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Solothurn/Stadttheater: LES LIAISONS DANGEREUSES Antonio Vivaldi / Vanni Moretto. Premiere/ Schweizer Erstaufführung

01.04.2022 | Oper international

Antonio Vivaldi / Vanni Moretto: Les Liaisons dangereuses • Theater Orchester Biel Solothurn • Stadttheater Solothurn • Premiere: 31.03.2022

Schweizer Erstaufführung

Erfrischendes Musiktheater

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Als letzte Musiktheater-Premiere der Saison, die traditionell in Solothurn stattfindet, hat sich Theater Orchester Biel Solothurn eine singuläre Produktion ausgewählt: Die Bearbeitung des Briefromans «Les Liaisons dangereuses» («Gefährliche Liebschaften») für die Musiktheaterbühne. Autor des 1782 erschienenen Briefromans, der als Hauptwerk der französischen Literatur und Sittengemälde des ausgehenden Ancien Régime gilt, ist der französische Offizier und Schriftsteller Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos.

Der Skandalerfolg erlebte bis zur französischen Devolution mehrere Auflagen und wurde bereits 1783 ins Deutsche übersetzt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Stoff wiederholt, verfilmt und für das Sprech- und Musiktheater adaptiert. Das Singuläre am Werk des Violinisten, Dirigenten, Komponisten und Musikwissenschaftlers Vanni Moretto ist die Verwendung von Musik Antonio Vivaldis. Konzeption und Szenario stammen von niederländischen Regisseur und Gründer der Operngruppe OPERA2DAY Serge van Veggel, das Libretto stammt vom italienischen Regisseur und Schriftsteller Stefano Simone Pintor. Die Bearbeitung des Briefromans mit der im Barock besonders populären Technik und unter Verwendung von Musik des «Prete rosso» ist stimmig und stimmungsvoll gelungen und beschert dem Besucher eine frisches, höchst lebendiges Sittengemälde der Zeit Vivaldis und Laclos. Die gut zwei Stunden Theater gehen wie im Flug vorbei. Wer spannendes Theater erwartet, ist bestens bedient.

Wer ein Opern-Pasticcio im Gewand einer Barock-Oper erwartet, wird vielleicht nicht ganz glücklich werden. Die Erst-Nennung eines der ganz grossen Barock-Komponisten ist, aus welchen Gründen auch immer, nachvollziehbar und verständlich. Damit stellt Moretto aber auch sein Licht unter den Scheffel, denn es ist deutlich mehr Moretto drin als Vivaldi. Der letzte Eindruck ist der, der bleibt, und so führt der dramaturgische Kunstgriff den Zerfall der Gesellschaft mit moderner Sprache und dem Zerfall der Musik, mit Disharmonien, schrillen Tönen und Gesang, der ohne weiteres Verdis Anforderungen an eine gute Lady Macbeth entspricht, zu illustrieren weit von der Barockoper oder zumindest ihrem Stil, weg. Zudem suggeriert die Verwendung des opernhistorischen Terminus «Pasticcio» einen einigermassen einheitlichen Stil, den es hier so nicht gibt. Selbst wenn im barocken Pasticcio Musik mehrerer Komponisten kombiniert wurde, blieb der Stil auf Grund der zeitlichen Nähe der Tonsetzer und den starken Konventionen der Zeit recht einheitlich. Jedenfalls einheitlicher, als es hier der Fall ist. Der Besetzungszettel führt die Position «Sounddesign» (Arne Bock) auf: Wäre die Gattungsbezeichnung «Musical» in Erwägung zu ziehen? In Morettos Werk steckt so viel Eigenständigkeit, ja Kunst, dass er dazu stehen kann und darf.

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Foto © Suzanne Schwiertz

Regisseur Serge van Veggel lässt seine Inszenierung im Venedig des 18. Jahrhundert spielen, als die Serenissima von Handelszentrum zum Vergnügungszentrum, zum Fixpunkt jeder Grand Tour wurde, und inszeniert ganz seinem Konzept entsprechend. Herbert Janse hat ihm dazu ein leichtes, stimmiges Bühnenbild geschaffen, das mit barockisierenden Versatzstücken, Gassen-Dekorationen und Paravents mit Akanthus-Muster und einem prächtigen, ein klein wenig festungsartigem Himmelbett, die ideale Stimmung auf die Bühne bringt. Die Kostüme von Mirjam Pater gehen sensibel auf die Figuren ein: die Marquise de Merteuil trägt barocke Pracht, die anderen Figuren tragen schlichte Kleidung aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.

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Foto © Suzanne Schwiertz

Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn (Theorbe: Sam Chapman) unter musikalischer Leitung Facundo Agudin bringt die Musik von Moretto und Vivaldi prächtig zur Geltung.

Die Altistin Candida Guida ist als Marquise de Merteuil fast den ganzen Abend auf der Bühne. Sie legt ihr Rollenportrait recht dramatisch an und fasziniert mit ihrer dunklen, koloraturerprobten Stimme. Der Vicomte de Valmont ist mit der Mezzosopranistin Ingeborg Bröcheler en travestie besetzt. Mit schönen tiefen und sicheren Höhen ist ihre Stimme ein reizvoller Kontrast zur Marquise de Merteuil.

Die Französin Inès Berlet bestätigt mit grosser Bühnenpräsenz und edel geführter Stimme den höchst positiven Eindruck, den sie als Cenerentola am TOBS gemacht hat. Es gilt weiterhin, was anlässlich des Liederabend der Stipendiaten der Dino Arici-Stiftung im Juni 2020 festgestellt wurde: der Countertenor Maayan Licht besitzt einen sehr hellen, klaren, sauberen Sopran mit hervorragender Technik, den er bestens einzusetzen weiss. So ist sein Chevalier Danceny purer Genuss. Marion Grange gibt mit jugendlich frischem Sopran eine quicklebendige Cécile de Volanges.

Barocke Opernmusik einmal ganz anders: Ein erfrischender Abend!

Aufführungsdaten Biel: Fr. 08.04.22, 19:30; So. 10.04.22, 19:00; So. 24.04.22, 17:00; Fr. 29.04.22, 19:30;

Di. 03.05.22, 19:30; Mi. 18.05.22, 19:30; Fr. 20.05.22, 19:30.

Aufführungsdaten Solothurn: So. 03.04.22, 19:00; Mi. 11.05.22, 19:30; Fr. 27.05.22, 19:30; Mi. 01.06.22, 19:30.

Auswärtige Vorstellungen:

Sa. 02.04.22, 19:30, Stadttheater Langenthal; Do. 28.04.22, 19:30, Casino Theater Burgdorf;

So. 01.05.22, 17:00, Kultur im Podium Düdingen; Fr. 06.05.22, 20:00, Salle du Lignon Vernier;

Fr. 13.05.22, 19:30, KKThun; Di. 14.06.22, 19:30, Vaduzer Saal.

02.04.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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