STUTTGART / Ballett: „BEGEGNUNGEN“ am 10.02.2018 – Von vergangenen Zeiten…
Was für ein Glück für das Stuttgarter Ballettpublikum, dass Intendant Reid Anderson in dieser besonderen Spielzeit (seiner letzten als Intendant sowie die zu John Crankos 90. Geburtstag) für den Ballettabend „Begegnungen“ zwei tiefgründige wie bezaubernde Stücke ausgewählt hat, die dazu auch noch moderne Tanzgeschichte geschrieben haben.
„Dances at a Gathering“ von Jerome Robbins wurde schon vieles zugeschrieben bzw.darin hineininterpretiert. Die verwendeten Klavierstücke Frédéric Chopins berühren und erzählen auch alleine schon eine Geschichte für sich. Belässt man es aber bei Robbins‘ eigenen Worten, stellt das Stück eine „Hymne an den Tanz“ dar und erzählt von Geschichten Einzelner sowie von Freundschaften, von verlorener Idylle und Heimat,von Entwicklung und Aufbruch aber auch vom Wiederfinden, durch Erinnerung an vergangene Schritte. „Es ist ein Ort, an dem ihr einst getanzt habt und an den ihr Jahre später zurückkommt“ – so Robbins zu einer Tänzerin der Uraufführung.
Jason Reilly eröffnet die Geschichte vom Tanz der Begegnungen mit einem Solo, in dem er erstaunlich jugendlich wirkt. Spritzig und dynamisch sind seine Sprünge und Pirouetten dabei, dennoch vermittelt er auch schon mit den ersten Gesten die Nostalgie und Melancholie, die über Teilen des Stückes schwingen. Auch wenn es keine fixen Paare gibt und das Stück auch aus mehreren Pas de deux besteht, kann man vielleicht Anna Osadcenko und David Moore als Hauptpaar dabei sehen, haben die beiden ja auch zwei größere Pas de deux. Fällt im ersten eher Moore mit Pirouetten und Arabesquen genau auf die Musik auf, scheint das Paar im zweiten Pax de deux wesentlich gereifter zu sein und vor allem Osadcenko zeigt sich in ihrer ersten Rolle nach der Babypause von der sehr gefühlvollen und ausdrucksstarken Seite, stellt diese Choreographie bei ihrem Können auch nach längerer Pause sicher keine Herausforderung dar.
Erinnerung an den Anfängen ihres Flirts, der sich immer noch fortsetzt – die Geschichte scheinen Elisa Badenes und Martí Fernandéz Paixà auf bezaubernde Weise zu erzählen, während Angelina Zuccarini und Matteo Miccini ähnliches auf spielerische Weise tun. Miccini versucht dabei sogar mit einer akrobatischen Radwende zu beeindrucken, was sich zu lohnen scheint, denn am Ende ihres Pax de deux springt ihm Zuccarini in die Arme von der Bühne. Noan Alves strahlt Freude und Verbundenheit aus, während Veronica Verterich auch in der kleineren Rolle – von „Mauve“ nun zu „Blau“ gewechselt – elfenhaft schön wirkt. Miriam Kacerova zeigt sich in „Grün“ als selbstsichere und verführerische Grand Dame und macht damit auch deutlich, dass im zweiten Teil des Stückes immer reifere Begegnungen stattfinden, bis am Ende fünf wunderbar harmonische Paare auf der Bühne spazieren und so das Publikum von zukünftigen Begegnungen träumen lassen.Stimmig und gefühlvoll begleitete Andrej Jussow das erste Stück am Klavier.
Nicht weniger intensiv dennoch ganz anders ist das zweite Stück des Abends,„Initialen R. B. M. E.“ von John Cranko, auf das 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms. Cranko hat zwar sein persönlichstes Stück für seine Ersten Solisten, dessen Initialen er auch im Namen des Stückes verewigt hat, kreiert, doch ist dieses keineswegs nur eines für Solisten.
Auch wenn „R.“ für Martí Fernandéz Paixà bei seinem Rollendebüt noch eine Herausforderung darstellt, verlangt diese Rolle doch absolute technische Souveränität von ihren Interpreten, gelingt es Paixà diese zu meistern und ihr in den kleineren, einfacheren Kombinationen, mit Schrittfolgen und Gesten voller Charme, auch seine persönliche Note zu geben. Voller Eleganz und Stolz erinnert Miriam Kacerova in „B.“ tatsächlich an Birgit Keil, während Hyo-Jung Kang sehr berührend „M.“ darstellt und vor allem durch den Abgang von der Bühne in kleinen Schritten rückwärts auf den Spitzenschuhen, mit Armen wie kleine flatternde Flügel, an die unvergessliche Marcia Haydée denken lässt. Auch Adhonay Soares da Silva überzeugt als „E.“ in eigener Manier, als kleiner Wirbelwind.
Im Gegensatz zum ersten Stück steht an dem Abend hier das Ensemble im Vordergrund, das sich im Vergleich zu den ersten Vorstellungen sichtlich gesteigert hat, somit diese Ode an die Freundschaft und an vergangene Zeiten noch gefühlvoller darstellt und dadurch den Geist von Crankos einstiger Compagnie aufrecht hält.
Stimmiges Ensemble in „Initialen R. B. M. E.“ – das Stuttgarter Ballett. Foto: Stuttgarter Ballett
Am Klavier begleitete Alexander Reitenbach durch das zweite Stück, während Wolfgang Heinz das Staatsorchester Stuttgart durch den Abend führte. Applaus für eine gut gelungene Vorstellung.
Dana Marta