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SOFIA/Nationaloper: TURANDOT – Eine imposante Inszenierung mit glänzenden Solisten und fesselnder Atmosphäre

12.01.2025 | Oper international

„Turandot“ an der Nationaloper Sofia: Eine imposante Inszenierung mit glänzenden Solisten und fesselnder Atmosphäre

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Copyright by Oper Sofia and Ballett

Am 10. Januar 2025 erlebte das Publikum der Nationaloper Sofia eine aufwühlende Aufführung von Puccinis „Turandot“, die nicht nur die beeindruckende Bühnenkunst Bulgariens zur Geltung brachte, sondern auch den hohen internationalen Standard dieser Institution unter Beweis stellte. Bereits seit Jahren ist Sofia ein Ort, an dem die große Tradition der „Turandot“-Interpretationen fortgesetzt wird – mit Stimmen, vor allem in der Titelpartie, die auf den großen Bühnen der Welt gefragt sind. In der aktuellen Aufführung trafen meisterhaft inszenierte Szenen auf eine unvergleichliche stimmliche Darbietung, besonders durch den gefeierten Jorge de León als Calaf.

Intendant Plamen Kartaloff brillierte mit seiner Inszenierung, die die Handlung klar im historischen Kontext verortet, dabei jedoch nie die Magie der Oper aus den Augen verliert. Er verzichtet auf unnötige Überfrachtung und bleibt stets nah an der Musik, was die dramatischen Höhepunkte noch verstärkte. Die Interaktionen zwischen den Charakteren waren durchdacht und logisch aus dem musikalischen Text abgeleitet, sodass die Handlung für das Publikum jederzeit verständlich und packend blieb. Die Führung der Massen ist klug durchdacht und stets im Schulterschluss mit dem musikalischen Geschehen, was die Wirkung erst groß macht. Kartaloff zeigt ein dunkles, bedrohliches China, die Angst ist allgegenwärtig. Es sind die Details, die diese Inszenierung besonders macht. Turandot ist erkennbar beeindruckt, als Calaf die Rätsel gelöst hat. Die Faszination an diesem Eroberer scheint geweckt und doch findet dieses seltsame Paar am Ende nicht zusammen. Turandot und Calaf stehen am Ende weit auseinander, während Calaf sich von ihr abwendet.

Ioanna Manoledakis Bühnenbild trug maßgeblich zur Intensität der Aufführung bei. Das Bühnenbild zeichnete sich durch eine imposante, mehrstöckige Architektur aus, die den Eindruck eines traditionellen chinesischen Palastes vermittelte. Der Thronbereich im ersten Akt, erhöht und flankiert von goldenen Paneelen, symbolisierte die Macht und Würde des kaiserlichen Hofes. Die Bühne war in verschiedenen Ebenen unterteilt, die durch filigrane Treppen und Brüstungen miteinander verbunden waren, was nicht nur für visuelle Tiefe sorgte, sondern auch die Dynamik der Szenen verstärkte. Die Beleuchtung spielte eine Schlüsselrolle: Warmes Gold und Rot unterstrichen die königliche Atmosphäre, während kühle Blau- und Grautöne die mystische und unheilvolle Seite der Erzählung hervorhoben. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten ermöglichte es, die Dramatik jeder Szene zu verstärken und die emotionalen Momente der Oper zu betonen.

Die Kostüme trugen zur Charakterisierung der Figuren bei und verstärkten den Gesamteindruck der Inszenierung. Besonders auffällig war das Gewand von Turandot, das in Schwarz und Gold gehalten war, sowie der aufwendige Kopfschmuck, der ihre kaiserliche Distanz und Unnahbarkeit betonte. Der Kontrast zwischen den opulenten Gewändern der Hauptfiguren und den einfacheren Kostümen der Nebenrollen schuf eine klare Hierarchie auf der Bühne. Der Chor, in schlichten, dunklen Kostümen gekleidet, trug zur anonymen, aber mächtigen Präsenz des Volkes bei, während rote Laternen, die sie trugen, visuelle Akzente setzten und die Szenen mit Farbe und Symbolik anreicherten.

