Stuttgart: ARIADNE AUF NAXOS 16.1.2015
Lenneke Ruiten, Christiane Libor. Foto: A.T.Schaefer
Die Stuttgarter ‚Ariadne‘ (Prem.2013) wartete mit einer kleinen Sensation auf. Mit Zustimmung der R. Strauss-Erben wurde bei Ariadne zuerst die Oper und dann das Vorspiel (als Endspiel) gegeben. Dazu ist interessant zu wissen, dass die ‚Oper‘ von Hofmannsthal/Strauss zuerst zusammen mit dem Lustspiel ‚Der Bürger als Edelmann‘ von Moliere 1912 im neuerbauten (und 1945 kriegszerstörten) Kleinen Haus in Stuttgart uraufgeführt wurde. Da diese Aufführung aber nur einen Achtungserfolg zeitigte und um die Oper doch noch ins Repertoire zu retten, koppelten die Autoren den Moliere-Edelmann wieder ab und schufen selber noch ein Vorspiel, das die Leerstelle ausfüllen sollte, und mit diesem hat sich ‚Ariadne‘ im Repertoire gehalten. Dazu muss man aber wissen, daß Strauss mit Hofmannsthals Libretto zu Ariadne gar nicht zufrieden war. Diesem ging es um eine avantgardistisch symbolistische Darstellung einer Frauengestalt und um eine zeitgenössischen Schizophrenie-Fall aufzuarbeiten, spaltete er sie gleich in zwei Frauen: Ariadne und Zerbinetta, bei denen 2 völlig verschiedene Lebenssituationen und-entwürfe aufeinanderprallen. Somit ist ‚Ariadne auf Naxos‘, Hofmannsthals-Strauss‘ Operneinakter, eigentlich ein komplettes, in sich stimmiges Stück und bedarf eigentlich keiner weiteren dramaturgischen Ausdeutung, die Strauss aber wünschte, da er Hofmannsthals Symbolismus nicht goutieren konnte. So schrieb Hofmannsthal widerwillig das Vorspiel, das insofern eigentlich gar nichts mit seiner ‚Ariadne‘ zu tun hat und eher als ‚Erklärung‘ hinterhergeschoben werden könnte.
Dieser Argumentation folgte das Regieteam Jossi Wieler/Sergio Morabito in Stuttgart, und sie ließen beide Teile auch pausenlos ineinander übergehen. Anna Viebrock baute ihnen für die ‚Oper‘ anhand von Originalbildern das Interieur/Foyer des Kleinen Hauses der Uraufführung nach, das mit bronzefarbenen Tapeten sehr gediegen wirkte. Da liegt Ariadne ganz in schwarz schon wie im Totenreich auf einem tiefen Sessel. Zerbinetta im weißen Rüschenkleid umwirbelt sie immer wieder, und auch ihre lustige Komödiantentruppe tritt in originellen Clownkostümen auf, die von A.Viebrock stammen. Auch die Auftritte der Nymphen als Dämchen werden von den schräg-witzigen Aktionen begleitet, die Ariadne aufheitern sollen. Bacchus in einer knappen bunten Tunika mit gestyltem Umhang begibt sich in eine köstliche Interaktion mit Ariadne, in der sie sich auf die hohen Fensterbrüstungen legen.
Das Vorspiel (Nachspiel), bei dem auf leerer Bühne Stühle in lange Sitzreihen gestellt werden, soll eine Aktion arbeitsloser SängerInnen simulieren, bei dem an einem Rednerpult der Haushofmeister, hier ein Politiker, die unabdingbaren Sparmaßnahmen erläutert. Das wirkt z.T. auch ganz auf den Punkt. Ein nervlich aufgelöster Komponist verguckt sich dabei in die Sängerin der Zerbinetta, fällt am Schluss auf sie, sie entzieht sich ihm aber. Am hinteren Prospekt fahren auf einem Video auf der B 10 immer Autos vorbei.
Die musikalische Umsetzung gibt trotz der Verschiebung der Teile überhaupt keine Probleme auf, und es wird vom Staatsorchester immer schöner und sinnfälliger Strauss gespielt. Dirigent Georg Fritsch entwickelt dabei großes musikalisches Engagement. Interessant ist auch, wie die Motive der Oper danach im Vorspiel aufgefächert und teils umgearbeitet wieder zu hören sind. Scaramuccio, Truffaldino und Brighella werden von Heinz Göhrig, Roland Bracht und Torsten Hofmann agil gezeichnet und souverän gesungen. Ronan Collett zeigt mit annehmbarem Bariton, dass er als Harlekin bei Zerbinetta noch die erste Geige spielt. Diese wird von Lenneke Ruiten technisch sehr gut gesanglich gemeistert, könnte ihr Timbre aber noch mit Wohlklang bereichern. Die Stimmen der Nymphen Stine Marie Fischer, Lauryna Bendziunaite und Josefin Feiler ergänzen sich vortrefflich, wobei der Alt von Stine M. Fischer als Dryade besonders profiliert erscheint. Der Bacchus des Erin Caves ist ein wohllautend kraftvoller Tenor, der mit der hohen Tessitura der Rolle keine Probleme hat, sondern sie immer mit Schwung anvisiert. Die Ariadne der Christiane Libor kann völlig in Ihrer Rolle aufgehen und spielen, denn sie hat sie stimmlich so exzellent verinnerlicht, dass sie am Ende sogar einen Fenstersturz a’là Tosca andeuten kann. Ihr farbenreich abgerundetes Timbre kommt besonders zum Tragen, wenn Hoffnung durch den Neuankömmling Bacchus aufglimmt.
Im Endspiel kommen noch zusätzlich die ‚arbeitslosen‘ Sänger Michael Ebbecke als weißhaariger Musiklehrer baritonal und Eric Ander und Thomas Elwin/Baß, Dominic Grosse/Bariton und Daniel Kluge/Tenor zum Einsatz Den nicht arbeitslosen Politiker/Haushofmeister spricht Andre Jung.
Friedeon Rosén