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SELF/LESS – DER FREMDE IN MIR

05.10.2015 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmCover Selfless~1

Ab 9. Oktober 2015 in den österreichischen Kinos
SELF/LESS – DER FREMDE IN MIR
Self/less / USA / 2015
Regie: Tarsem Singh
Mit: Ryan Reynolds, Ben Kingsley, Matthew Goode, Natalie Martinez u.a.

Kino spiegelt seine Zeit und seine Welt. Themen, die uns unter den Nägeln brennen, finden unweigerlich auf die Leinwand. Eines der ältesten Angstthemen der Menschheit ist die Unweigerlichkeit des Todes. Am „ewigen Leben“ wird herumgedacht und zweifellos auch herumgearbeitet. Früher haben sich Reiche einfrieren lassen und warten darauf, dass die Wissenschaft sie hervorholt und die Leiden heilen kann, die ihren Körper aus dem Verkehr gezogen haben. