Igor Strawinsky: The Rake’s Progress • Theater Orchester Biel Solothurn • Stadttheater Solothurn • Solothurner Premiere: 08.11.2023
(3. Vorstellung • Premiere in Biel am 27.10.2023)
Nur wer wagt, gewinnt
TOBS wagt es, Strawinskys «The Rake’s Progress» anzusetzen, und gewinnt. Mit einer jugendlich frischen, sehr direkten Produktion wird man einmal mehr dem Ruf als Hort qualitativ hochstehenden Musiktheaters gerecht.
Foto © Andreas Zimmermann
Maria Riccarda Wesseling (Regie) erzählt die Geschichte als Blick in Tom Rakewells Seele: die niederfahrenden Blitze und die erdrückende Enge beziehen sich auf die Stiche Hogarths. Alle beteiligten Figuren seien Persönlichkeitsteile von Tom. – Wieder eine psychologisierende Inszenierung: dass sie sich von jeglicher Groteske, Surrealitäten (Surrealismus um seiner selbst willen) und Klamauk fernhält ist ihr unbedingt zugute zu halten (Bühnenbild: Martin Hickmann). Bezüge auf den Surrealismus gibt es allerdings in Form der Tücher (nach Margritte), nach deren Ablegen der Chor dann quasinackt, ungeschminkt, reduziert auf den Menschen, auf der Bühne steht. Wesseling erzählt die Geschichte mit nicht nur einem Augenzwinkern so realistisch als möglich, mit dem erstaunlichen Effekt, dass die Psychologisierung im Laufe des Abends gar nicht mehr als solche wahrgenommen wird. Die von Sanne Oostervink liebevoll gestalteten Kostüme tragen ganz wesentlich zum positiven Gesamteindruck bei. Mit einer modern formulierten Moral enden der Epilog und die Oper: Der Entscheid zu einem glückbringenden Weg liege darin, den positiven Kräften in uns Raum zu geben.
Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn unter Yannis Pouspourikas nimmt die Frische der Inszenierung hochkonzentriert in sein Spiel auf und sorgt für nie nachlassende Spannung. Der Chor TOBS (Chorleitung: Valentin Vassilev) ist klangschön mit grosser Spielfreude am Werk und trägt den Abend mit.
Robert Koller gibt mit sauber geführtem Bass einen idealen Trulove von natürlicher Autorität. Marysol Schalit ist eine Anne Trulove von überragender Bühnepränsenz und Intensität. Ihr kräftiger, frischer Sopran ist tadellos geführt. Nicht weniger beeindruckend gestaltet William Morgan den Tom Rakewell. Es ist elektrisierend zu verfolgen, wie er die Handlung durchlebt. Nick Shadow kann man sich kaum teuflischer, gefährlicher dargestellt vorstellen als von Simon Schnorr. Der Altistin Candida Guida als Mother Goose und Baba the Turk gebührt die Krone des Abends. Szenisch wie musikalisch geht sie ganz in ihrer Rolle auf. Konstantin Nazlamov gibt den Auktionator Sellem
Ein in seiner intensiven Schlichtheit begeisternder Theaterabend!
Biel: So. 12.11.2023, 15:00; Di. 12.12.2023, 19:30; Mi. 07.02.2024, 19:30; Fr. 09.02.2024, 19:30.
Solothurn: Fr. 10.11.2023, 19:30; Do. 04.01.2024, 19:30; Mi. 31.01.2024, 19:30; Sa. 03.02.2024, 19:00.
Stadttheater Schaffhausen: Di. 21.11.2023, 19:30.
Kurtheater Baden: Sa. 25.11.2023, 19:30.
Casino Theater Burgdorf: Do. 25.01.2024, 19:30.
09.11.2023, Jan Krobot/Zürich