Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Stimme heißt „Klang“ in China Rezension zur CD „Pilgerreise“ der Mezzosopranistin Baoyi Bi und der Pianistin Kaori Kitamura

15.05.2020 | cd

Stimme heißt „Klang“ in China

Rezension zur CD „Pilgerreise“ der Mezzosopranistin Baoyi Bi und der Pianistin Kaori Kitamura

Pilgerreise Deutsche Lieder von Bi Baoyi & Kaori Kitamura bei ...

Das Kunstlied führt unter den Vokalgattungen der klassischen Musik ein Mauerblümchen-Dasein. Oper und Konzert bringen Ruhm und Ehre, aber ein Liederabend? Und doch sind es viele der ganz großen Sängerinnen und Sänger, die sich mit Leidenschaft dem Liedgesang widmen.

Im deutschen Sprachraum wurde und wird dem Kunstlied immer wieder das Ende vorausgesagt und dies schon seit 140 Jahren. Doch das Kunstlied findet immer wieder neue Freunde und so lebt es weiter. Besonders in China und Japan hat Liedgesang in den jeweils eigenen Sprachen eine lange Tradition und ist auch in den heutigen Kulturen nicht wegzudenken. Da erstaunt es kaum, dass auch das Kunstlied aus deutschen Landen längst viele Fans in China und Japan gefunden hat.

BI Baoyi - Faculty Profiles - SUSTech
Baoyi Bi. Foto: Ayumi Kishimoto

Baoyi Bi, Mezzosopranistin und Kaori Kitamura, Klavier sind zwei Künstlerinnen, die versiert zwischen diesen kulturell so verschiedenen Welten wandern. Baoyi Bis Weg als Mezzosopranistin begann auf einem Konservatorium in Moskau und führte sie an die Hochschule für Musik FRANZ LISZT in Weimar, wo sie irgendwann die Pianistin Kaori Kitamura kennenlernte. Daraus ist eine lebenslange Künstlerfreundschaft geworden, die jetzt eine exzellente Lieder-CD mit dem Titel „Pilgerreise“ hervorgebracht hat. Auf dieser CD finden sich Lieder von Wolfgang Amadeus Mozart, Johannes Brahms und Gustav Mahler. Beiden Künstlerinnen ist in jeder Hinsicht eine wunderbar lyrische Zusammenstellung und Präsentation gelungen.

Die dynamischen Mittel, die der Mezzosopranistin Baoyi Bi zur Verfügung stehen, scheinen nahezu unbegrenzt zu sein, und sie nutzt ihr Potential extrem aus. Es gibt wahrscheinlich wenig andere Sängerinnen, die so viel Freude daran haben, unendlich zart zu singen wie Baoyi Bi auf ihrer neuen CD. Doch auch an Volumen und schönem Timbre fehlt es ihr nicht. Volkstümlich und klassisch zugleich ist die Darbietung der Mozart-Lieder. Da ist auch viel von der Frische des alpenländischen Frühlings. Mit jedem Wort und Ton erschafft sie für den Hörer diese bunte Welt.

Die Titel lauten: Das Veilchen, Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte, An Chloe, Abendempfindung an Laura, Sehnsucht nach dem Frühling, Die Zufriedenheit und Der Zauberer. Über diesen ersten CD-Abschnitt lässt sich mit den Worten der Anfangsstrophe des Liedes „Die Zufriedenheit“ KV 473 (Wien, 7.Mai 1785) mit dem Text von Christian Felix Weiße sagen:

 

„Wie sanft, wie ruhig fühl‘ ich hier

Des Lebens Freuden ohne Sorgen,

Und sonder Ahnung leuchtet mir

Willkommen jeder Morgen.“


Kaori Kitamura. Foto: Ayumi Kishimoto

Für die Klavierbegleiterin Kaori Kitamura ist die menschliche Stimme neben ihrem Klavier das schönste Instrument und das Lied die feinste und intimste Form der Musik. Das bildet einen Mikrokosmos, den es im Zusammenwirken von Sängerin und Pianistin auszuloten gilt. Und Kaori Kitamura erfühlt und lotet zugleich alle Nuancen aus. Das hat sie vor allem bei Walter Olbertz gelernt.

Als Begleiter von Peter Schreier, mit dem er bei vielen Aufnahmen zusammengearbeitet hat, kennen ihn Insider. Walter Olbertz hat nicht nur Peter Schreier begleitet. Er war auch als Professor an der Berliner Hochschule für Musik Hanns Eisler ein gefragter Begleiter für viele Sängerinnen wie Arleen Augér, Annelies Burmeister, Gisela May oder Anneliese Rothenberger. Kaori Kitamura hat von Olbertz diese präzise und einfühlsame Liedbegleitung gelernt. Durch ihre Fähigkeiten werden Gesang und Instrument eine vollkommene Symbiose.

Das zeigt sich auch im zweiten Teil der CD „Pilgerreise“ bei den Liedern von Johannes Brahms. Die Liedkompositionen von Johannes Brahms sind umfangreich und weitgefächert. Mit über 200 Liedern für Solostimme und Klavierbegleitung gehörte Brahms im Umfeld der Komponisten seiner Generation wohl zu dem am stärksten zur Lyrik tendierenden Meister. Meisterhaft sind auch die Interpretationen der Mezzosopranistin Baoyi Bi mit den Liedern: Zigeunerlieder Op.103, He, Zigeuner,Hochgetürmte Rimaflut, Wisst ihr, Lieber Gott, du weißt, wie oft bereut ich hab uva.

 Baoyi Bi versteht es gesanglich alle Nuancen zwischen Melancholie und Humor auszuloten und die Widersprüchlichkeiten unseres Lebens hörbar zu machen. Genuss und Wehmut schwingen bei ihr vernehmbar mit. Die Widersprüche zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit sowie Vergänglichkeit und Ewigkeit werden in ihrem stimmlichen Mikrokosmos vereint. Die luzide Klavierbegleitung von Kaori Kitamura formt dieses Klangerlebnis zur Perfektion.

Der dritte Teil der CD „Pilgerreise“ widmet sich den Liedern von Gustav Mahler. Zu hören sind die Lieder: Des Knaben Wunderhorn, Verlorne Müh’, Ablösung im Sommer, Lob des hohen Verstandes, Das irdische Leben, Scheiden und Meiden, Urlicht.

 Hier beweist die Mezzosopranistin Baoyi Bi, dass sie sich auch auf „Herzschmerz“ versteht. In schönen Bögen sinniert Baoyi Bi musikalisch über Hoffen und Bangen und die Gründe für ein seelisches Wechselbad bittersüßer Gefühle. Damit trifft sie ganz die weltschmerzliche Intention Mahlers. Sie wird unterstützt vom Talent Kaori Kitamuras, deren Klavierpart sich ebenfalls zu einer sprechenden Erzählung gestaltet und die dabei feinfühlig die Sängerpersönlichkeit Baoyi Bis verstärkt.

Damit rundet sich ein wohldurchdachtes Programm ab. Der Hörer spürt, dass in beiden Künstlerpersönlichkeiten ein Feuer brennt, das neben handwerklichem Können auch eine unglaubliche Interpretationsfreude hören lässt, bei der ein magischer Funke überspringt.

Die CD „Pilgerreise“ der Mezzosopranistin Baoyi Bi und der Pianistin Kaori Kitamura wurde vom japanischen Label EXTON veröffentlicht. Einzelne Lieder gibt es auch bei Amazon.

Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

 

Diese Seite drucken