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STUTTGART/ Ballett: „ATEM – BERAUBEND “ – Licht und Schatten des Daseins      

15.10.2019 | Ballett/Tanz

STUTTGART : „ATEM – BERAUBEND “ 13.10. 2019 – Licht und Schatten des Daseins      

 Nach dem dramatischen Spielzeitbeginn mit der Wiederaufnahme von „Mayerling“, steht der Ballettabend „ATEM-BERAUBEND“ auf dem Plan des Stuttgarter Balletts, bevor die Compagnie Ende Oktober auf Tour nach Asien und Deutschland geht. Der Abend vereint drei zeitgenössische Choreographen mit sehr unterschiedlichen Stilen, die jedoch alle das gewisse „Etwas“ vereint, das ihre Stücke ausdrucksstark, fesselnd und atemlos werden lässt.

Die Vorstellung beginnt im wahrsten Sinne des Wortes mit Paukenschlägen, die die Musik von Percossa von Anfang bis Ende dominieren. Ein Wirbel von atemberaubend schnellen Drehungen, Sprüngen und Würfen folgen, auf einer Bühne in der das Licht Schachbretter zeichnet und in Form von Kegeln herunterstrahlt, durch die die Tänzer hinein und wieder hinausgehen. Inspiration für „HIKARIZATTO“ war für Itzik Galili sein erster Besuch in Tokio, Stadt die ihn als überfüllter, erleuchteter Ort beeindruckte. Ein Fest der Akrobatik für die Tänzer, allen voran Diana Ionescu mit sehr genauen, dennoch fließenden Bewegungen, gefolgt von Ciro Ernesto Mansilla, kantig und kraftvoll, mit jedoch leichten Bruch im Rhythmus an manchen Stellen. Rocio Aleman scheint nach längerer, verletzungsbedingter Abwesenheit von der Bühne, wieder an ihre alte Form anschließen zu können, sowohl im Pas de deux mit Clemens Fröhlich als auch in ihren Soli.


Im Licht hinein und hinaus: Ensemble in „Hikarizatto“ von Itzik Galili.     Foto: Stuttgarter Ballett

Ein Jahr vor Hikarizatto schuf Galili das Duett „Mono Lisa“ in Stuttgart, ein Stück das von Anfang bis Ende fesselt und an dem das Publikum hier Galili vermutlich immer messen wird. Mit dem neuen Stück wollte der Choreograph ein markantes Konzept und etwas Neues für den Tanz finden, allerdings bleiben, trotz guter Leistung aller Tänzer, eher die Paukenrhythmen, Licht und Schatten im Gedächtnis, als die akrobatische Choreographie, die sich etwas in die Länge zieht.

 

Zu „OUT OF BREATH“ wurde der schwedische Choreograph Johan Inger durch die dramatische Geburt seines ersten Kindes inspiriert. Den Bezug hat man gleich anfangs: Jessica Fyfe streichelt über ihren schwangeren Bauch und so beginnt ihr Kampf mit den Herausforderungen der Geburt. Roman Novitzky fängt sie auf, Alessandro Giaquinto hingegen symbolisiert am Boden liegend die Ohnmacht, während Angelina Zuccarini und Daiana Ruiz für weitere Stadien der Geburt stehen. Den Höhepunkt des Stückes tanzt Ruiz im musiklosen Pas de deux mit Christopher Kunzelmann (beeindruckende Bühnenpräsenz). Alle Tänzer laufen oder gehen allesamt in und um eine Mauerformation in der Mitte der Bühne, die als Beginn einer Spirale oder als die fragile Grenze zwischen Leben und Tod gesehen werden kann, deren man sich im Alltag nicht bewusst ist, bis es zu Extremsituationen kommt. Auch hier beeindruckt die Musik gleichermaßen wie die Choreographie, Streicherquartett Nr. 3 von Jacob Ter Veldhuis sowie String Variationen von Félix Lajkó.   


Laufen um Leben und Tod: „Out of Breath“ von Johan Inger.       Foto: Stuttgarter Ballett

Den Höhepunkt des Abends stellte zweifellos „KAASH“ von Akram Khan dar. Als einer der gefragtesten sowie auch wählerischsten Choreographen unserer Zeit war Khan bereit sein Stück, das 2002 für seine eigene Compagnie entstand, mit dem Stuttgarter Ballett aufzuführen, u. a. auch weil hier für ihn die Energie stimmt. Ehre und Gewinn gleichermaßen für die Compagnie, die ihr Spektrum um den Stil des Briten mit bangladeschischen Wurzeln erweitern konnte. Khan vermag ebenso revolutionär wie spielerisch den traditionellen indischen Kathak mit dem zeitgenössischen, modernen Tanz zu verbinden.

„Kaash“, das auf Hindi „hätte“, oder „wenn nur“ bedeutet entstand in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Nitin Sawhney, dessen Schlagzeug Klänge und Stimmeinsätze das Stück beflügeln und vorantreiben. Auf abwechselnd roten und weißen Hintergrund ist die Konstante ein schwarzes Rechteck (symbolisch für das verschlingende schwarze Loch) vor dem sich eine Choreographie für 14 Tänzer entfesselt: extrem dynamisch und kraftvoll, mit Soli voller Geschmeidigkeit und gefühlvollen Gesten (u. a. für David Moore in der nun etwas verkürzten Hauptrolle und für den beeindruckend stilsicheren Flemming Puthenpurayil) sowie Gruppenformationen die synchron oder mit Einsätzen im Kanon die Wirkung des Stückes verstärken. Stimmig dazu auch die Kostüme, die Herren in langen schwarzen Röcken und nackten Oberkörpern, die Damen noch dazu mit schwarzen Hosen und ärmellosen Tops. Ein Gesamtkunstwerk, bei dem man am Ende kaum zu glauben vermag, das es schon vorbei ist.

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Anmut und Kraft: David Moore in „Kaash“ von Akram Khan        Foto: Stuttgarter Ballett

Viel Applaus gab es auch für das Staatsorchester Stuttgart und seine Solisten, die unter der Leitung von Wolfgang Heinz auch maßgeblich am Erfolg des Abends beteiligt waren.

Dieser gebührt jedoch vor allem der Compagnie, die einmal mehr ihre Vielfalt unter Beweis stellen und sich von der coolsten Seite zeigen konnte.

Dana Marta

 

 

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