STAATZ / Felsenbühne: ZORRO-Musical mit Hits von THE GIPSY KINGS
21. Juli 2023 – Premiere
Von Manfred A. Schmid
Nach dem Musicalerfolg mit Sister Act im Vorjahr ist heuer auf der einzigartigen Felsenbühne Staatz mit Zorro ein nicht ganz so bekanntes Musical zu sehen, bevor im nächsten Jahr mit Andrew Lloyd Webbers Evita wieder ein Klassiker dargeboten wird. Im Mittelpunkt steht der ganz in Schwarz gekleidete, stets mit einer ebenfalls schwarzen Augenmaske auftretende Titelheld. Zorro – spanisch für Fuchs – ist der geheimnisvolle Rächer der von einem despotischen Alcalden (Bürgermeister) terrorisierten, ausgebeuteten Bürger einer Anfang der 1800-er Jahre noch zu Mexiko gehörenden, kalifornischen Stadt. Wo immer Unrecht geschieht, taucht Zorro urplötzlich auf, kämpft für Gerechtigkeit und hinterlässt – als Markenzeichen für sein Eingreifen – das von lodernden Flammen umzüngelte Z am schwarzen Nachthimmel.
Zorro, das Musical, basiert auf dem 1919 geschriebenen, bereits ein Jahr darauf erstmals – mit Douglas Fairbanks in der Titeltrolle – verfilmten Groschenroman The Curse of Capistrano (Der Fluch von Capostrano) sowie auf der von Isabel Allende Jahrzehnte später hinzugefügten fiktiven Biographie des schwarzen Rächers. In Allendes Vorgeschichte erfährt man, dass Zorro und sein Gegner Ramon de la Vega eigentlich Brüder sind, und mit den beiden streitenden Brüdern im Kindesalter beginnt auch die Handlung des Musicals von Stephen Clark & Helen Edmundson. Die Musik greift auf Hits der ab Ende der 1970er Jahre bekannten The Gipsy Kings zurück, eine französische, spanischstämmige Flamenco-Pop-Musikgruppe, die durch Hits wie „Bamboléo“ und „Volare“ international bekannt wurde. John Cameron ist Co-Komponist und Arrangeur.
Zahlreiche weitere Verfilmungen haben zur Popularität des Zorro-Stoffes beigetragen. Zu erwähnen wären u.a. etwa Das Mal des Zorro, 1940 mit Tyrone Power, und Die Maske des Zorro, 1998 mit Antonio Banderas. Die im 1997 in New York uraufgeführten Musical erzählte Geschichte konzentriert sich zunächst auf die Jahre, die Diego, der jüngere Bruder, in Spanien verbracht hat, wohin er von seinem Vater Alejandro zur Ausbildung geschickt worden war, um ihm im Amt des Bürgermeisters einmal nachzufolgen. Der verbummelte Student schließt sich aber lieber der durchs Land ziehenden, singenden, tanzenden Gruppe The Gipsy Kings an. Er genießt das freie Leben, eignet sich Kenntnisse als Magier an und denkt nicht an eine Rückkehr, bis eines Tages seine Jugendfreundin Luisa auftaucht. Von ihr erfährt er, dass sein Vater tot sei und Ramon die Macht übernommen habe, diese aber gnadenlos missbrauche. Schweren Herzens kehrt er zurück, um der Schreckensherrschaft seines Bruders ein Ende zu setzen. Dabei bedient er sich einer List: Er gibt sich gegenüber Ramon als unterwürfigen, harmlosen Trottel aus. Als Zorro aber macht er sich daran, dem Unrecht ein Ende zu setzen. Unterstützt wird er dabei von der Zigeunerin Inez und seiner wieder geliebten Jugendfreundin Luisa. (Offenbar gibt es im Englischen kein Problem mit dieser Bezeichnun, denn „Gipsy“ entspricht dem im Deutschen längst als politisch inkorrekt verpönten Begriffs „Zigeuner“.) Inez bezirzt den feigen Sergeant Garcia, bis er sich dazu aufrafft, gegen seinen fiesen Herrn Position zu beziehen und so zum guten Ausgang der Geschichte beizutragen. Die politisch engagierte, freiheitsliebende Luisa aber ist diejenige, die den entscheidenden Schuss auf Ramon abfeuern wird, weil sie weiß, dass Diego dazu nicht in der Lage wäre.
