Starke Frauen – Adriana Lecouvreur in Sofia – 3. Premiere. 1.12.2024
Drei Abende, drei Perspektiven, ein Meisterwerk: Die dritte Vorstellung von Adriana Lecouvreur am 1. Dezember setzte einen weiteren faszinierenden Akzent in der gelungenen Neuinszenierung von Julia Krasteva. Mit einer neuen Besetzung der Hauptpartien offenbarte sich die Oper als lebendiges Kunstwerk, das durch unterschiedliche Interpretationen immer wieder überraschende Facetten freilegt. Die klangliche und darstellerische Vielfalt dieses Abends unterstrich nicht nur die außerordentliche Qualität des Ensembles, sondern auch die Vielschichtigkeit von Francesco Cileas Partitur.
Radostina Nikolaeva (Adriana). Copyright by Svetoslav Nikolov-Chapi
Radostina Nikolaeva, die an diesem Abend in der Titelrolle debütierte, brachte eine neue, leidenschaftliche Dimension in die Figur der Adriana. Sie zeigte eine tief empfindende, hingebungsvoll liebende Frau, die in Maurizio den Mann ihres Lebens sieht – und das mit einer Ausdruckskraft, die große Gesten und feinsinnige Nuancen klug miteinander verband. Besonders ihre dramatischen Konfrontationen mit der Principessa gerieten zu Höhepunkten des Abends. Stimmlich faszinierte Nikolaeva mit ihrem warmen, dunkel gefärbten Sopran, dessen Geschmeidigkeit und Strahlkraft sich vor allem in den Höhenlagen entfaltete. Hier offenbarte sie eine beeindruckende Palette an Obertönen, die den emotionalen Ausbrüchen der Adriana eine packende Intensität verliehen. Ihre Darstellung war voller Seele und Authentizität – ein weiterer Beleg für die hohe Kompetenz dieses Ensembles, das in jeder der drei Premieren eine neue, überzeugende Adriana präsentierte.
Mariana Zvetkova (Principessa di Bouillon). Copyright by Svetoslav Nikolov-Chapi
Mariana Zvetkova brachte in der Rolle der Principessa di Bouillon ihre ganz persönliche Handschrift ein. Ihre Darstellung war dominiert von souveräner Bühnenpräsenz und einer dichten psychologischen Gestaltung. Die tief verletzte, verzweifelte Frau, die in ihrer Auftrittsarie intensiv nach außen drang, zeigte sich ebenso in charmanten Momenten, etwa im Duett mit dem Abbé. Doch vor allem in den Machtkämpfen mit Adriana blitzte ihre kalte Schärfe auf, was diese Szenen zu elektrisierenden Höhepunkten machte. Sängerisch zeigte sie ihre wandlungsfähige üppige Stimme mit hochdramatischem Aplomb.
Martin Iliev, erneut als Maurizio zu erleben, zeigte sich als kraftvoller Interpret mit einer eindrucksvollen Mittellage, die seiner Vergangenheit als Bariton geschuldet ist. Auch an diesem Abend sang er engagiert mit raumgreifendem Klang. Allerdings wurde deutlich, dass die Höhenlagen ihn an diesem stellenweise deutlich forderten.
Vesselin Mihaylov (Michonnet) im 1. Akt. Copyright by Svetoslav Nikolov-Chapi
Vesselin Mihaylov schuf in der Rolle des Michonnet ein bewegendes Charakterportrait. Seine sensible Darstellung des unglücklich Verliebten, kombiniert mit feinen stimmlichen Nuancen und ausdrucksstarker Mimik, rührte das Publikum zutiefst. Ein hervorragender Sänger mit einer Baritonstimme der Extraklasse.
Biser Georgiev als energischer Prince de Bouillon überzeugte durch seine kraftvolle Bühnenpräsenz und sonor-resonanten Bass. Hrisimir Damyanov setzte als Abbé elegante Kontraste, während Angel Hristov (Quinault) und Krassimir Dinev (Poisson) durch ihre präzisen Darstellungen die komischen Elemente der Oper bereicherten. Silvana Pravcheva (Mlle Jouvenot) und Alexandrina Stoyanova-Andreeva (Mlle Dangeville) ergänzten das Ensemble als charmant spielfreudige Gesellschaftsdamen.
Der Chor unter Violeta Dimitrova beeindruckte erneut durch präzisen, klanglich homogenen Gesang und lebendige Bühnenpräsenz. Lyudmila Ilievas Ballettensemble fügte dem Abend mit seinen stilvollen Choreografien eine Augenweide hinzu und betonte die Eleganz der Inszenierung.
Francesco Rosa am Pult bewies einmal mehr sein feines Gespür für die Klangwelt Cileas. Mit Sensibilität führte er das Orchester durch die Partitur und balancierte die opulenten Klangfarben mit einer klaren, transparenten Struktur. Besonders hervorzuheben war seine Fähigkeit, den Sängern Raum für ihre Interpretationen zu lassen, ohne die orchestrale Wirkung zu schmälern. Das Orchester selbst spielte mit Geschmeidigkeit und einem Sinn für subtile Dynamik – eine großartige Leistung des Klangkörpers, die den Abend entscheidend prägte.
Mit dieser dritten Premiere schloss das Opernhaus ein faszinierendes Kapitel seiner aktuellen Adriana Lecouvreur-Produktion ab. Die drei Premierenabende von „Adriana Lecouvreur“ zeigten die außergewöhnliche Qualität der Nationaloper Sofia und wurden verdient mit Ovationen gefeiert. Jede Vorstellung begeisterte durch ihre eigene klangliche und darstellerische Identität. Es zeigte sich die unglaubliche Vielfalt des Ensembles. Die Kombination aus packendem Operntheater, großartigen Sängern und einer hochsensiblen orchestralen Gestaltung machte diese Serie zu einem Triumph. Ein starke Aussage für die lebendige Opernkultur in Sofia! Opernfreunde, die Schönheit auf der Bühne und beeindruckende Gesangsleistungen erleben wollen, sei eine Reise nach Sofia ausdrücklich empfohlen!
Dirk Schauß, 05. Dezember 2024
Francisco Cilea
Adriana Lecouvreur
Vorstellung der Neuproduktion an der Nationaloper Sofia am 01.12.2024