Paul Burkhard: Casanova in der Schweiz • Theater Orchester Biel Solothurn, Stadttheater Solothurn • Premiere in Solothurn: 29.09.2021
(4. Vorstellung • Premiere in Biel am 13.09.2021)
Casanova für alle
Nachdem coronabedingt in der vergangenen Saison nur eine Pressepremiere stattfinden konnte (und danach gar nicht mehr gespielt werden durfte), kann das TOBS seine «Ausgrabung» zum 2000. Geburtstag der Stadt Solothurn, das «Abenteuer in fünf Bildern» «Casanova in der Schweiz» von Paul Burkhard (1911-1977) nun endlich auch dem Publikum präsentieren. Und in den zehneinhalb Monaten seit der Pressepremiere ist die Produktion merklich gereift.
Foto © Suzanne Schwiertz
Paul Burkhards «Casanova in der Schweiz» wurde mitten im Zweiten Weltkrieg am 20. Februar 1943 am Stadttheater (heute: Opernhaus) Zürich uraufgeführt. Der 1911 in Zürich geborene Burkhard erwies sich als musikalische Frühbegabung und verdiente sein erstes Geld mit der Musik bereits im Alter von fünf Jahren. Über das Improvisieren entdeckte er das Komponieren und besuchte später parallel zum Gymnasium das Konservatorium (Klavier, Cello und Komposition) in Zürich. Mit 21 wurde er Korrepetitor und Kapellmeister am Stadttheater Bern. Bereits zu dieser Zeit hat er «einfach für jede Gelegenheit etwas komponiert». So entstanden Schlager, Chansons und ganze Revuen. Mit der am 30. November 1935 am Stadttheater Zürich uraufgeführten Revue-Operette «Hopsa» hat Burkhard seinen Durchbruch. Den nächsten grossen Erfolg hat Burkhard mit seiner Dialekt-Komödie «Der schwarze Hecht» (1950 auf deutsch als «Das Feuerwerk), woraufhin ihn Oskar Wälterlin, der Regisseur der Uraufführung, als musikalischen Leiter und Komponist ans Schauspielhaus Zürich engagiert. Burkhards reichhaltiges Schaffen im Bereich der populären Musik war so vielfältig («Bei einem Spezialgebiet zu bleiben, das hätte ich ja gar nicht ausgehalten!») und erfolgreich, dass er auf die Unterhaltungsmusik reduziert zu werden drohte. Dem wollte er mit dem Casanova entgegentreten: «Ein schwerer Weg steht mir bevor, ich muss zu einem Stil kommen, der grosse Volkstümlichkeit mit bester Kunstarbeit vereint.»
Die Musik des Casanova erinnert über weite Strecken an Puccini, Richard Strauss und, Burkhard erwies als absolut auf der Höhe seiner Zeit, an die Musik der Filme jener Dekade aus den Häusern Präsens und Gloria. Burkhard gelingen immer wieder atmosphärische dichte Momente und Musik, die weit mehr als nur situative Untermalung ist. Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn unter Leitung von Francis Benichou hat einen grossartigen Abend: Traumhaft klangschön setzt es Burkhards Partitur höchst konzentriert und lebendig um.
Georg Rooterings schlichte Inszenierung lässt dem Stück Raum zu atmen und den Sängern zum Gestalten ihrer Charaktere. Das Bühnenbild von Vazul Matusz zeigt einen unbestimmten Innenraum mit zwei verschiebbaren Wänden aus durchsichtigem Stoff. Das Mobiliar und Videoprojektionen wie die prachtvollen, klassischen Kostüme von Rudolf Jost schaffen die Atmosphäre.
Simon Schnorr ist mit prächtigem Bariton und intensiver Bühnenpräsenz ein grossartiger Casanova. Konstantin Nazlamov gibt seinen treuen Begleiter, den Diener Leduc. Rebekka Maeder singt mit wunderbarem, leicht dramatischem Sopran die Madame de ***, Wolf Latzel mit seinem Charakter-Bariton ihren Gatten Monsieur de ***. Judith Lüpold als Madame Latente ist schlicht eine Wucht. Die beiden anderen Damen, die Casanova in Zürich trifft, werden höchst lebendig von Lysa Menu (Binz), und Julia Andersson (Glutz) gegeben. Céline Steudler als Die Dubois, Horst Lamnek (angesagt) als Chavigny / Der Fürstabt, Martin Mairinger als Lebel, Nuno Santos als Ein Kellner / Lakai und Tereza Kotlanova als Eine Servante / Wirtin
Eine Entdeckung! Und was für eine!
Weitere Aufführungen: https://www.tobs.ch/de/musiktheater/stuecke/stueck/prod/605/.
29.09.2021, Jan Krobot/Zürich