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ST.PÖLTEN/ Ehemalige Synagoge: „ICH BIN EIN ÖSTERREICHER“ Der Fotograf Kurt Bardos (1914 Brünn – 1944 letzte Spur Auschwitz)

22.04.2025 | Ausstellungen

St. Pölten, Ehemalige Synagoge

„ICH BIN EIN ÖSTERREICHER“

Der Fotograf Kurt Bardos (1914 Brünn – 1944 letzte Spur Auschwitz)

11. April bis 09. November 2025, Mo – So 10:00-17:00 https://www.ehemalige-synagoge.at/de

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Kurt Bardos | © Kurt Bardos 1938, Privatbesitz

Der Ort dieser Ausstellung könnte nicht besser gewählt sein: die Ehemalige Synagoge in St. Pölten.

Zur Zeit ihrer Einweihung 1913 war die St. Pöltener Synagoge, erbaut nach Plänen der Architekten Theodor Schreier und Viktor Postelberg, einer der bedeutendsten jüdischen Sakralbauten der Monarchie. 1938 von den Nationalsozialisten verwüstet, die jüdische Gemeinde vertrieben und vernichtet, ist sie nun ein Ort des Gedenkens, der Geschichtsvermittlung und der Auseinandersetzung mit Fragen der Gegenwart. Sie hat sich vom Gotteshaus zum Kulturzentrum entwickelt, denn eine jüdische Gemeinde gibt es in St. Pölten nicht mehr. Eine Dauerausstellung bietet seit 2024 Einblicke in die Schicksale einiger ehemaliger Gemeindemitglieder.

Die neue Wechselausstellung auf der oberen Frauenempore widmet sich – ganz im Sinne zeitgemäßer Geschichtsvermittlung – Einzelbiographien, konkret dem Schicksal des Fotografen Kurt Bardos und seiner Familie, insbesondere seiner Schwester Ilse. Die wechselvolle Geschichte, geprägt von der Shoah, der kommunistischen Diktatur und mehreren Migrationen, wird aus ihrer Perspektive erzählt. Sie hat überlebt, die Spur von ihrem Bruder verliert sich 1944 in Ausschwitz.

Martha Keil, Kuratorin der Ausstellung und wissenschaftliche Leiterin des Hauses, stellt Kurt Bardos‘ künstlerische Fotos den Familienerinnerungen gegenüber. An einer Hörstation kann man die Familiengeschichte anhand dreier Interviews erleben:

· Von Dingen, Sprachen und Erinnerungen: Susanne Eiselt und Ruth Reiterer, die Nichten des Fotografen Kurt Bardos, 23 min

• Der Erbe der Fotoalbben: Roman Reiterer, Großneffe des Fotografen Kurt Bardos, 7:10 min

• Werkschau für einen Vergessenen: der Fotograf Kurt Bardos (1914-1944): Susanne Eiselt und Ruth Reiterer, die Nichten des Fotografen Kurt Bardos, 8:40 min

Wer war Kurt Bardos?

Kurt Bardos wurde 1914 in Brünn in eine altösterreichisch-bürgerliche jüdische Familie geboren.

„Kurt Bardos bezeichnete sich selbst als Österreicher, weil er 1914 im österreichischen Teil der Donaumonarchie geboren ist. Seine Schwester Ilse hat das immer mit einem leicht spöttischen Lächeln erzählt, da sie sich, 1919 in Brünn geboren als „Kind der Republik“ sah. Das Österreich, das Kurt meinte, war, wie es auch meine Schwester Ruth festhält, der kulturelle und geistige Raum des untergegangenen Vielvölkerstaates, in dem sich seit Ende des 19. Jahrhunderts Juden als selbstverständlichen Teil dieses Ganzen empfanden. Er war sehr oft in Österreich, ging wandern und Schifahren, er liebte die österreichische Natur. Gemeinsam mit seiner Tante Selma (Schwester seiner Mutter Käthe) war er auch im Semmering-Rax-Gebiet“, Susanne Eiselt, bei der Eröffnung am 10.4.2025 in der Ehemaligen Synagoge.

Kurt Bardos studierte Medizin, doch galt seine wahre Berufung der Fotografie. Im Dezember 1941 wurde die gesamte Familie nach Theresienstadt verbracht, Kurt und seine Frau Zdenka wurden 1944 weiter nach Auschwitz deportiert. Dort verliert sich seine Spur.

Fünf Fotoalben aus den Jahren 1936 bis 1939 konnte Bardos vor seiner Deportation nach Theresienstadt im Dezember 1941 einem Bekannten übergeben. Im Herbst 1945 gelangten sie durch Zufall wieder in Familienbesitz. In der Ausstellung sind sie als Faksimile und in vergrößerten Repros zu sehen. Die Fotos zeigen, wie kreativ Bardos die Stilmittel der Neuen Sachlichkeit für sich interpretierte und in seine präzis komponierten Bilder übersetzte.

Susanne Eiselt und Ruth Reiterer, die Nichten des Fotografen Kurt Bardos, haben vor Jahren begonnen, die Familiengeschichte zu erforschen. Die Fotos von Kurt Bardos wurden 2018, 2019 und 2020 in Ausstellungen in Brünn, Dolni Kounice und Prag gezeigt, 2022 in einer bemerkenswerten Ausstellung in der Volkshochschule Hietzing (kuratiert von Robert Streibel) und 2025 in der Synagoge in St. Pölten (kuratiert von Martha Keil). Während ursprünglich die künstlerischen Fotos die zentralen Ausstellungsobjekte waren, steht in St. Pölten die Schwester von Kurt Bardos Ilse Weltmann, geb. Bardos (1919-2005) im Mittelpunkt: IHR Leben als junges Mädchen, als Überlebende und Wanderin mit der Familie zwischen den Welten von Brünn nach Gablonz, von Gablonz nach Israel und dann nach Wien.

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Doppelporträt Ilse | © Kurt Bardos/ Repro kunstfotografin.at

Elisabeth Dietrich-Schulz

 

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