Falstaff in Sofia: Eine Hommage an Verdi mit Lucio Gallo in der Titelrolle
Lucio Gallo als „Falstaff“. Copyright by Opera Sofia and Ballett
Am 28. Februar 2025 erlebte das Publikum in der Nationaloper Sofia eine weitere Premiere von Verdis „Falstaff“, diesmal mit einer völlig neuen Besetzung und der ebenso beeindruckenden Inszenierung von Marco Gandini. Diese Neuaufführung, die sich einer ganz anderen Darbietung und einer frischen Energie erfreute, bewies einmal mehr die Vielseitigkeit von Gandinis künstlerischer Vision.
Die Inszenierung blieb in ihrer klassischen Ausrichtung treu zu Gandinis bereits bewährtem Ansatz, wobei die Komik der Oper auf wundervolle Weise entfaltet wurde, ohne in Klamauk zu verfallen. Jeder Charakter war klar und authentisch gezeichnet, und die humorvollen Elemente wurden in einem geschickt dosierten Maß präsentiert, sodass die tiefere Bedeutung und die Gesellschaftskommentare von Verdi stets präsent blieben. In der Bühnengestaltung zeigte sich eine bemerkenswerte Balance zwischen traditionellen Elementen und einer frischen Interpretation, die die Szenen mit einer lebendigen Leichtigkeit füllte, ohne die zeitlose Eleganz der Oper zu gefährden. Die Aufführung zeigte, wie gut sich die Komik und der tiefere gesellschaftliche Subtext der Oper miteinander verbinden lassen, ohne dass einer der beiden Aspekte unter dem anderen leidet. In dieser Inszenierung wurde die humoristische Kraft von Verdis Werk in den Dienst einer tiefgründigen Betrachtung menschlicher Schwächen und Stärken gestellt.
Das Bühnenbild von Italo Grassi, das die Szenen raffiniert in Szene setzte, und die prachtvollen Kostüme von Anna Biagiotti verliehen der Aufführung einen nahezu greifbaren historischen Glanz. Biagiotti, bekannt für ihre exzellente Arbeit, setzte Verdis Epoche mit einer erlesenen Detailtreue und einer ästhetischen Pracht um, die die Zuschauer in eine vergangene Zeit versetzten. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten verstärkte dabei die dramatische Intensität und die Dynamik der Darstellung, was sowohl die Komik als auch die subtileren Momente der Oper verstärkte.
In der musikalischen Leitung war Grigor Palikarov am Pult wieder ein verlässlicher Begleiter der Sänger. Mit seinem feinen Gespür für die Balance zwischen Orchester und Solisten sorgte er für ein spritziges, nuanciertes Dirigat, das die pulsierende Energie und die unnachgiebige Komplexität der Musik überzeugend zur Geltung brachte. Das Orchester der Nationaloper Sofia gefiel dabei mit einem ausgewogenen, sängerfreundlichen Klang, der sowohl die lebhaften Passagen als auch die intimen Momente der Oper mit Präzision und Feingefühl unterstützte.
In der Hauptrolle gastierte Lucio Gallo als Falstaff. Gallo ist ein ganz anderer Falstaff als sein Kollege am Vorabend und zeichnet seine Rolle als alters weisen, etwas ermatteten Schürzenjäger. Seine Vitalität ist sichtlich in die Jahre gekommen. Mit seinem feinsinnigen Spiel und seiner kraftvollen Stimme füllte er die Bühne mit einer Mischung aus Humor, Charme und einer unterschwelligen Tragik, die den Charakter des Falstaff zu einer vielschichtigen Figur machte. Deutlich wurde bei Gallo hingegen ein Gefühl der inneren Distanz zu diesem besonderen Charakter, sodass er nicht so energetisch wirkte wie sein Vorgänger.
