Daniel Andres: Derborence • Theater Orchester Biel Solothurn im Stadttheater Solothurn • Solothurner Premiere: 31.10.2024
(3. Vorstellung • Uraufführung und Bieler Premiere am 26.10.2024)
Ein beeindruckender Abend
Während moderne Opern andernorts für leere Reihen sorgen, sorgen sie beim TOBS für ausverkaufte Häuser. Nach «Eiger» (Saison 2021-2022) und «Heidi feiert Weihnachten» (Saison 2023-2024) sind wieder die Berge und ihre Bewohner das Thema.
Foto © Joël Schweizer
Daniel Andres (Text und Musik) führt uns zurück ins Jahr 1749 und die Walliser Alpen. Der frisch verheiratete Antoine, sein Schwiegervater Séraphin und die Männer aus dem Dorf (vermutlich Conthey) haben das Vieh auf die Sommerweide Derborence getrieben. Eine Woche nach ihrer Ankunft ereignet sich ein gewaltiger Bergsturz (50 Mio. Kubikmeter Gestein über gut 800 Höhenmeter). Der junge Justin berichtet am Morgen danach, niemand habe das Unglück überlebt. Zwei Monate später aber erscheint im Dorf eine weisse Gestalt. Antoines Gattin Thérèse erkennt als erste, dass es ihr Mann und nicht ein Wiedergänger ist. Antonie will nicht glauben, dass niemand überlebt habe: er habe sich nach dem Bergsturz doch noch mit seinem Schwiegervater Séraphin unterhalten. Nach dem zweiten Bergsturz (erster Bergsturz 1714) will keiner Antoine auf Derborence begleiten. Allein die schwangere Thérèse folgt ihm.
Vorlage für den Text von Andres Oper ist der Roman «Derborence» des Schweizer Schriftstellers Charles Ferdinad Ramuz (* 24. September 1878 in Lausanne; † 23. Mai 1947 in Pully), der wichtigsten Stimme der Schweizer Literatur in französischer Sprache. «Derborence» («Bergsturz auf Derborence») befasst sich mit dem ersten Bergsturz im Jahre 1714. Die beiden Bergstürze haben mit ihren enormen Geröllmassen Gebirgsbäche aufgestaut und zwei Seen entstehen lassen. An deren Ufern entstand so, da der vorherige Baumbestand vernichtet und der Wald nach den Ereignissen nicht mehr bewirtschaftet wurde (Aberglaube und schlechte Erreichbarkeit), der jüngste Urwald der Schweiz.
Intendant Dieter Kaegi (Inszenierung) setzt die acht Szenen klar und deutlich um und lässt die Emotionen der Figuren und die Musik für sich sprechen und setzt das den Bergen und ihrer Bevölkerung eigene Tempo eindrücklich um. Besonders bewegend gestaltet er den Beginn: Nach und nach, als Referenz an den Bergsturz von 1714, knallen Holzbalken kreuz und quer auf die Bühne (Bühnenbild und Kostüme: Francis O’Connor). Dann kommen die Hirten vom Tagwerk zurück und legen sich am verglimmenden Feuer nieder: man glaubt die Wärme des Feuers zu spüren und den Duft des Harzes zu riechen. Mario Bösemann trägt mit seiner virtuosen Lichtgestaltung enorm zum bewegenden Eindruck des Abends bei.
Foto © Joël Schweizer
Das Sinfonieorchester Biel Solothurn unter musikalischer Leitung von Yannis Pouspourikas bringt die kurze (60 Minuten), düstere Partitur bestens zum Klingen und lässt so die nicht wortbaren Emotionen der Protagonisten wie des Kollektivs der Dorfbewohner (Chor TOBS!; Chorleitung: Valentin Vassilev).
Samy Camps gibt mit starkem Tenor den Kämpfer Antoine, Mischa Schelomianski mit eindrucksvollem Bass den Séraphin. Julia Deit-Ferrand ist eine spür- und hörbar charakterstarke Thérèse. Katerina Hebelkova gibt ihre Mutter Philomène. Flurin Caduff als Nendaz, Fabian Meinen als Justin und Konstantin Nazlamov als Président ergänzen das Ensemble.
Ein beeindruckender Abend!
Weitere Aufführungen:
Biel: Mi. 13.11.24 19:30 – 20:30; Fr. 15.11.24 19:30 – 20:30: Di. 19.11.24 19:30 – 20:30.
Solothurn: Sa. 02.11.24 19:00 – 20:00; Di. 05.11.24 19:30 – 20:30; Fr. 29.11.24 19:30 – 20:30.
01.11.2024, Jan Krobot/Zürich