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SOLOTHURN/ Stadttheater: I CAPULETI E I MONTECCHI

19.11.2021 | Oper international

17.11.2021:   Stadttheater Solothurn  : „I CAPULETI E I MONTECCHI“  

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Gustavo Quaresma, Josy Santos, Franco Trinca, Aoife Gibney.

     Vorausschicken muss ich, daß ich ein großer Fan des TOBS ( Theater Orchester Biel Solothurn ) bin – einer wunderbaren Theatergemeinschaft, die Theater und Oper aus den beiden sympathischen Städten am Hange des Jura auch hinaus „in die Fläche“ bringt, durch Gastspiele schweizweit bis u. a. ins Wallis. Ich erinnere mich an einen köstlichen „Fra Diavolo“ , an eine bemerkenswerte „Pirata“- Aufführung mit Marion Amann, die nun im Wagner Fach reüssiert, an einen beeindruckenden „Macbeth“ mit blendendem Duo Corinne Sutter – Michele Govi, oder vor gar nicht allzu langer Zeit mit den sonst kaum aufgeführten Offenbach`schen  „Rheinnixen“ und einer hinreissenden, köstlichen „Cenerentola“ ( im Waschsalon des Don Magnifico spielend, „aktualisiert“, aber mit Witz und Charme und auch musikalisch hervorragend ).

     Leider konnte dieser Abend da bei Weitem nicht mithalten, er wurde dem herrlichen Bellinischen Werk kaum gerecht. Eine häßliche, vulgäre Inszenierung, die Bellini und Romani in keiner Weise nur annähernd dienlich war, ließ von Haus aus keine gute Stimmung aufkommen. Yves Lenoir war dafür verantwortlich, der in einem nichtssagenden Bühnenbild ( Bruno de Lavenere ) in der Jetztzeit (?) – die Choristen schienen ihre private Ballkleidung zu verwenden ( Kostüme: Jean-Jacques Delmotte ), Romeo war furchtbar hergerichtet, das weisse Ball/Brautkleid der Giulietta war hinten lang,  vorne Supermini ausgeschnitten – mit Revolvern, Maschinengewehren herumfuchteln ließ, beim belcantoseligen Duett der beiden Liebenden die Beiden zumeist durch einen Schnürevorhang trennte und ein weisses (Engels- ?? )Flügelpaar herumreichen ließ – was durchaus wie auch einige anderen Aktionen, auf die ich gar nicht eingehen möchte, zu einigen Lachern im Publikum führte. Giulietta war schon anwesend, als sie – laut Libretto – noch gar nicht zu erscheinen hätte : aber das kümmert Regisseure mit ihren eigenen Ideen heute ja wenig. Sie war als kettenrauchendes, unsympathisches und saufendes Mädchen dargestellt – kaum verständlich, warum diese die große Liebe des Romeo hatte werden können. Eine Zumutung für die Interpretin, dass sie im äußerst freizügigen Mieder des längeren herumhüpfen musste – aber auch Capellio musste einen Auftritt in knappem, schwarzem Slip mit übergeworfenem, aber offenem Bademantel absolvieren: unnötig, keine „neuen Aspekte“ eröffnend!  Weitere Details ( natürlich wird das „Gift“ von Lorenzo mit der Injektionsnadel gespritzt) möchte ich mir und dem werten Leser ersparen, nur soviel noch:  im letzten Bild , als Romeo sich von der scheintoten Giulietta verabschiedet,  kommt die „pumperlgsund“ , setzt sich auf einen ganz normalen Sessel an der Rampe und liest mit gelangweiltem Gesichtsausdruck in einem Buch , als sie dann singen muss, da steht sie schon auf und geht zu Romeo um das Finale zu bestreiten… Als die Sache aus war, dauert es einige Zeit, bis der Applaus anfängt… ganz sicher nicht aus „Ergriffenheit“.

Applaudiert wird dann schon kräftig, schade, dass das (kleine ) Haus bei Weitem nicht voll war. Auffallend war auch das praktisch völlige Fehlen von jungen Leuten, wie es mir in diesem Ausmaß noch nirgends aufgefallen ist –  merkwürdig. Auch der Chor des TOBS ( Einstudierung Valentin Vassilev) wies einen auffallend hohen Altersschnitt auf – aber er machte seine Sache sehr gut, sowohl darstellerisch, als auch musikalisch!

       Womit wir endlich beim musikalischen Teil angelangt wären. Franco Trinca, der langjährige Chefdirigent am Haus, den ich als kundigen Orchesterleiter oftmals erlebt habe, konnte mich diesmal leider nicht überzeugen. Möglich, daß es auch an den beengten Platzverhältnissen im Orchestergraben und an der Positionierung der Blechbläser lag, aber er ließ es diesmal kräftig tuschen, feine , subtile Nuancen, von denen diese Art von Belcanto-Opern leben waren Mangelware. Es fehlte der „lange Atem“, die „unendliche Melodie“ , die auch Richard Wagner an diesem sizilianischen Klangzauberer so begeistert hat.  Beispiel gefällig?  Romeos Klage „Deh tu bell`anima“ im letzten Bild ist eine wunderbare, zu Tränen rührende Melodie, die wirkt, wenn sie möglichst einfach und auf  langem Atem gesungen wird. Die wurde zerteilt, mit piani und pianissimi im Fluß gestört, völlig ihrer Wirkung beraubt – wie schade!! Sowas darf ein Maestro einfach nicht zulassen.  Die pastose, schön timbrierte Stimme zur erfolgreichen Interpretation hätte die als Romeo einen persönlichen Erfolg feiernde Brasilianerin Josy Santos sehr wohl. Auch in der Höhe sitzt ihr gut ausgebildeter Mezzo ausgezeichnet und sie ist engagiert bei der Sache. Brava! ( Störend, aber dafür kann sie nichts, dass sie einige Male dümmlich höhnisch lachen muss – wir sind nicht im Verismo!) Auch das zweite „As“ des Abends kommt aus Brasilien: Gustavo Quaresma ist hier ja kein Unbekannter und lieferte einen exzellenten Tebaldo ab. Sein Tenor besticht durch gute Phrasierung und glänzende Höhen, die er gleich in seiner Arie und der Cabaletta zündet. Zum Höhepunkt des Abends gerät dann auch das große Duett der Beiden! Um die Giulietta war es leider nicht ganz so gut bestellt. Die aparte Irin Aoife Gibney sang ihren Part – wohl behindert durch ihr unsinniges Treiben – exakt und klar – es fehlte aber der süßlich –sinnliche Schmelz, die Leichtigkeit der Tongebung. Die an sich interessante Stimmfarbe kam durch eine gewisse Steifheit und ein zeitweiliges Vibrato in der Höhe nicht so zur Geltung, wie es sein könnte.( Erstaunlicherweise klangen die paar wenigen Sovvracuti dann viel besser) – diese Mängel wären aber sicher auszumerzen, was man der jungen Künstlerin nur wünschen kann. Als Capellio und Lorenzo ergänzten Daniel Reumiller und Jonathan Macker.

 Michael Tanzler

 

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