Stefan Körner:
NIKOLAUS II ESTERHAZY UND DIE KUNST
Biographie eines manischen Sammlers
400 Seiten, Großformat, durchgehend bebildert,
Verlag Böhlau 2013
Wenn man diesen voluminösen Band in die Hand nimmt, scheint es wie ein Wunder, dass dergleichen in Zeiten wie diesen erscheinen kann. Jeder Schreiber einer Dissertation träumt wohl davon, dass sein Werk einmal gedruckt wird, manchem gelingt es, aber kaum jemand konnte wohl aus seiner wissenschaftlichen Arbeit einen so reich bebilderten Prachtband machen, der rein von der optischen Seite her ein Fest ist, darüber hinaus Material bietet, das wohl noch kein normaler Leser je gesehen hat – und der diese Objekte dann perfekt zum Text zuordnet.
Als Stefan Körner begann, in zwei wie man ihm gerne glaubt „arbeitsreichen“ Jahren die Biographie von Fürst Nikolaus II. Esterhazy als Dissertation für die Universitäten in Wien und Berlin zu recherchieren und schreiben, hatte er allerdings einen ungeheuren Vorteil: Er war „von Beruf“ Kustos und Kurator der Sammlungen der Fürsten Esterhazy, konnte alle Bestände heranziehen, sich von der Tagesarbeit befreit der Biographie widmen – und als diese vorlag, sind neben den offiziellen Stellen (bei denen ja nie allzu viel zusammen zu kratzen ist) sowohl die Esterhazy Privatstiftung wie die Sammlung des Regierenden Fürsten von und zu Liechtenstein als Sponsoren aufgetreten, um dieses außerordentliche Buch zu ermöglichen. Warum Liechtenstein? Weil sie zu dieser Geschichte integral dazu gehören – sowohl Fürst Nikolaus wie auch seine Tochter Leopoldine waren mit Mitgliedern der Familie Liechtenstein verheiratet…
Warum hat Stefan Körner für diese Biographie zur Person von Nikolaus II. (1765-1833) gleich dezidiert das Postulat „und die Kunst“ in den Titel gesetzt? Weil das der einzige Punkt im Leben des Fürsten ist, der nicht auch negativ besetzt ist – was der manische Sammler schuf, ist außerordentlich. Er selbst bleibt als Person, wie gleich zu Beginn des Buches festgestellt wird, äußerst zwiespältig – es gibt positive, es gibt auch ausgesprochen negative Urteile von Zeitgenossen. Tatsache ist auch – mochte Nikolaus II. auch gelegentlich „il Magnifico“ genannt werden (wie einst Lorenzo de‘ Medici), den politischen und wohl auch persönlichen Rang seines Großvaters, des Fürsten Nikolaus I. (1714-1790), genannt „der Prachtliebende“, erreichte er nicht. Nach dessen Tod folgte Anton, der Sohn von Nikolaus I., allerdings nur bis zu seinem baldigen Tod 1794, und dann schlug die Stunde von Fürst Nikolaus II. Dessen Leben man in diesem Buch genau nach verfolgen kann – mitsamt der künstlerischen Prachtentfaltung auf allen Gebieten, die ihn sozusagen lebenslang umgab.
Geboren wurde er im „Feenreich“ des Großvaters – jener Esterhazy, dessen Hofkapelle Haydn vorstand, zu dem Maria Theresia kam, wenn sie eine gute Oper hören wollte, jener Fürst, der 1764 bei den Krönungsfeierlichkeiten für Joseph II. in Frankfurt so „auf den Putz haute“, um es heutig auszudrücken, dass er nicht zu übersehen war – in bewusstem Wettkampf mit den ebenso reichen, ebenso pracht- und standesbewussten Liechtensteins, in deren Familie der Enkel dann hineinheiratete (wofür es allerdings einer Adelsanhebung durch den Kaiser bedurfte, damit man endlich gleichwertig war!!!).
Ein Enkel dieses Mannes wurde zum Fürsten, wurde zur repräsentativen Prachtentfaltung, durchaus aber auch zur Liebe zur Kunst erzogen. Nikolaus II war der Mann, der vom 18. ins 19. Jahrhundert ging, der den Epochenumbruch erlebte – als er 1794 Chef des Hauses wurde, hatte es in Frankreich eine blutige Revolution gegeben, hieß der Kaiser in Österreich schon Franz (noch „der Zweite“), und über kurz oder lang schufen die Kriege mit Napoleon ein neues Europa, auch im Bewusstsein der Menschen. Nikolaus wollte sich das feudale Leben nicht nehmen lassen – und man kann sich vorstellen, wie in welchem Ausmaß es stattfand, wenn ein Mann von seinem schier unermesslichen Reichtum immer wieder in das geriet, was man heute „die Schuldenfalle“ nennt.
Dabei hat er sich durchaus nicht nur um Kunst gekümmert (den Aufbau einer sensationellen Gemäldesammlung widmete er viel Zeit und Geld), sondern auch um die finanziellen Ergebnisse der Esterhazy-Güter. Allerdings griff er in seinen politischen Aktionen auch manchmal daneben – den Kaiser hat er durchaus verärgert, als er mit den Ideen rebellischer Ungarn zumindest sympathisierte, ihn auf den ungarischen Thron zu heben…
Nikolaus II., der seine Gattin Hermengilde von Liechtenstein, mit der er drei Kinder hatte, so öffentlich und peinlich betrog, dass der Kaiserhof ihn angesichts der Scharen von Damen, die da schamlos paradierten, zur Ordnung rufen musste (vorübergehend zumindest), brachte es immerhin zum Reichsfürsten (als der Kaiser ihm die Herrschaft Edelstetten in Bayern verlieh), was dem Machtanspruch von Nikolaus II. zurecht kam, aber der Glanz währte nur kurz, das Heilige Römische Reich endete. Und nach dem Wiener Kongress begann auch für den Hochadel eine andere Zeit, die Nikolaus wohl ebenso wenig wahrhaben wollte wie seine hochadeligen Standesgenossen.
Politisch hatte er nichts zu vermelden, als Kunstsammler, als Gestalter von Palästen, Gärten, Galerien war er rastlos, obwohl er immer wieder an den Rand des Bankrotts geriet. Auf der Insel Mainau im Bodensee, die er erworben hatte, lebte er am Ende fern von seinen ungarischen Besitztümern und starb 1833 auf der „Durchreise“ 68jährig in Como – in desolaten finanziellen Verhältnissen.
Was von ihm geblieben ist, zeigt das Buch in Bildern – unmöglich, einzeln aufzuzählen, was sein Sammlertrieb schuf und zusammen trug: grandiose Schlösser, Gärten, Prunkräume, Gemälde (davon vieles in Auftrag gegeben bei den Meistern der Zeit, anderes gesammelt), kostbare Möbel, erlesenstes Porzellan, sagenhafter Schmuck, kostbare Waffen, seltene Bücher, Musik und Feste… „Kunst als Medium des Machtwillens, Kunst als Refugium der Hoffnung, Kunst als Ausdruck der Freiheit“, wie der Autor es formuliert. Nikolaus II. Esterhazy hat diese Welt der Kunst ausgeschritten. Nach seinem Tod wurde sein Werk in alle Winde zerstreut – das Buch versucht, es wieder zusammen zu bringen.
Renate Wagner