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Jorge de León, als Calaf, war der einzige Gast in dieser Vorstellung – und er stellte einmal mehr seine herausragenden Fähigkeiten unter Beweis. Mit seiner kraftvollen, aber niemals übertriebenen Stimme, die jede Nuance der Partie souverän wiedergab, fesselte er das Publikum von der ersten Note an. Seine Darstellung des Prinzen war nicht nur vokal beeindruckend, sondern auch emotional tiefgründig. Ein echter Tenore eroico und kein Nemorino auf vokalen Irrwegen! Besonders die berühmte Arie „Nessun Dorma“ geriet zu einem atemberaubenden Moment, bei dem de León nicht nur seine technische Brillanz, sondern auch schöne Zwischentöne zeigte.

Zvetelina Vassileva in der Titelrolle brachte ihre langjährige Erfahrung und Vielseitigkeit in die Partie ein. Ihre Turandot wirkte verletzt und war von Kälte geprägt, die sie sowohl stimmlich als auch darstellerisch ausstrahlte. Vassileva überzeugte mit einer gut fokussierten Stimme, die die Herausforderungen der Rolle mühelos meisterte. Sie ist kein hochdramatischer Sopran, so dass ihre Stimme auch berückende leise Momente realisieren konnte. Ihre Darstellung der Prinzessin war eine Mischung aus Macht und Verletzlichkeit, was besonders in den intimen Momenten der Oper spürbar war.

Die weiteren Rollen waren ebenso exzellent besetzt. Stanislava Momekova als Liù war eine herzerweichende Figur, deren zarte Stimme die tragische Liebe zu Calaf eindrucksvoll zum Leben erweckte. Ihre beiden Arien waren Höhepunkte der Aufführung. Momekova wusste diese dynamisch fein abzustufen, sodass die Zuhörer merklich berüht waren. Hinreißend agierte das Trio der Minister Ping, Pang, Pong, denen Atanas Mladenov, Angel Antonov und Daniel Ostretsov charakteristische Stimmen und engagierte Darstellung gaben. Krassimir Dinev als der Kaiser Altoum und Svetozar Rangelov als Timur beeindruckten mit ihrer stimmlichen Präsenz und ihrem ausdrucksstarken Spiel. Und mit Vesselin Mihaylov, u.a. sonst gefeiert als Wotan und Scarpia, als Mandarin, war eine Luxusstimme aufgeboten.

Der Opernchor unter der Leitung von Violeta Dimitrova und der Kinderchor Talasumche in der Einstudierung von Dimitar Kostantsaliev präsentierten sich homogen, kraftvoll und mit viel Engagement. Besonders bei den Chorpassagen wurde die beeindruckende Präzision und Ausdruckskraft der Sänger deutlich, was die monumentale Atmosphäre der Oper verstärkte. Auch das Orchester unter Grigor Palikarov trug maßgeblich zum Erfolg der Aufführung bei. Die musikalische Begleitung war sowohl in den leisen, intimen Momenten als auch in den dramatischen Höhepunkten von einer exquisiten Feinheit. Palikarov verstand es fabelhaft, die Balance zwischen Orchester und Gesang zu halten, sodass die Sänger stets gut hörbar waren, ohne die Sänger zu übertönen. Die Musik schillerte in allen Facetten und entfaltete ihren unwiderstehlichen Sog. Das Publikum im ausverkauften Opernhaus zeigte sich völlig hingerissen und erhob sich von den Sitzen, um ausdauernd zu jubeln.

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Die Inszenierung von „Turandot“ an der Nationaloper Sofia war eine beeindruckende Darbietung, die sowohl musikalisch als auch szenisch auf hohem Niveau war. Die Darsteller, allen voran Jorge de León, Zvetelina Vassileva und Stanislava Momekova, haben mit ihren außergewöhnlichen Stimmen und darstellerischen Leistungen das Publikum in den Bann gezogen. Das Bühnenbild und die Kostüme schufen eine opulente und zugleich mystische Atmosphäre, die perfekt mit der Musik harmonierte. Der Dirigent Grigor Palikarov und der Chor trugen ebenfalls zu einer musikalischen Darbietung bei, die keine Wünsche offenließ. Diese Aufführung von „Turandot“ war ein würdiges Beispiel für die lange Tradition und den hohen künstlerischen Standard der Nationaloper Sofia.

Dirk Schauß, im Januar 2025

„Turandot“ an der Nationaloper Sofia am 10. Januar 2025

 

 

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