
Stella Jones (Deloris Van Cartier) und der Nonnenchor. Alle Fotos: Felsenbühne Staatz / Harald Schillhammer
STAATZ / Felsenbühne: SISTER ACT – Premiere
22. Juli 2022
Von Manfred A. Schmid
Während vor der eindrucksvollen Kulisse der Burgruine von Staatz die letzten Vorbereitungen für die Premiere stattfanden, kam aus den USA eine spektakuläre Nachricht: Whoopi Goldberg, die 1992 im Film Sister Act ihre Weltkarriere startete und im Jahr darauf im Sequel Sister Act II erneut das Kinopublikum begeisterte, wird, 30 Jahre nach der Premiere wieder als Deloris Van Cartier vor der Kamera stehen. Sechs Jahre hat die inzwischen Sechsundsechzigjährige darum gekämpft, jetzt ist es soweit. Man darf gespannt sein, was sei mit ihren Nonnen diesmal anstellen und vor allem singen wird.
Gespannt sein durfte man auch auf die diesjährige Premiere auf der Staatzer Felsenbühne, wo – auf dem früheren Schauplatz erfolgreicher Karl-May-Spiele – seit dem Jahr 2000 Freiluftaufführungen der Musical-Sommerfestspiele stattfinden. Unter der Intendanz von Werner Auer, der als Regisseur auch für die Inszenierungen und das Bühnenbild verantwortlich zeichnet und gerne auch darstellerisch mitwirkt – diesmal als Ganove Joey – erfolgte der systematische Umbau zur modernen Open-Air-Bühne. Heute gehört das Festival zu den alljährlichen Highlights der österreichischen Musicalszene und muss den Vergleich, z.B. mit dem Musicalsommer Amstetten, nicht scheuen. Alle zwölf Vorstellungen, so der stolze Musical-Tausendsassa Auer in seiner Begrüßung, sind bereits ausverkauft.

Anna Burger (Sister Roberts) und Stella Jones (Deloris Van Cartier)
Das Bühnenbild ermöglicht flotte Schauplatzwechsel. Im ersten Stock und darüber befindet sich das Kloster und die Kirche, während das Erdgeschoss mit wenigen Handgriffen und technischen Finessen als Nachtklub, Polizeiwache, Bar und natürlich auch als Stätte der Zusammenkünfte der Nonnen herhalten kann. Davor gibt es genügend Platz, wo die Nonnen gemeinsam essen, beten, singen und – unter der Anleitung der erfolglosen Nachtklubsängerin Deloris und sehr zum Entsetzen der Mutter Oberin – ausgelassen tanzen können (Choreographie Eva Klug).
Die Regie weiß diese vielfältigen Möglichkeiten dieser Bühne gut auszureizen. Die Übergänge gelingen perfekt, immer wieder kommt es so nahtlos zu neuen Situationen und überraschenden Entwicklungen. Die Besetzung erweist sich als ein Meisterwerk des Teambuildings. So ist in der großen Schar der Nonnen jede einzelne als ein spezieller Charakter auszumachen. Da stechen nicht nur drei oder vier besonders heraus, sondern jede entzückt mit ihrer Eigenart. Das beginnt schon bei der Vorstellrunde, wenn die Mutter Oberin der vor der Verfolgung durch eine Verbrecherbande in das Kloster geflüchteten Deloris ihre Schäfchen präsentiert. Allein jeder Name erzählt eine eigene Geschichte: Mary Me Sophie Bauer), Mary Huana (Melanie Neudorfer), Mary Nirvana (Hanna Redlich), Mary Christmas (Marjeta Urch), Mary Goround (Laura Voith), um nur einige zu nennen. Erwähnen müsste man aber alle, den jede versteht ihren Namen als Programmauftrag und führt ihn auch aus.
Antje Kohler ist die Mutter Oberin, die in ihrem steten Bemühen, die Einhaltung der Ordensregeln aufrechtzuerhalten, erfolglos bleibt, mit Gott hadert, aber nie lächerlich wirkt. Anna Burger ist Mary Roberts, die Novizin. Glaubwürdig stellt sie eine junge Frau dar, die mit dem Auftauchen der lebensfrohen Delores in ihren bisher unterdrückten Zweifeln bestärkt wird und nicht mehr sicher ist, ob ein Leben im Kloster für sie das Richtige ist. Beeindruckend, wie das stille, zurückhaltende Mädchen plötzlich, als die Mutter Oberin Deloris aus dem Kloster werfen will, aufsteht und sich vehement für ihren Verbleib einsetzt. Eine köstliche Charakterstudie liefert Lia Burger als verschroben wirkende Mary Lazarus, die ihre musikalische Begabung aber dann doch voll auskosten kann. Komik par excellence.

Das Ganoventrio Pablo Grande (Pablo), Werner Auer (Joey) und Nick Harras (TJ).
Überhaupt gibt es an diesem Abend auch sonst viel zu lachen. Der Unterhaltungswert ist riesig, wie es von einem Sommerspektakel zu Recht erwartet wird. Dazu trägt auch das Ganoventrio TJ (Nick Harras), Joey (Werner Auer) und Pablo (Pablo Grande) bei, das seinen Boss Curtis Jones (richtig böse und bedrohlich Andy Lee Lang, der in der Maske und mit dem Hairstyling von Doris Wiesinger kaum zu erkennen ist) stets bereit und doch etwas zu tollpatschig umschwirrt.
Als eitler Monsignore Hara tritt André Bauer markant in Erscheinung. Es ist ein Vergnügen zu verfolgen, wie er, vom wachsenden Erfolg des Nonnenchors und den damit verbundenen steigenden Einkünften berauscht, in immer prunkvolleren Gewändern auftritt (Kostüme Gitti Hamal & Team) und gänzlich ausflippt, als er davon erfährt, dass selbst der Papst anreisen werde, um die Nonnen zu hören.
Stefan Bleiberschnig ist ein sympathischer Polizist, der linkisch wirkt und Angst vor seiner Dienstwaffe hat, dann aber über sich hinauswächst und den für seine Schulfreundin Delores lebensrettenden Schuss abfeuert.
In der von Cherie und Bill Steinkellner verfassten Geschichte, mit Musik von Alan Menken, erfahren viele Menschen eine entscheidende Wende in ihrem Leben. Die Person, die mit ihrer spontanen, unbekümmerten Art bisherige Gewohnheiten in Frage stellt, die Ordnung durcheinander bringt und dadurch eine Änderung und Weiterentwicklung ermöglicht, ist die auf alle Konventionen pfeifende Nachtklubsängerin Deloris Van Cartier. Stella Jones singt, tanzt und spielt, dass es eine Freude ist: Der strahlende Mittelpunkt eines insgesamt sehr gelungenen Abends. Begeisterter Applaus für sie und das ganze Ensemble, vor allem auch für das exzellente Orchester unter der kundigen Leitung von Gregor Sommer.