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SOFIA/ Oper und Ballett: THE HERMIT OF RILA – Ein musikalisches Gedicht als bulgarisches Seelendrama. Uraufführung

12.05.2023 | Oper international

SOFIA: THE HERMIT OF RILA – UA am 10. Mai 2023

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Copyright: Sofia Oper und Ballett

 Ein musikalisches Gedicht als bulgarisches Seelendrama

Bulgarien ist ein Land mit großer und von seinem Volk auch zutiefst erlebter Mystik. Man merkt das überall im Zentrum der Hauptstadt Sofia, an den vielen christlich-orthodoxen Kirchen, aber auch an den umfangreichen und scheinbar nie zum Ende kommenden römischen und früheren Ausgrabungen. Wer immer nach Bulgarien kommt, wird früher oder später auf die zahlreichen christlich-orthodoxen Klöster im Lande aufmerksam und die bedeutendsten auch besuchen – sozusagen ein „Must“ hier. Das wohl bedeutendste dieser Klöster ist das relativ nahe bei Sofia im Vitosha-Bergmassiv gelegene Kloster Rila, das nach dem Heiligen Johannes von Rila benannt ist, der, um 876 geboren, nach einer Odyssee durch die Wälder und Berge des Landes in der zentralen Sredets-Region zieht, auch zum Osogovo-Berg, dem Struma-Fluss, ins Vitosha-Gebirge und somit in die Gegend um Rila einsiedelt. Hier findet er seinen letzten Aufenthaltsort und wird später aufgrund seiner enormen Bedeutung für das Selbstverständnis und wohl auch Selbstwertgefühl Bulgariens, damals ein Königreich, zum Heiligen ernannt. St. Johannes hatte es zu einigem Wohlstand gebracht, verzichtete aber auf jegliches weltliche Leben, gab seine Güter den Armen, um als Eremit in Höhlen weit weg der Zivilisation zu ziehen, wo ihn gleichwohl ähnlich Denkende besuchten und auch teilweise folgten.

Die Sofia Oper und Ballett, die schon vor einigen Jahren eine Nationaloper mit großem heimatlichem Gehalt herausbrachte, i.e. „Yana und ihre neun Brüder“ von Ljubomir Panajotow Pipkov, hat nun das Thema des Eremiten von Rila, also „The Hermit of Rila“ in einer szenischen Adaptation ihres General-Direktors, Prof. Plamen Kartaloff und von Vera Petrova, Produktions-Direktorin, als Uraufführung aufgegriffen. Vater Kiril Popov (1955) hatte zum Text von Tihomir Pavlov (1880-1937) ein sog. „musikalisches Gedicht“ (a musical poem) komponiert. Popov hat u.a. in Moskau Dirigieren und Kirchengesang studiert und gehört seit 2012 der Vereinigung der Bulgarischen Komponisten an.

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Copyright: Sofia Oper und Ballett

Die Musik mit romantischen Grundzügen und vornehmlich von einem breiten Streichersatz bestimmt, führt thematisch in die Wälder und Berge Bulgariens – und damit in die neue Heimat St. Johannes‘ – die in einer ebenso romantischen Bilderfolge durch das Multimedia Design von Rosen Dimitrov stimmungsvoll eingeblendet werden. Sie strahlen damit eine große innere Ruhe aus, die das Hauptthema des ganzen musikalischen Gedichts ist – die innere und auf andere wohltuend wirkende Ruhe des Eremiten St. Johannes. Dieser hat sich voll und ganz Gott verschrieben und erbittet dessen Gnade und Wohltaten für das damals schon durch Verteilungs- und Machtkämpfe in innere Schwierigkeiten geratene Volk der Bulgaren. So wirkt das Stück wie Balsam auf offenbar damals im Volk entstehende Wunden und transportiert eine tiefe nationale bulgarische Identität und Gemütslage.

Das Stück hat zwei Akte, die im Wesentlichen das Leben des jungen Johannes und im zweiten jenes des alten Johannes als Eremit behandeln. Es weist im Prinzip einen oratorienhaften Stil auf, mit Herrenchören und kleineren Damenchören, die im Wesentlichen Gott in Lobgesängen preisen. Die Chöre spielen damit auch vokal die erste Rolle und bewirken eine ausgeprägte Statik. Das Stück wird aber immer wieder durch opernhafte Aktivitäten belebt. Schon der junge Johannes wird von dem talentierten Bassbariton Atanas Mladenov (u.a. Amfortas in Sofia) gesungen, was auch längere Monologe beinhaltet. Der alte Johannes wird von einem Schauspieler, Iriney Konstantinov, als Sprechrolle verkörpert. Dieser agiert aber immer wieder auch mit Opernsängern im Dialog. So tritt im 2. Akt König St. Petar in rotem Königsgewand mit Krone, Respekt einflößend, aber sehr zurückhaltend, zum alten Johannes und bittet ihn um Rat für seine Regierung, die sich in ernsten Problemen befindet. Angel Hristov (u.a. Hagen in Sofia) singt die Rolle mit seinem kraftvollen Bass in der Tat königlich.

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Copyright: Sofia Oper und Ballett

Einmal taucht der Bruder des Eremiten auf, der seinen kleinen Sohn Luke sucht, der Johannes besucht hat. Der Bruder gerät darüber in eine Auseinandersetzung mit dem Eremiten. Veselin Mihaylov singt diese recht opernhafte Szene engagiert und muss später den Tod seines Sohnes durch einen Schlangenbiss hinnehmen, als er ihn vom Mönch wegtragen will… Man denkt unwillkürlich an den Erlkönig. Der in Sofia als Wotan bekannte Nikolay Petrov singt Vater Auxentius, der dem Novizen die erste Unterweisung gibt. Als der alte Johannes im Bühnen-Nebel verschwindet, sein Leben also geendet hat, kommt eine Engelschar junger Damen und besingt seine Meriten sowie die Hoffnung auf sein ewiges Leben. Die Chorleitung lag wie immer in Sofia in den bewährten Händen von Violeta Dimitrova. Die Bühnenbilder schuf Nela Stoyanova, die ganz der damaligen Zeit verschriebenen Kostüme Marta Mironska und die phantasievolle Lichtregie Emil Dinkov.

Seine Eminenz, der Metropolit von Stara Zagora, Cyprian, ausgebildeter Dirigent der orthodoxen Amtskirche dieser Stadt im Osten des Landes, dirigierte das Orchester der Sofia Oper und Ballett mit großer innerer Ruhe und – man meinte es ihm anzumerken – größtmöglichem Respekt vor der Komposition und dem sehr religiös strukturierten Stück. Er bekommt mit dem Komponisten Kiril Popov am Ende auch den größten und herzlichsten Applaus. Das Haus war fast ausverkauft, und viele Vertreter der christlich-orthodoxen Kirche Bulgariens waren bei dieser Welt-Premiere zu sehen. Für sie muss es ein ganz besonderes Erlebnis gewesen sein…                                                                    

 

Klaus Billand                                                                                                                                

 

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