Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

SOFIA/ Nationaloper: Richard Wagner „Der Ring des Nibelungen“: DAS RHEINGOLD. Wagners „Ring“ in Sofia – Bildstarkes „Rheingold“

16.06.2024 | Oper international

SOFIA/ Nationaloper: Richard Wagner „Der Ring des Nibelungen“: DAS RHEINGOLD am 15.6.2024

Wagners „Ring“ in Sofia – Bildstarkes „Rheingold“

reing1
Foto: Copyright by Svetoslav Nikolov-Chapi

In der kulturellen Landschaft Europas hat sich das Sofia Opera Wagner Festival als eine bedeutende Veranstaltung etabliert. Das Festival, das von der Sofia Oper und Ballett unter der Leitung von Prof. Plamen Kartaloff, einem angesehenen Mitglied der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften, organisiert wird, feiert in diesem Jahr sein zweites Jubiläum. Seit 2010 widmet sich Kartaloff mit unermüdlicher Leidenschaft der Inszenierung von Wagners Werken in Sofia. In diesem Jahr präsentiert das Festival eine Neuproduktion von „Lohengrin“ und die Wiederaufnahme des monumentalen „Ring des Nibelungen“, dessen umjubelte Premiere bereits im Jahr 2023 stattfand. Der Auftakt zur Tetralogie, „Das Rheingold“, bildete am 15. Juni den Vorabend zu diesem epischen Musikdrama und setzte eindrucksvolle Akzente für die folgenden Aufführungen.

Für Plamen Kartaloff war die Eröffnung des diesjährigen Wagner Festivals ein bedeutsamer Moment. Kartaloff, der bereits seit über einem Jahrzehnt Wagners Werke in Sofia inszeniert, brachte eine Vision auf die Bühne, die sich auf die zyklische Entwicklung der Welt fokussiert, vom Moment der Geburt bis zum Tod der Menschen. Seine Inszenierung verband kraftvolle Musik mit cineastischen Zeit-Raum-Assoziationen und verschmolz verschiedene Kunstformen wie Philosophie, Dichtung, Theater, Malerei und Bildhauerei, um Wagners Kunstphilosophie zu interpretieren und seine Musik in zeitlichen und räumlichen Dimensionen zu visualisieren.

Der Wiener Bühnenbildner Hans Kudlich erwies sich als idealer Partner für Kartaloffs Konzept. Kudlichs Schöpfungen dominierten die Bühne mit drei Kreisbögen, die neben dem exotischen Walhall und einem feuerroten Nibelheim als visuelle Symbole fungierten. Diese Triskel, nordische Symbole in Form von drei radial angeordneten Kreisbögen, verkörperten die Spirale des Lebens und bildeten die visuelle Grundlage der Handlung in symmetrischer Balance oder separater Aufstellung. Die Charaktere Wagners durchliefen dabei den Zyklus des Lebens, während die Szenenfolge eng mit der Entwicklung der Handlung verbunden war.

reing2
Foto: Copyright by Svetoslav Nikolov-Chapi

Besonders beeindruckend war die Farbgebung, die passend zu den Naturelementen der Handlung abgestimmt war. In der ersten Szene sind die Triskel abgesenkt auf der Bühne, so dass die Rheintöchter sich in den Aussparungen springend und jauchzend bewegen konnten. Stimmungsvolle Wasser- und Lichtprojektionen sorgen für visuelle Wonnemomente. Alberich präsentierte sich hier als garstiger Geck, von dem eine echte Gefahr ausging. In der zweiten Szene schoben sich die Bühnenelemente übereinander, wodurch eine Anhöhe entstand. Auf der rechten Seite war eine große Metallkonstruktion zu sehen, die Walhall symbolisierte. Diese Szene zeigte zu Beginn, wie Walhall im Beisein der gigantischen Riesen in den Himmel wuchs. Die Götter waren edel gekleidet, Wotan trug einen prächtigen Speer und Donner einen gewaltigen Hammer. Loges eindrucksvolles Kostüm mit Krone und roten Innenseiten wertete seine Figur deutlich auf.

