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ST. GALLEN / Theater/ UM!BAU: CHEVALIER DE SAINT GEORGES (Der anonyme Liebhaber) von Joseph Bologne

10.11.2022 | Oper international

Joseph Bologne «Chevalier de Saint-Georges»: Der anonyme Liebhaber • Theater St.Gallen im UM!BAU • Vorstellung: 09.11.2022

 (5. Vorstellung • Premiere am 17.09.2022)

Werden Künstler heute auf Grund ihrer Hautfarbe ignoriert?

Die grossen Pluspunkte der St.Galler Produktion von «Der anonyme Liebhaber» sind ihre Frische und die theaterpraktische Ausformung der Neufassung von Femi Elufowoju Jr. Die Neufassung verbindet wohltuend zurückhaltend die Biographie Bolognes mit der eigentlichen Handlung der „Comedie en deux actes melée de ballets“.

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Foto © Edyta Dufaj

Femi Elufowoju jr. (Inszenierung) und Sebastian Juen (Inszenierung) arbeiten eng am Libretto, das es relativ einfach möglich macht, Biographie und Handlung zu kombinieren. Bei der finalen Hochzeit des nicht mehr anonymen Liebhabers Joseph mit Léontine ergibt sich die Möglichkeit für einen Schlussappell, eindrücklich eingeleitet vom Abgleiten der Hochzeitsmusik in Dissonanzen. Die nachdenklich machende Ansprache ans Publikum stellt die entscheidenden Fragen ohne jeglichen kontraproduktiven ideologischen Furor: Wäre das heute noch möglich, dass eine Person of Colour für ein Verbrechen verurteilt wird, das sie nie begangen hat? Könnte eine Person of Colour heute ohne Weiteres eine Frau aus dem europäischen Adel (Oberschicht) heiraten? Werden Künstler heute auf Grund ihrer Hautfarbe ignoriert? ULZ (Bühne und Kostüm) hat für die Produktion ein ganz schlichtes, wie die Musik klassizistisches Bühnenbild entworfen, das die Entstehungszeit der Oper in Erinnerung ruft, im Weiteren aber nicht von der Handlung ablenkt. Charles Balfour und Andreas Enzler besorgen das Licht, Elenita Queiroz die Choreographie der Tänzerinnen der Theatertanzschule St. Gallen.

Joshua Stewart gibt den Joseph mit prächtigem, höhensicheren Tenor und grosser Bühnenpräsenz. Florina Ilie ist ihm als Léontine eine ebenbürtige Partnerin. Die eingeschobene Mozartarie «Der Liebe himmlisches Gefühl» (KV 119) lässt erkennen, dass ihre Stimme sich bei Boulognes Musik heimischer fühlt. Äneas Humm singt mit prächtigem Bariton den teilweise en travestie angelegten Ophémon. Libby Sokolowski gibt Leontines quirlige Dienerin Dorothee. Die Stimmen des zweiten Paares (Jennifer Panara als Jeannette und Christopher Sokolowski als Colin) harmonieren prächtig.

Stéphane Fromageot hat das Geschehen im Graben und auf der Bühne bestens im Griff und entlockt dem Sinfonieorchester St. Gallen herrlich frische Klänge, die entfernt immer wieder mal an Gluck erinnern. Franz Obermair hat Chor des Theaters St. Gallen bestens vorbereitet.

Eine Rarität, die es nicht länger verdient hat, Rarität zu sein!

Weitere Aufführungen:

DO 17.11.2022, 19.30; SO 20.11.2022, 14.00; FR 02.12.2022, 19.30; FR 09.12.2022, 19.30.

09.11.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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