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ST. GALLEN/ Um!Bau: DIE ZAUBERFLÖTE. Premiere.  

 Vom Racheplan am machthungrigen Herrscher von nebenan

24.10.2021 | Oper international

Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte • Theater St.Gallen im UM!BAU • Premiere: 23.10.2021

 Vom Racheplan am machthungrigen Herrscher von nebenan

Nach «Breaking the Waves» steht mit der Zauberflöte nun eine der populärsten Opern überhaupt auf dem Spielplan des Theaters St.Gallen. Musikalisch ist die Premiere ein grosser Erfolg.

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Foto © Edyta Dufaj

Regie führt die am Theater St.Gallen als Spielleiterin und Regieassistentin engagierte Guta Rau. Bei der Annäherung an das Werk, so führt sie im Interview auf dem Programmzettel aus, habe sie das Gefühl gehabt die Ordnung der Oper, die Gegensätze Mann-Frau, Tag-Nacht, Macht-Ohnmacht, einmal durchschütteln und die Tatsache, dass Sarastro das Spiel in fast jeder Umsetzung der Zauberflöte gewinnt, einmal durchbrechen zu müssen. Das Gefühl eine Oper einfach aus Prinzip einmal gegen den Strich bürsten zu wollen, kann eigentlich keine Basis für eine ernstzunehmende Inszenierung sein.  Die Handlung als problematisch zu betrachten, so Operndirektor Jan Henric Bogen im Haus-Magazin Umschau, lässt eine schwache Werkkenntnis vermuten, ebenso wie Raus Charakterisierung von Sarastro als rassistisch – ein Wort, das mittlerweile ohne genaue Kenntnis seiner Bedeutung inflationär verwendet wird – und misogyn (frauenfeindlich). Rau deutet die Geschichte als Racheplan der Königin der Nacht am «machthungrigen Herrscher von nebenan». Ob diese Deutung in Kombination mit einer im Resultat streckenweise infantilen Umschreibung der Dialoge und Verschiebung von Arien dem Werk dienen, ist doch in Frage zu stellen. Muss das Stück, das zu den meistgespielten (!) Opern gehört, wirklich zugänglicher werden? Bieten nach über 200 Jahren die kaum reflektierten Schlagwörter des Zeitgeists die richtigen Antworten? Marlies Pfeifers Bühne bietet mit ihren von M. C. Escher inspirierten Treppen-Konstruktionen zahlreiche Spielebenen. Vorhänge grenzen die Bühne in die Tiefe ab, so dass Umbauten während dem Spiel stattfinden können. Claudio Pohle, als Kostümassistent am Theater St.Gallen engagiert, war bei den Kostümen kaum Einschränkungen unterworfen. So reicht das Spektrum von klassisch inspiriert (Priester) über modern (Königin der Nacht und Sarastro) bis hin zu jugendlich frisch (Papageno). Die zahlreichen Animationen von Dietgard Brandenburg sollen wohl die Handlung der eher optisch veranlagten jungen Generation «verständlich machen».

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Foto © Edyta Dufaj

Als Königin der Nacht und starke Frau zeigt Antonina Vesenina grosse Bühnenpräsenz. Stimmlich hat sie keinen guten Abend erwischt: während sie die ganz hohen Töne perfekt und sauber trifft, geraten die hohen Töne meist schrill und unangenehm scharf. Vuvu Mpofu kann nach ihrer grossartigen Interpretation der Bess in «Breaking the Waves» als Pamina wieder einen grossen Erfolg verbuchen: ihr heller, klarer Sopran spricht in allen Lagen perfekt an. Grosser Zuspruch des Publikums. Yorck Felix Speer ist mit seinem gepflegten, wendigen Bass ein grossartiger Sarastro und tut einem in der Karikatur durch die Regie fast leid. Pavel Kolgatin gibt mit kräftigem, leicht metallischem Tenor und perfekter Diktion einen mustergültigen Tamino. Die Rolle des Papageno ist Äneas Humm auf den Leib konzipiert und entsprechend geht er darin auf. So könnte sich einer der jugendlichen Opernbesucher Papageno vorstellen und Humm hat nicht nur die stimmliche Frische, sondern auch die Bühnenpräsenz dazu. Libby Sokolowski ist seine Papagena und passt perfekt. Riccardo Botta gibt einen herrlich knorrigen Monostatos. Die Geharnischten sind bei Christopher Sokolowski (zusätzlich Priester) und Kristján Jóhannesson (zusätzlich Sprecher) in besten Händen. Das Trio der Damen ist mit Tatjana Schneider, Jennifer Panara und Sara Jo Benoot geradezu luxuriös besetzt. Liv-Maleen Nagel, Lorin Rütsche und Tessa Güssow sind drei stimmschöne Knaben.

Franz Obermair hat den Chor des Theaters St. Gallen und den Opernchor St. Gallen einstudiert. Mit bester Textverständlichkeit und guter Bühnenpräsenz haben sie ihren Part bestens gemeistert.

Das Sinfonieorchester St. Gallen unter der musikalische Leitung von Katharina Müllner spielt erneut einen grossen Abend. Müllner hat Partitur bestens durchhörbar aufbereitet und das Orchester folgt ihr hochkonzentriert mit wunderbar sattem Klang. Mit etwas schnelleren Tempi wäre der Eindruck noch besser.

Musikalisch ist die Premiere ein grosser Erfolg.

Weitere Aufführungen jeweils im UM!BAU :

Mittwoch, 3. November 2021, 19:30-22:10; Sonntag, 7. November 2021, 17:00-19:40; 
Sonntag, 14. November 2021, 14:00-16:40; Mittwoch, 17. November 2021, 19:30-22:10;
Freitag, 19. November 2021, 19:30-22:10; Sonntag, 21. November 2021, 14:00-16:40;
Donnerstag, 25. November 2021, 19:30-22:10; Dienstag, 30. November 2021, 19:30-22:10;
Donnerstag, 9. Dezember 2021, 19:30-22:10; Sonntag, 12. Dezember 2021, 19:00-21:40;
Mittwoch, 22. Dezember 2021, 19:30-22:10; Montag, 27. Dezember 2021, 19:30-22:10;
Mittwoch, 29. Dezember 2021, 19:30-22:10; Freitag, 28. Januar 2022, 19:30-22:10;
Samstag, 12. Februar 2022, 19:00-21:40.

23.10.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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