Nibelheim wurde mit rot beleuchteten Triskeln und live gespielten Ambossen in einer vertikalen Dreier-Kombination spektakulär dargestellt. Die visuelle Umsetzung passte immer zum musikalischen Handlungsverlauf und erreichte im Finale ihren Höhepunkt, als Wotan ein Schwert (später Nothung) aus dem Boden zog und zum Leitmotiv Nothungs in die Höhe streckte. Die Lichtregie von Andrej Hajdinjak unterstützte die Inszenierung hervorragend, indem tiefes Blau und intensives Rot an die Ästhetik von Wieland Wagner erinnerten. Auch das Multimedia-Design von Ivan Lipchev, Elena Shopova und die gelungenen Kostüme von Hristiyana Mihaleva-Zorbalieva trugen zum Gesamterlebnis bei.

Veselin Mihaylov beeindruckte stark als neuer, junger Wotan. Sein Rollendebüt geriet außergewöhnlich, seine prachtvolle Stimme und feine Legatolinie deckten den kompletten Stimmumfang ab. Mihaylovs Darbietung zeigte eine bemerkenswerte Tiefe und Ausdruckskraft. Er traf den impulsiven, arroganten Charakter von Wotan in perfekter Weise und konnte sowohl die Macht als auch die innere Zerrissenheit der Figur authentisch darstellen. Seine exzellente Aussprache und feine Textgestaltung zeugten von intensiver Auseinandersetzung mit der Rolle, was sich in einer wissenden und abgewogenen Dynamik widerspiegelte. Mihaylovs Zukunft in diesem Fach scheint vielversprechend, und sein gelungenes Debüt empfahl ihn für weitere anspruchsvolle Aufgaben.

Daniel Ostretsov verkörperte einen engagierten und sarkastischen Loge mit kräftiger Tenorstimme. Seine Darbietung war bestimmt von einer dynamischen Bühnenpräsenz und einem spielerischen, ironischen Unterton, der die Zwiespältigkeit von Loges Charakter treffend zum Ausdruck brachte.

reing4
Foto: Copyright by Svetoslav Nikolov-Chapi

Mariana Zvetkova verlieh der Fricka eine dominante Gestalt mit starker Stimme. Ihre Interpretation der eifersüchtigen und machthungrigen Göttin war sowohl stimmlich als auch darstellerisch überzeugend. Zvetkova brachte die komplexen Emotionen von Fricka, ihre Machtansprüche und ihre Eifersucht, eindrucksvoll zum Ausdruck. Silvana Pravcheva als Freia hingegen enttäuschte etwas. Ihre Stimme klang oft sauer und wenig einnehmend. Pravcheva konnte ihre Rolle leider nicht mit der nötigen Anmut und stimmlichen Schönheit versehen.

Svetozar Rangelov stellte einen rustikalen Donner dar, dessen stimmliche Kraft und Präsenz in den dramatischen Momenten des Stückes besonders zur Geltung kamen. Hrisimir Damyanov hingegen wirkte als Froh etwas überfordert. Seine kleine Stimme konnte sich nicht immer durchsetzen, und seine Darstellung blieb im Vergleich zu den anderen Figuren etwas blass.

Vesela Yaneva gab eine beeindruckende Erda. Ihre tiefe, resonante Stimme und das faszinierende Stimmtimbre machten ihre Darstellung zu einem der Höhepunkte des Abends. Yaneva verkörperte die weise und allwissende Urmutter mit großer Autorität und vokaler Präsenz.

Plamen Dimitrov gelang eine starke Charakterstudie des Alberichs. Seine intensive Körpersprache und der sichere Gesang machten ihn zu einem beeindruckenden Gegenspieler der Götter. Allerdings war seine deutsche Aussprache vielfach nur eine Andeutung des Originaltextes, häufig verfärbte er die Vokale und Umlaute, was dem Gesamteindruck seiner ansonsten kraftvollen Darbietung etwas Abbruch tat.

Krassimir Dinev überzeugte als Mime mit einem prägnanten Vortrag, ohne dabei in Überzeichnung zu verfallen. Seine Interpretation des listigen und missmutigen Nibelungen war gut ausbalanciert.

