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STUTTGART/ Ateliertheater: DIE WUNDERÜBUNG von Daniel Glattauer

08.12.2024 | Theater

Premiere „Die Wunderübung“ von Daniel Glattauer am 8.12.2024 im Theater Atelier/STUTTGART

Da dreht sich der Spieß um 

Als humorvolle Reise durch ein Beziehungschaos inszeniert Vladislav Grakovskiy hier „Die Wunderübung“ mit Kostüm und Maske von Lara Grakovskaja und der Regieassistenz von Julia Sviridova.

Das Ehepaar Joana und Valentin Dorek durchlebt nicht seine beste Phase, es befindet sich in einer Krise. Sophie Schneider als Joana Dorek und  Guido Kunkel als Valentin Dorek gelingt es mit viel Spielwitz, die komplexe Situation rasch auf den Punkt zu bringen. Es ist ein Ehepaar am Rande der Verzweiflung, das Hilfe bei einem Paartherapeuten sucht, der von Jerome Jähnig als eher nervöser Neurotiker verkörpert wird. Bissiger Witz und unerwartete Wendungen treiben die vertrackte Situation rasch auf die Spitze. Die spritzigen Dialoge heizen die Stimmung noch zusätzlich an. Beide Eheleute sind Vertreter der bürgerlichen Mittelschicht, sie ist Historikerin, er technischer Leiter in der Flugzeugindustrie. Sie haben sich vor 17 Jahren bei einem Tauchurlaub kennengelernt. Ständige gegenseitige Vorwürfe, nicht verarbeitete Kränkungen und ungelöste Konfliktthemen eskalieren hier auf eine ungewöhnlich witzig-atemlose Weise, wobei die wortgewaltigen Schauspieler immer neue Trümpfe aus dem Ärmel ziehen. Ein überforderter Paartherapeut wird zu einem Erstgespräch aufgesucht. Der Therapeut lässt das Paar bei einer weiteren Übung die positiven Eigenschaften des jeweils anderen Partners in einem Rollentausch durchführen: „Sie ist sehr klug“. Herr Dorek ist da plötzlich Frau Dorek und umgekehrt. Da dreht sich dann der Spieß total um!

Das gelingt in dieser Inszenierung überzeugend und temperamentvoll. Schließlich verteidigt sich Joana auch als Mutter: „Ein Kind ist keine Arbeit!“ Eine Handpuppe verstärkt diesen Eindruck noch. Bei der sogenannten „Faustübung“ soll Valentin das Öffnen der Faust von Joana erreichen – symbolisch für ihr „in Wut, Zorn und Trauer verschlossenes“ Herz.  Dies gelingt ihm erst gegen Ende mit einer herzförmigen Übung. 20 Minuten vor Ablauf der Sitzung erklärt der entnervte Therapeut schließlich, dass er den beiden nicht helfen kann. Für Joana kommt das überhaupt nicht in Frage. Zuvor hat sie ihrem aufgebrachten Mann noch die Beziehung zu einer gewissen „Brigitte“ als „unappetitliche Sexaffäre“ vorgeworfen, während er ihr die Liaison mit „Guido“ vorhält: „Wer dich bekommt, bekommt alles mit!“  Die Doreks versuchen den Therapeuten jetzt zu überzeugen, dass er seine Arbeit gut mache und er nicht einfach alles hinschmeißen solle. Zudem hat der Therapeut erfahren, dass seine Frau Annika ihn verlassen möchte – er ist am Boden zerstört. Dies alles glückt in dieser Inszenierung mit atemloser Situationskomik, deren elektrisierende Spannung nicht nachlässt. Valentin ist schließlich der Meinung, dass sich der Therapeut ein Beispiel am Ehepaar Dorek nehmen solle, das allmählich wieder zusammenfindet. Gleichzeitig findet der Psychologe, dass die Doreks eine „Kampfbeziehung“ führen. Frau Dorek erfriere und erleide mit ihrem Mann einen „Beziehungstod“. Das Ehepaar Dorek verbündet sich nun gegen den Therapeuten, der ihnen das Scheitern ihrer Faustübung vorwirft: „Mein Mann ist Rationalist, er hat Stil und Geschmack!“ Bei einer weiteren Übung sollen die Arme der Doreks in Bewegung bleiben und sich die Zeigefinger der beiden ständig berühren. Nach einem zweiten Versuch ist dies erfolgreich. Nach zärtlichen Berührungen öffnet Joana schließlich ihre Faust – die Doreks verlassen die Sitzung in heiterem Zustand. Nach der Sitzung ruft der Therapeut seine Frau Annika an – und man stellt fest, dass die Ehekrise nur gespielt war. Schließlich regt er sich noch darüber auf, dass seine Ehefrau den Hund mit Spaghetti Bolognese gefüttert hat, wodurch dieser Durchfall bekam.  Mit einem in Wut geratenen Therapeuten endet hier diese vergnügliche Komödie, die beim Publikum bestens ankam.

Alexander Walther

 

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