dosiert eingesetzter Vis comica und Angelika Bulfinsky als wie immer engagiert mitmischende Mutter Kitris.
Adrian Oldenburger (Cervantes) mit Alicia Torronteras (Muse Dulcinea). Copyright: Stuttgarter Ballett
An der Gesamtstimmung der Aufführung hatten auch die wieder kongruent und dynamisch absolvierten Einsätze des Corps de ballet einen beträchtlichen Anteil.
Viel Zwischenapplaus und Euphorie nach dem Grand Pas de deux, zuletzt für alle Beteiligten.
Udo Klebes