Michael Nagel, Elliott Carkton Hines, Ida Ränzlov, Moritz Kallenberg. Cpoyright: Christoph Kalscheuer
„Der Schauspieldirektor“ im JOIN (Junge Oper der Staatstheater Stuttgart) im Nord
KUNST UND CHAOS
„Der Schauspieldirektor“ im JOIN (Junge Oper Stuttgart) am 2. 12. 2018 im Nord/STUTTGART
Henrik Albrecht hat diese vergnügliche Oper in einem raffinierten Musikarrangement für Kinder ab acht Jahren und ihre Familien nach dem Einakter von Wolfgang Amadeus Mozart verfasst. Da macht der von Sebastian Schäfer höchst emotional gemimte Schauspieldirektor Frank unmissverständlich klar, dass er auf das Angebot von Herrn Eiler (facettenreich: Elliott Carlton Hines) nicht eingehen wird, dessen Freundin gegen Geld eine Rolle zu besorgen. Und so wirbeln die Dollarscheine im Theater nur so durch die Luft. Der Schauspieldirektor duldet keine Vetternwirtschaft im Theater – sonst drohe nur Chaos. Zwischen den Vorhängen spielen sich so immer wieder allerlei Missverständnisse ab. Er möchte in jedem Fall eine Primadonna für seinen Opernplan gewinnen. Nacheinander treten die Diven konkurrierend in den Ring – allen voran die Koloratur-Primadonna Frau Silberklang (brillant: Aoife Gibney), die dem Schauspieldirektor Frank gewaltig den Kopf verdreht. Als Praktiker des Theaters bevorzugt Frank natürlich Mozarts „Zauberflöte“, deren kontrapunktische Geheimnisse von der gewieften Sängermannschaft nach und nach gelüftet werden. Die reizvollen Kantilenen, Arabesken, Girlanden und Kaskaden sprudeln auch bei dem Buffo in Gestalt von Michael Nagl, Frau Pfeil (hervorragend: Ida Ränzlöv), Frau Herz (geschmeidig: Carina Schmieger) und Herrn Herz (strahlkräftig: Moritz Kallenberg) nur so hervor. Franz Forsatian als Leopold und Jan-Christof Tomerl als Xaver komplettieren den vergnüglichen Reigen auf den Brettern, die hier tatsächlich die Rokoko-Welt bedeuten. Die Primadonnen liefern sich schließlich um ihre Vormachtstellung in der Oper eine wahre Furienschlacht, während sich die Männer in kleinkarierten Hahnenkämpfen jämmerlich verzehren. Frau Pfeil will sich in der Rolle der bösen Hexe nicht gefallen, wobei schließlich alle Sänger für den genervten Direktor „böse Hexen“ werden, die er nicht einstellen will.
Der Krach lässt sich nicht mehr aufhalten, was die Regie von Elena Tzavara ausgezeichnet herausarbeitet (Studienleitung: Alan Hamilton). Das Staatsorchester Stuttgart musiziert unter der Leitung von Thomas Guggeis wie aus einem Guss, wobei das harmonische Spiel durch heftigen Wortwechsel und pausenlose Unterbrechungen oft gestört wird. Bühne und Kostüme von Elisabeth Vogetseder unterstreichen eine Atmosphäre, die an die skurrilen Abenteuer des Barons von Münchhausen erinnert. Es gibt hier sogar eine Kanonenkugel, aus der zuletzt eine gewaltige Ladung Konfetti abgeschossen wird. Und Frau Silberklang alias Aoife Gibney fliegt kopfüber und schreiend in die verrückte Kanonenkugel hinein. Kunst und Chaos sind perfekt. Für Kinder ist eine solche Vorstellung in jedem Fall ein großer Spaß. In dieser Übernahme der Salzburger Festspiele steht das harmonische Geschehen rasch auf dem Kopf, wobei das Terzett „Ich bin die erste Sängerin!“ mit wilden chromatischen Explosionen aufwartet. Dieses Streitterzett fasziniert dabei wahrhaftig als Meisterstück der Charakterisierungskunst. Anklänge an die „Hochzeit des Figaro“ und die „Entführung aus dem Serail“ lassen nicht lange auf sich warten. Reminiszenzen an das berühmte „Bandlterzett“ sind ebenso verschmitzt herauszuhören. „Es geht in erster Linie um Kunst!“ lautet auch das vergnügliche Motto des Daumenkinos im Programmheft. Da darf in jedem Fall viel gelacht werden.
Und selbst der gestresste Schauspieldirektor Frank ist zuletzt von der Sängermannschaft so begeistert, dass er alle einstellt.
Alexander Walther