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SOFIA: TRISTAN UND ISOLDE und PARSIFAL. Kurzberichte

13.07.2019 | Oper

SOFIA: Kurzbericht TRISTAN UND ISOLDE sowie PARSIFAL – WA 10. und 12. Juli 2019

Das Sommer-Wagner-Festival an der Sofia Opera and Ballet unter der Leitung von Prof. Plamen Kartaloff, dem großen Initiator der Wagnerschen Spätwerke auf dem Balkan, ist dieses Jahr mit Wiederaufnahmen von „Tristan und Isolde“ und „Parsifal“ in seine mittlerweile 7. Runde gegangen. Wieder kamen viele Gäste aus dem Ausland, so eine große Gruppe zum „Parsifal“ heute Abend aus Großbritannien – noch besteht ja Reisefreiheit – und auch wieder das mittlerweile schon berühmte, überaus elegante Ehepaar aus New York, das auch beim Sofioter „Ring“ in Füssen war und ganz begeistert von den Inszenierungen Kartaloffs ist.


„Tristan und Isolde“ 3. Aufzug Tristan und Kurwenal, Copyright: Svetoslav Nikolov

Dieser konnte den international bekannten Dirigenten Constantin Trinks gewinnen, einem Rat seines 2017 leider verstorbenen großen Freundes Richard Trimborn folgend. Was das Orchester der Sofia Opera, ohnehin schon seit Jahren mit der Musik Richard Wagners vertraut, an diesen beiden Abenden leistete, war das weitaus Beste, was ich hier in den letzten Jahren gehört habe. Trinks konnte das Orchester zu unglaublicher musikalischer Sensitivität und Transparenz animieren, bei einem praktisch fehlerfreien und äußerst engagierten Vortrag. Der musikalische Teil war neben den beiden einnehmenden und aus der Partitur erarbeiteten Inszenierungen Kartaloffs mit Abstand das Beste beider Abende.

„Tristan und Isolde“ Finale – König Marke mit Brangäne, bei Tristan und Isolde, Foto: Svetoslav Nikolov

Als Tristan wuchs Martin Iliev mit seiner leicht depressiven Aura insbesondere im 3 . Aufzug über sich hinaus. Er spielte nicht nur den Tristan, er  w a r  Tristan mit Leib und Seele. Dazu kam sein klangvoller, besonders für diese schwere Rolle geeigneter Heldentenor. Die eher jugendlich dramatische Sopranistin Radostina Nikolaeva sah als Isolde im 1. Aufzug ihre stimmlichen Grenzen, konnte aber im 2. und erst recht mit ihrem auch emotional beeindruckenden Finale weitgehend überzeugen. Jukka Rasilainen, bewährter Wagnersänger an fast allen großen Häusern, war eine Luxusbesetzung für den Kurwenal und dokumentierte hohe, über lange Jahre gewachsene Gesangskultur. Petar Butchkov war ein etwas zu rauer Marke und Cveta Sarambalieva eine etwas zu spröde klingende Brangäne.


Schlussapplaus „Tristan und Isolde“, Copyright: Svetoslav Nikolov

In der wirklich beeindruckenden „Parsifal“-Inszenierung konnte Plamen Kartaloff belegen, dass man Wagners Abschlusswerk, wenn es gut gemacht ist, auch immer noch den Regieanweisungen gemäß inszenieren kann, ohne damit als altmodisch zu gelten. Hier wird eben einfach mit viel Herz und Liebe zum Stück vorgegangen. Allein schon, wie intensiv Parsifal im 3. Aufzug den Speer behandelt und kaum aus den Händen gibt, war ein – wenn auch nur dezenter – Beleg für dieses Konzept. Nahezu genial ist aber Kartaloffs Idee, den Gral als bühnenhohe Kelch-Andeutung mit zwei konisch aufeinanderzulaufenden Segmenten aus der einfachen Drehung dicker Seile zu formen. Im Finale sind diese Lichtsäulen, unter denen Parsifal als neuer Gralskönig mit vom geheilten Amfortas übergebener Krone und erhobenem Speer steht, grell von den um ihn wie die Artus-Runde à la Wieland Wagner im Kreis stehenden Rittern abgesetzt. Ein Schlussbild von berührender Seltenheit…

Stimmlich war der „Parsifal“ etwas schwächer als der „Tristan“. Kostadin Andreev, optisch ein idealer Parsifal und bewährter junger Siegfried in Sofia, sang mit einem allzu baritonal gefärbten Tenor oft zu tief und mit Vokalverfärbungen, bei gleichwohl emotional intensiver Darstellung der Titelrolle. Angel Hristov hat mit seinem prägnanten Bass bei guter Diktion eher eine Hagen-Stimme als die des Gurnemanz, bei der es etwas mehr an samtenem Klang sein dürfte. Gergana Rusekova war als Kundry in der Mittellage durchaus überzeugend, verlor in den Höhen aber jeglichen stimmlichen Klang. Von Diktion konnte dann auch keine Rede mehr sein. Die Verführung Parsifals gelang ihr dennoch gut, zumal hier auch der Reifeunterschied beider Figuren erlebbar war. Biser Georgievs Stimme scheint nach den vielen Alberichen etwas kleiner geworden zu sein, und es mangelt auch an Resonanz. Darstellerisch war er finster wie immer in seinen Bösewicht-Rollen. Der Beste des Abends war jedoch wieder einmal – zumindest für mich – der junge Bassbariton Atanas Mladenov als Amfortas, der ein weiteres Mal seinen klangvollen Bassbariton bei bester Diktion und großem stimmlichem Ausdruck hören ließ. Ein vielversprechendes Talent in Kartaloffs „Wagner-Kader“. Dieser Sänger hat m.E. eine große internationale Karriere vor sich. Auch der wie immer von Violeta Dimitrova einstudierte Chor der Sofia Opera and Ballet war an beiden Abenden stimmstark und imposant.


Finale „Parsifal“, Copyright: Svetoslav Nikolov

Das Orchester konnte mich unter der Stabführung von Constantin Trinks an diesem Abend noch mehr beeindrucken als beim „Tristan“. Die so spezifisch erhabene klangliche „Parsifal“-Ästhetik kam zu voller Entfaltung mit Trinks‘ sensiblem und sängerfreundlichem Dirigat, aber auch bei seiner Akzentuierung dramatischer Momente, wenn niemand mehr auf der Bühne war oder singen musste, wie beispielsweise bei der Verwandlungsmusik im 3. Aufzug. Mit dieser Leitung muss das Sofioter Orchester keinen Vergleich mit ähnlich bedeutenden Orchestern in Westeuropa scheuen. (Detaillierterer Bericht folgt in Kürze).

Klaus Billand aus Sofia

 

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