STANISLAW MONIUSZKO: DAS GESPENSTERSCHLOSS – historische Aufnahme mit Orchester und Chor der Poznán Moniuszko Staatsoper – NAXOS
Bei dieser aparten musikalischen Komödie handelt es sich um das Meisterwerk des der nationalen polnischen Schule angehörenden Komponisten Stanislaw Moniuszko. Musikalisch haben wir es mit keinem Gruselschocker zu tun, sondern einem gut gearbeiteten, leicht federnden schwungvollen Unterhaltungsstück mit einigen wirkungsvollen Suspense-Effekten. Beim Anhören von „Straszny dwór“ (Originaltitel) fallen abseits der polnischen Tänze Polonaise, Mazurka oder Krakowiak die Einflüsse der französischen Opéra comique genau so auf wie Stilelemente der italienischen Oper. Es dürfte auch nicht geschadet haben, dass der in Berlin ausgebildete Komponist dort die von Spontini geleitete Hofoper besuchte und Opern von Weber, Lortzing und Marschner kennenlernen konnte.
Man kann sich heute kaum noch vorstellen, dass das Stück rund um eine polnische Landidylle, Soldatentugenden, Heirat und Familienehre sowie die gefällige operettenähnliche Musik nach ihrer dritten Aufführung 1865 von der russischen Zensur in Polen aufgrund der „exzessiv patriotischen Haltung“ verboten wurde. Die Handlung ist nach heutigen Begriffen freilich ziemlich ungenießbar, wie sie es auch bei vergleichbaren Werken der tschechisch-nationalen Schule sind: Die Brüder Stefan (Bogdan Paprocki Tenor) und Zbigniew (Edmund Kossowski Bass) wollen auch nach ihrer Rückkehr vom Krieg auf Frauen verzichten, damit sie jederzeit wieder in den Kampf ziehen können. Alles wunderbar unsinnig, wäre da nicht die Tante Czésnikowa (Antonina Kawecka), die Heiratspläne für die beiden Burschen hat. Aber alles kommt anders als gedacht: Stefan und Zbigniew wollen einen Freund ihres Vaters, Miecznik (Marian Wozniczko), besuchen, dessen Töchter Hanna (Barbara Kostrzewska) und Jadwiga (Felicja Kurowiak) den Heiratsplänen der Tante gefährlich werden könnten. Daher erzählt das flotte Tantchen den Soldaten einfach, das Haus des Miecznik sei verwunschen und den Mädels, dass die beiden Männer ausgemachte Feiglinge seien. Nach weiteren Komplikationen mit einem konkurrierenden Verehrer (Radislaw Peter als Damazy) stellt sich heraus, dass das Haus nur deshalb in Ruf steht, gespenstisch zu sein, weil in der Vergangenheit wie durch Zauber die ein- und ausgehenden Männer um die Hand einer der neun Töchter des Großvaters angehalten haben. Fazit: Doppelhochzeit und Schluss!
Bei der vorliegenden Aufnahme handelt es sich um eine Studioproduktion, der ihr Alter (1953, 1954) durch die sehr gute Tonqualität (Restaurierung Joe Salerno) kaum anzumerken ist. Das sängerische Niveau ist verblüffend. Neben der kompositorischen Qualität mit beschwingten Finalensembles, die leicht mit Lortzing-Opern mithalten können oder diese vielleicht sogar übertreffen, ist das auch der Hauptgrund, warum es sich auszahlt, sich dieses Album anzuhören. Vom schwarzen Bass des Edmund Kossowski bis zur koloraturgewandten Sopranistin Barbara Kostrzewska oder den herrlichen Voix mixte Tönen des Bogdan Paprocki, bietet diese Oper ein großartiges Hörvergnügen. Eine Entdeckung weniger für die Bühne, ideal hingegen auf Tonträgern zu genießen.
Dr. Ingobert Waltenberger