Seoul/Opernhaus im Arts Center: „DIE TOTE STADT“ – 24.5.2024
Copyright: Korea National Opera
Die Koreanische Nationaloper in Seoul, welche in Sachen Oper immer den ambitionierten Weg geht, konnte mit dieser wirklich sehr interessanten und dem Werk Korngolds entsprechenden Realisierung dieser Oper, die wohl als eine der am schwersten zu realisierenden gilt, an vier Abenden sein Publikum begeistern und einen stark akklamierten Erfolg verbuchen. Dies lag zum einen an der formidablen Regie des Magdeburger Intendanten Julien Chavaz und seinem Team, und zum anderen auch an der musikalischen Einstudierung durch den deutschen Dirigenten Lothar Koenigs, welcher den mustergültig singenden Koreanischen National Chores, den mit viel Leidenschaft und Freude singenden CBS Kinder Chor und vor allem das transparent und nie die Sänger zudeckende Koreanische National Symphonie Orchester perfekt und stilistisch einstudierte. Schon allein mit dem Dirigat an vier aufeinanderfolgenden Tagen (in Seoul leider so üblich) vollbrachte er in dieser Strichlosen Wiedergabe eine konditionell bewundernswerte Leistung.
Die Streicher schienen in der gewählten Fassung allerdings etwas ausgedünnt, worüber man geteilter Meinung sein kann, aber die unsagbar schweren Bläserpassagen, die hohe Anforderungen an die Ausführenden stellen, meisterte das Orchester zusammen mit dem Dirigenten, welcher diese in beeindruckender Weise sicher führte und animierte. Am üblichen Klangrausch mangelte es nicht, und um es noch einmal zu betonen, die Dynamik und die Balance stimmten.
Bei den Besetzungen wurden der Paul und die Marie wie üblich in Personalunion mit der Marietta und Frank und Fritz doppelt besetzt und mit Roberto Sacca und Rachel Nicholls auf nicht koreanische und im Falle Sacca auf einen bekannten Namen gesetzt. Aber der rein koreanische Cast war insgesamt doch der bessere, denn der in Deutschland und Österreich bekannte und häufig zu erlebende Tenor James Lee sang in der vom Rezensenten besuchten Vorstellung überhaupt zum ersten Mal eine große deutsche Partie und blieb dem Paul stimmlich nichts schuldig. Er sang diese mörderische Partie nahezu konditionell problemlos und, soweit es bei dieser Musik überhaupt möglich ist, ebenfalls sehr textverständlich. Sein eher italienisch geschulter Klang, ermöglichte ihm eine mühelose Durchschlagskraft in dem nicht kleinen Auditorium des Opernhauses im Seoul Arts Center. Weitere Engagements mit dieser Rolle werden aus ihm in den nächsten Jahren einen potentiellen Vertreter dieser Rolle werden lassen.
Oh Miseon als Marie und Marietta lies es zu Anfang etwas an Mittellage fehlen und konnte nur mit einer sehr guten Höhe aufwarten, aber im Laufe des Abends sang sie sich frei und konnte Ihre stimmlichen und auch darstellerischen Qualitäten, gut fokussiert, unter Beweis stellen.
Mit ausgezeichneter Diktion und einer perfekt sitzenden, markanten Baritonstimme überzeugte Insik Choi als Frank und Fritz und gestaltete das berühmte „Mein Sehnen, mein Wähnen“ so, dass der Zuschauer zu einem intensiven Zuhören animiert wurde. Eunkyong Lim als Brigitta brachte stimmlich und darstellerisch die richtige Mischung an Autorität in diese Partie ein. Kyungjin Lee (Juliette), Soon Hae Kim (Lucienne), Doho Kang (Victorin) und Jeongmin Wae (Graf Albert) waren musikalisch und szenisch ein eingespieltes Team, das in jeder Hinsicht ausgezeichnet und harmonisch sang und agierte.
Letzteres war eben der Regie von Julien Chavaz zu verdanken, welcher eine der Musik entsprechende und teilweise auch schon choreografisch wirkende Personenführung entwickelte, welche das Werk gut wiedergab, den Abend nie langweilig werden ließ und eine erzählende Kraft entwickelte, ein perfektes Timing für musikalische Höhepunkte und Textstellen hatte und szenische Bögen entwarf. Marie als tote Maske in Form einer Pantomime darzustellen, war eine sehr interessante und überzeugende Idee. Für „Die Kirche des Gewesenen“ lies sich Chavaz von Anneliese Neudecker ein sich professionell veränderndes opulentes Bühnenbild bauen, das an den berühmten Bauhausstil erinnerte und Stimmungsräume schuf, welche der Erzählung des Werkes mehr als dienten. Die etwas pauschalen und schlichten Kostüme im Stil der berühmten zwanziger Jahre entwarf Jean-Jacques Delmotte.
Sang Ho Choi, Direktor der Koreanischen National Oper, kann auf diese Produktion wirklich stolz sein, welche er seinem begeisterten und wirklich stets interessierten Publikum präsentierte, ein inspirierender Opernabend in Seoul, welcher Gusto auf mehr in Sachen Oper in Korea machte.
Rico Förster