Die Geschichte ist etwas simpel und anspruchslos, manche Dialoge ziemlich peinlich. Dem Staatzer Tausendsassa Werner Auer, auch für Intendanz und die ansprechende Bühne verantwortlich, gelingt es, als Regisseur die Schwächen der Vorlage – vor allem nach der Pause – zu überspielen und dafür zu sorgen, dass der Schwung durch rasche vollzogene Szenenwechsel beibehalten werden kann. Dazu tragen auch die spanisch-folkloristisch geprägte, leidenschaftliche Choreographie von Eva Klug und die Kostüme von Gerlinde Höglhammer wesentlich bei. Dass Werner Auer dazu auch als Akteur auf der Bühne die Aufmerksamkeit auf sich zieht und als großartiger Sergeant Garcia die erforderliche komische Note beisteuert, ist ziemlich einzigartig in der österreichischen Musik- und Theaterszene. Auers Garcia ist ein Mann, der sich der Ungerechtigkeit bewusst ist, an der er beteiligt ist, sich aber hilflos fühlt, etwas dagegen zu unternehmen, und dennoch nicht unsympathisch wirkt. Man begegnet ihm Lächeln, nicht mit Spott. Erst seine Begegnung mit Inez verleiht ihm Kraft und Selbstbewusstsein
Das große Plus des Musicals ist die Musik mit ihren Flamenco- und Rumba-Melodien und zündenden, mitreißenden Rhythmen, was nach einiger Zeit auf Dauer allerdings etwas eintönig wirken kann. Aber das Orchester unter der Leitung von Gregor Sommer sorgt musikalisch für ein erstklassiges spanisches Ambiente. Hervorzuheben wären die drei exzellenten Gitarristen Benjamin Koci, Hubert Koci und Alfredo Garcia-Navas.
Was aber wäre ein Zorro ohne elegante, effektvolle Degenduelle? Auch auf diesem Gebiet ist die Neuproduktion der Staatzer Felsenbühne als spektakulär zu würdigen. Die Choreographin Eva Klug erweist sich auch als perfekte Lehrmeisterin der hier vorgeführten Fechtkunst.
Die starke Bühnenpräsenz von Stefan Bleiberschnig, der ein vital-wendiger Zorro ist und auch hervorragend singt, ruft förmlich nach einer Besetzung der beiden zentralen Frauenrollen auf Augenhöhe. Dass er auch komisch sein kann, beweist er in der köstlichen Szene als Beichtvater seines Bruders Ramon wie auch als tölpelhafter Diego.
Anna Burger ist eine mutige, die Initiative ergreifende Luisa, der es gelingt, die Frauen und Männer der Stadt durch ihr Vorbild und durch ihre Appelle dazu zu bewegen, die Unterdrückung nicht weiter hinzunehmen, sondern sich dagegen zur Wehr zu setzen. Ihre Abscheu gegenüber jeder Form der Ungerechtigkeit verleiht ihr die dazu nötige Energie. Überzeugend sind auch ihre Enttäuschung, als sie ihren von Kindheitstagen an geliebten Diego nach seiner Rückkehr in der erbärmlichen Figur des unterwürfigen Diego erleben muss, und ihr Erwachen, als sie – in der Badewanne liegend – erstmals auf Diegos Alter Ego Zorro trifft. Berührend ihr Duett mit Diego/Zorro „Wird diese Liebe nie geschehen“ und ihr Solo „Der Mann, der sein Gesicht versteckt“.
Mit Victoria Demuth steht eine Gipsy-Frau auf der Bühne, die feurig tanzen und singen sowie ihre erotischen Reize ausspielen kann. Eine Führungspersönlichkeit mit Ausstrahlung, die von Ramon erschossen wird.
Die Figur des bösen, skrupellosen Ramon wird von André Bauer psychologisch glaubwürdig ausgeleuchtet. Die Eifersucht auf seinen Bruder, von dem er glaubt, dass er vom Vater mehr geliebt worden sei, als er selbst, hat sich längst in Größenwahn verwandelt. Ein Tyrann, der bereit ist zu töten, um seine Illusion, ein hochgeachteter, fähiger Bürgermeister zu sein, aufrecht zu erhalten. Eigentlich ist er aber immer der verletzte kleine Junge geblieben, der beweisen will, dass er der bessere Sohn ist.
Das Ensemble überzeugt mit starken Gesangs- und Tanzleistungen und agiert sichtbar von Spiellaune angetrieben. Erwähnenswert der humorvolle Chor, in dem es darum geht, ob der Held „El Zorro“ oder doch lieber „El Ratto“ (die Ratte), wie er selbst vorschlägt, heißen solle (Choreinstudierung Doris Graf-Sommer).
Wer gerne die großen Hits von The Gipsy Kings hören will und Action und Leidenschaft auf der Bühne liebt, für den ist das, was die Felsenbühne Staat zu bieten hat, geradezu ideal. Das Premierenpublikum reagiert jedenfalls begeistert. Olé!