Das Damen-Quartett. Copyright by Opera Sofia and Ballett
In der Rolle der Alice brachte Milla Mihova eine starke Bühnenpräsenz und stimmliche Sicherheit mit, die ihre Interpretation überzeugend wirken ließ. Ihr Sopran hat ein schönes, wohltönendes Timbre und blüht in der Höhe prächtig auf. Atanas Mladenov als Ford gestaltete seine Rolle mit Autorität und verletzlicher Menschlichkeit. Mit viel Engagement und feurigem Gesang gab er seiner Rolle ein scharfes Profil. Dazu gewann er seiner Stimme viele Farben ab, sodass sein Gesang facettenreich zu erleben war. Darstellerisch wirkte er aktiv und jederzeit überzeugend. Vor allem vermittelte seine facettenreiche Mimik Fords cholerischen Charakter äußerst glaubwürdig. Somit bot er einen starken Kontrast zu Falstaff.
Stanislava Momekova als Nannetta war mit ihrer klaren Stimme und süßen Ausdruckskraft eine liebreizende Nannetta mit beseeltem Spiel. Der italienische Tenor Rino Matafù, der als Fenton debütierte, beeindruckte mit einer glänzenden, stimmlich strahlenden Darbietung. Matafù zeigte eine präzise Technik und ein ansprechendes emotionales Engagement, das ihn zu einem vielversprechenden jungen Künstler macht. Besonders beeindruckend war seine Musikalität, die sich in seiner musikalischen Feinzeichnung unter Verwendung von Mezzavoce zeigte.
Die Rolle der Quickly, die in dieser Inszenierung von Vesela Yaneva mit Leben erfüllt wurde, ist von zentraler Bedeutung für die Struktur der Oper. Als die Drahtzieherin der Intrigen und Manipulationen unter den anderen weiblichen Charakteren trägt sie maßgeblich zur Entwicklung der Handlung bei. In dieser Aufführung wurde Quickly nicht nur als eine schelmische und lebenslustige Figur dargestellt, sondern auch als eine Frau, die in der Lage ist, die anderen Charaktere zu lenken und deren Handlungen entscheidend zu beeinflussen. Dabei ist es sie nicht zu fein, ihre körperlichen Reize bei Falstaff offensiv einzusetzen. Yaneva meisterte diese Herausforderung mit Bravour, indem sie der Rolle sowohl Schärfe als auch eine gewisse menschliche Tiefe verlieh. Ihre Stimme, klar, ausdrucksstark, während sie die Intrigen mit einem Hauch von Schalk und Witz vorantrieb. Ihre Darstellung ließ die Macht und den Einfluss von Quickly in einer sehr dynamischen Weise spürbar werden, wobei sie sowohl ihre Vertrautheit mit den anderen Figuren als auch ihre unerschütterliche Kontrolle über die Ereignisse präsentierte.
Die weiteren Partien Alexandrina Stoyanova-Andreeva als Meg, Angel Antonov als bühnenstarker Dr. Cajus, Plamen Dimov-Grandzhan als Bardolfo und Nikolay Voinov als profunder Pistola mit lustiger Körpersprache, trugen ebenfalls entscheidend zur Qualität des Gesamtbildes bei. Besonders in den kleineren Rollen fiel die Feinheit der Interpretation auf, die nicht in den Hintergrund trat, sondern das Gesamtgefüge auf eine subtile Weise bereicherte. Hier gelang besonders Angel Antonov mit seinem markanten Dr. Cajus ein ungewöhnlich starkes Portrait, mit dem er seine Rolle deutlich aufwertete.
Copyright by Opera Sofia and Ballett
Die zweite Premiere von „Falstaff“ an der Nationaloper Sofia war, ähnlich wie die erste, ein gefeiertes Ereignis, das sowohl das Orchester als auch die Solisten auf hohem Niveau präsentierte. Sie zeigte, wie tief Verdi in den Charakteren und der Musik verwurzelt ist und wie ein Regisseur die Balance zwischen Tradition und Innovation finden kann, um die Zeitlosigkeit seines Werks zu bewahren und zu bereichern. Die Nationaloper Sofia kann sich glücklich schätzen, dass sie in der Lage ist, ein so anspruchsvolles Werk mit zwei kompletten hervorragenden Besetzungen anzubieten. Dazu eine kluge, ästhetische Inszenierung, die für gute Laune sorgte und einen die verrückte Welt für ein paar Stunden vergessen lässt!
Dirk Schauß, 04. März 2025
Zweite Premiere von Verdis “Falstaff” an der Nationaloper Sofia am 28.02.2025
Fotos: Copyright by Opera Sofia and Ballett