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Sissi (Sisi) privat – Bisher unbekannte Photoalben der Kaiserin

25.10.2020 | Feuilleton


Eines ihrer Schönheitsalben, angelegt 1862. Photo: Andrea Matzker

Sissi (Sisi) privat – Bisher unbekannte Photoalben der Kaiserin

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

Im Jahr 1994 gelang es dem Kölner Museum Ludwig, 18 Alben mit rund 2000 Photographien aus Sammlungen von Elisabeth, der Kaiserin von Österreich-Ungarn (24.12.1837 – 10.9.1898), genannt Sissi, zu ersteigern. Die Kaiserin hatte diese Alben immer völlig privat und mit separaten Schlüsselchen verschlossen gehalten. Bis 1978 waren sie in Familienbesitz. Dann erst gelangten sie über Versteigerungen und Verkäufe als Teil der photographischen Sammlung schließlich ins Museum Ludwig.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war es Mode, sich Schönheitsgalerien anzulegen, sei es in Form von Gemälden oder Photographien. Die sagenumwobene österreichische Kaiserin Elisabeth tat dies nicht allein aufgrund der Tatsache, dass dies damals in Mode war, sondern sie versuchte, sich höchstwahrscheinlich ganz bewusst ein eigenes Bild für die Außenwelt zu schaffen anhand der Bildnisse anderer Damen der Welt von damals. Dazu gehörte nicht nur der ihr zum Teil sogar verhasste Adel, sondern auch die Welt der Künstler, Akrobaten, der Halbwelt und der Salons. Sie wusste zeit ihres Lebens um den Unterschied zwischen dem Sich zeigen müssen und dem unentwegt Bestaunt zu werden, dem Wechselspiel von Sehen und Gesehen werden, und nutzte es für die Selbstoptimierung ihres Erscheinungsbildes.


Sissi. Aus ihrem Photoalbum. Photo: Andrea Matzker


Aus vier intimen Frauenportraits in ihren Alben 1860. Photo: Andrea Matzker


Aus ihrem Fotoalbum. Photo: Andrea Matzker

Im Jahre 1887 verfasste sie sogar ein Gedicht mit dem Titel „An die Gaffer“:

„Es tritt die Galle mir fast aus,

wenn sie mich so fixieren;

ich kröch‘ gern in ein Schneckenhaus

und könnt‘ vor Wut krepieren.“

Ungefähr im Alter von 30 Jahren entschloss sie sich, nicht mehr photographiert zu werden, selbst nicht auf Röntgenbildern. Oftmals ließ sie sich bei offiziellen Phototerminen von anderen Personen als Double vertreten, sei es von ihrer Schwester oder ihrer Coiffeuse, nur um nicht selbst den Blicken Neugieriger ausgesetzt zu sein. Dementsprechend ist sie persönlich auch nur sehr selten in den kostbar gebundenen Fotoalben, davon drei mit Halbedelsteinen besetzten Schmuckeinbänden, zu sehen. Die wenigen als echt verbürgten Photos der Kaiserin, die in der Ausstellung im Museum Ludwig von ihr selbst gezeigt werden, sind eine Rückenansicht, ein Foto mit ihrem Irischen Wolfshund Horseguard und eines im Kreis der Familie, meistens von ihrem Hofphotographen Ludwig Angerer aufgenommen.


Sissi Reproduktion des-Staatsportraits von Franz Xaver Winterhalter 1865. Photo: Andrea Matzker


Sissi mit ihrem Irischen Wolfshund Horseguard 1865 1866. Photo von Ludwig Angerer, Repro: Andrea Matzker


