Tobias Picker: Lilli Elbe • Theater St.Gallen • Uraufführung: 22.10.2023
Wiedereröffnung des Grossen Hauses (renovierter und erweiterter Paillard-Bau)
Die Oper der Zukunft
Gilt es ein renoviertes Theater wiederzueröffnen, stellt sich die Frage womit. Das Theater St.Gallen geht den Weg einer Uraufführung. Und diesen Weg geht es ausgesprochen erfolgreich.
Foto © Theater St.Gallen
In knapp drei Jahren wurde in St.Gallen der Theaterbau von Claude Paillard (1923-2004), eine Architektur-Ikone, renoviert und erweitert. In dieser Zeit spielte das Theater gleich auf der anderen Strassenseite im Provisorium «UM!BAU», das nun ab- und in Ingolstadt als Ausweichspielstätte für das dortige Stadttheater wieder aufgebaut wird. Nach 50 Jahren intensiver Nutzung war das für den Theaterbetrieb der 70er-Jahre konzipierte nun sanierungsbedürftig. Das zunehmende Platz-Bedürfnis des 1805 auf privater Basis gegründeten ersten Schweizer Berufstheaters mit Mehrsparten-Angebot konnte durch innere Verdichtung nicht mehr aufgefangen werden. Durch eine Reorganisation der Betriebsabläufe und Erweiterung der Anlagen im nicht sichtbaren Bereich konnten wieder zeitgemässe Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Die Sichtbetonfassade wie das innere wurden sanft instandgesetzt und in den Zustand der Eröffnung rückgeführt.
Am 15. März 1968 wurde der Paillard-Bau mit Ludwig van Beethovens «Fidelio» eröffnet. Nach der Renovation wiedereröffnet wird es nun mit «Lilli Elbe», einem Auftragswerk mit Musik von Tobias Picker und einem Libretto von Aryeh Lev Stollmann bei dramaturgischer Mitarbeit von Lucia Lucas.
Foto © Edyta Dufaj
«Lilli Elbe» befasst sich mit der Lebensgeschichte der als Einar Mogens Andreas Wegener 1882 geborenen dänische Malerin und Transgender-Pionierin. Lilli Elbe gehörte zusammen mit Dora Richter zu den ersten Personen, die sich 1930/31 am von Magnus Hirschfeld geleiteten, Berliner Institut für Sexualwissenschaft einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen. Die, wenn das so rational gesagt werden darf, besondere Qualität des Werks liegt darin, dass mit dem «American transgender baritone» Lucia Lucas «the first transgender person to perform a principal role on an American operatic stage» (zitiert nach https://en.wikipedia.org/wiki/Lucia_Lucas) am Libretto mitarbeitet. Entstanden ist ein ausserordentlich intensives Werk, das mit dem Tanz auch den physischen Ausdruck mit einbezieht.
Krystian Lada (lnszenierung/Bühnenbild/Video) wählt das Pariser Atelier von Lilli Elbe und Gerda Wegener und erzählt hier eng am Libretto und mit bewundernswerter Sensibilität die Geschichte (Choreografie: Frank Fannar Pedersen).Ebenso sensibel sind die Kostüm von Bente Rolandsdotter und die Lichtgestaltung von Aleksandr Prowaliński.
Modestas Pitrenas hat die musikalische Leitung des Abends und setzt die Partitur in der Koordination des Sinfonieorchesters St.Gallen, des Metanoia Quartetts (Raul Campos-Calzada, Yashar Noroozi, Imgesu Tekerler und Jonas Streit) und des Chors des Theaters St.Gallen (Choreinstudierung: Franz Obermair) mustergültig um.
Stellvertretend für das phänomenale Ensemble (cf. Besetzungsliste) seien Lucia Lucas als Lili Elbe und Sylvia D’Eramo als Gerda Wegener genannt:
Anna Larssen Bjørner/Mother Wegener/Young Woman: Mack Wolz
Hélène Allatini: Jennifer Panara
Claude LeJeune: Brian Michael Moore
Danish Countess/Dagmar/Matron: Théo lmart
Marius Wegener: Sam Taskinen
Christian X/Art Critic/Major Fernando Porta: Kristján Jóhannesson
Eric Allatini: David Maze
Professor Warnekros: Msimelelo Mbali
Tanzkompanie St.Gallen:
Ísabella Tara Antonsdóttir,
Baptiste Berrin, Guang-Xuan Chen,
Gennaro Cipolletta, Coko De Windt,
Mitch Harvey, Swane Küpper,
Venetia Lim Jia Yee, Andrea Lippolis,
Luis Martinez Gea, Charmene
Pang, Adamantia Papakyriaki,
Emma Thesing, Ariadni Toumpeki,
lfigenia Toumpeki, Minghao Zhao
Absolute Empfehlung: «Lili Elbe», so wie sie St.Gallen zeigt, ist die Referenz für die Oper der Zukunft!
Weitere Aufführungen:
Sonntag, 29.10.2023, 17:00; Donnerstag, 02.11.2023, 19:30; Sonntag, 05.11.2023, 14:00;
Samstag, 11.11.2023, 19:00; Freitag, 17.11.2023, 19:30; Sonntag, 03.12.2023, 19:00.
31.10.2023, Jan Krobot/Zürich