Stefan Vladimirov verkörperte den Riesen Fasolt mit einem stimmlich facettenreichen Vortrag. Seine Interpretation brachte viele Zwischentöne zum Vorschein, die die Komplexität und innere Zerrissenheit der Figur unterstrichen. Vladimirov vermochte es, die Tragik und Sehnsucht von Fasolt spürbar zu machen, was besonders in den Dialogen mit seinem Bruder Fafner deutlich wurde. Petar Buchkov überzeugte als sein Bruder Fafner mit einem klangvollen, resonanten Bass. Seine stimmliche Präsenz verlieh der Figur eine bedrohliche Gravitas, die der mythologischen Vorlage gerecht wurde. Buchkovs Fafner war eine imposante Erscheinung, die sowohl in den ruhigen als auch in den dramatischen Momenten des Stückes dominierte.

reing3
Foto: Copyright by Svetoslav Nikolov-Chapi

Die drei Rheintöchter, dargestellt von Stanislava Momekova (Woglinde), Ina Petrova (Wellgunde) und Alexandrina Stoyanova-Andreeva (Flosshilde), hinterließen im Terzett einen guten stimmlichen Eindruck. Spielerisch sehr gefordert durch ihre Sprünge auf dem Trampolin, während sie dabei sangen (!), gelang es ihnen dennoch, die musikalischen Anforderungen mit Bravour zu meistern. Ihre harmonischen Stimmen und lebhaften Darstellungen trugen zur dynamischen und lebendigen Eröffnungsszene bei.

Am Pult des Orchesters der Oper Sofia stand Evan-Alexis Christ, der bereits über beträchtliche Erfahrung mit dem Werk Richard Wagners verfügt. Der smarte Dirigent war ein großer Gewinn für diesen Eröffnungsabend der Tetralogie. Mit fließenden Tempi und deutlichen Akzenten arbeitete Christ die Struktur der Orchesterstimmen fein heraus und achtete zudem auf rhythmische Prägnanz, sodass auch die großen Ausbrüche wirkungsvoll gerieten. Er schaffte es, die dramatischen Höhepunkte des Werkes mit emotionaler Intensität und musikalischer Klarheit zu gestalten. Dem Ensemble war er ein aufmerksamer, vorzüglicher Begleiter, der stets darauf bedacht war, die Sänger optimal zu unterstützen und die orchestralen Farben zur Geltung zu bringen.

Das Orchester der Oper Sofia spielte in der etwas verkleinerten Lessing-Fassung, was besonders dem Konversationston des Werkes entgegenkam. Die Musiker präsentierten sich in ausgezeichneter Form und überraschten mit einer bemerkenswert guten Wiedergabe der komplexen Partitur. Die Streicher überzeugten durch einen samtigen, vollen Klang, der den lyrischen Passagen des Werkes besondere Wärme verlieh. Die Holzbläser zeichneten sich durch charaktervolle, prägnante Einsätze aus, die den verschiedenen Szenen eine lebendige Farbpalette hinzufügten. Beindruckend durch ihre konditionsstarke, kraftvolle Spielweise gaben die Blechbläser den dramatischen Höhepunkten des Werkes die nötige Wucht und strahlenden Glanz. Insgesamt harmonierten Orchester und Dirigent hervorragend, was zu einer beeindruckend und dynamischen Aufführung führte.

Das Publikum honorierte die Leistung aller Beteiligten mit langanhaltendem Applaus und feierte die Darsteller und Musiker gebührend. Die hohe Qualität der musikalischen und szenischen Umsetzung ließ keinen Zweifel daran, dass das Sofia Opera Wagner Festival auch in diesem Jahr einen Höhepunkt im kulturellen Kalender darstellt.

Der Auftakt des Sofia Opera Wagner Festivals mit „Das Rheingold“ war ein schöner Erfolg. Die Inszenierung von Plamen Kartaloff überzeugte durch ihre tiefgründige Interpretation und die eindrucksvolle visuelle Umsetzung. Die Darsteller und das Orchester unter der Leitung von Evan-Alexis Christ lieferten eine bemerkenswerte Leistung ab, die das Publikum begeisterte.

Heute geht das Festival mit „Die Walküre“, dem zweiten Teil des „Ring des Nibelungen“, weiter. Die Erwartungen sind hoch, und nach dem beeindruckenden Auftakt verspricht auch dieser Abend, ein besonderes Erlebnis zu werden. Die Tetralogie nimmt Fahrt auf, und die Spannung auf die weiteren Entwicklungen ist spürbar. Wagner-Enthusiasten können sich auf einen weiteren magischen Abend in Sofia freuen, bei dem die emotionalen und dramatischen Tiefen der Walküre erforscht werden.

 

Dirk Schauß, 16. Juni 2024

Besuchte Vorstellung am 15. Juni 2024 an der Nationaloper Sofia

Richard Wagner

Das Rheingold

Evan-Alexis Christ, Leitung

 

Diese Seite drucken