Sissi 1860 von Ludwig Angerer. Repro: Andrea Matzker


Sissi 1862 von Ludwig Angerer. Repro: Andrea Matzker


Sissi 1864 von Ludwig Angerer. Repro: Andrea Matzker

Ein sehr bekanntes Bild von ihr wird im Museum Ludwig an die Wand geworfen: Es zeigt sie zu Pferde mit einem ihrer ausgebreiteten Fächer vor dem Gesicht. Für diese Fächer befand sich ein spezielles Futteral an ihrem Sattel, damit kein unerwünschter Blick ihr Antlitz erhaschen konnte, und sie dies jederzeit zu vereiteln in der Lage war. Sie war sehr bedacht auf ihre Außenwirkung und überlegte genau, in welcher Pose und mit welchem Ausdruck sie sich malen oder photographieren ließ. Zu alldem hat sie ihre Sammlungen von schönen Frauen des europäischen und orientalischen Raumes genutzt, denn sie wollte die Wirkung derer Erscheinungsbild studieren und auf sich selbst übertragen. Viele Berichte beschreiben sie als egozentrisch oder narzisstisch.

Seit dem Jahr 1998 wird eine besondere Form der agitierten Depression mit der Bezeichnung „Sissi-Syndrom“ beschrieben. Während bei einer typischen Depression Antriebslosigkeit und sozialer Rückzug vorherrschen, zeichnet sich diese besondere Form unter anderem durch Aktivismus und Streben nach äußerlicher Perfektion aus. Sissi soll an dieser Krankheit gelitten haben. Allerdings ist die Existenz einer besonderen nosologischen Krankheitsform, auf die sich der Begriff bezieht, in der Medizin und der ernsthaften Psychiatrie umstritten.


Sissi 1865 zu Pferd: Photo von Andrea Matzker.

Heutzutage wäre sie wahrscheinlich der weibliche  „Influencer“ par excellence überhaupt. Selten hat jemand sein eigenes Image derartig genau durchdacht, ausgefeilt, geprägt, so konsequent durchgesetzt, verwirklicht und verfolgt. Die Schönheitsmethoden von Sissi waren derartig ausgefallen, dass heutige Methoden kaum mithalten könnten. Ihr herrliches, bis zum Boden reichendes, wallendes Haar, nach wie vor der schönste Schmuck einer jeden Frau, pflegte sie neben täglichem, dreistündigem Kämmen unter anderem mit einer Mischung aus Cognac und Eigelb. Ihren Körper trainierte sie regelmäßig mit konsequent durchgeführten Sportprogrammen an eigens dafür von ihr entwickelten Geräten. lebenslang hielt sie eine eiserne Diät ein. Ihr Antlitz pflegte sie mit rohem Kalbfleisch, das sie über Nacht unter einer Ledermaske einwirken ließ, aber auch mit Masken von zerdrückten Gurken oder Erdbeeren. Sie war sogar so modern, dass sie das Tattoo eines Ankers auf der Schulter trug. Doch dies erfuhr man erst aus dem Obduktionsbericht nach ihrer Ermordung in Genf vor dem Hotel Beau Rivage, an die die anrührende Gedächtniskarte mit den Worten des Kaisers am Eingang zur Ausstellung erinnert.


Die Saengerin Marie Garnier als Venus in der Pariser Urauffuehrung von Orpheus in der Unterwelt.Photo: Andrea Matzker

Ein direkter Bezug zur Stadt Köln besteht trotz allem: Das Abbild der Opernsängerin Marie Garnier als Venus in der Pariser Uraufführung des „Orpheus in der Unterwelt“ des gebürtigen Kölners Jacques Offenbach ist als einziges Abbild zweimal in der Ausstellung bis zum 21. Februar 2021 zu sehen, sowohl als Foto, als auch als Kissenbezug auf der Sitzbank in der Ausstellung, die aus zwei Kabinetten samt Boudoir mit Sissi zu Pferde besteht. In der Präsentation, auf den Wandtexten und in dem informativen und ansprechend gestalteten Begleitheft wird der Name der Kaiserin lediglich mit einem „s“ in der Mitte geschrieben. Hier, in diesem Bericht, wurde die herkömmliche Art der Schreibweise entsprechend der allgemein üblichen Aussprache mit Betonung des Doppelkonsonanten „ss“ in der Mitte, wie sie auch meistens in Österreich benutzt wird, gewählt.


Gedaechtnsipostkarte aus Anlass ihrer Ermordung 1898. Photo: Andrea Matzker

 

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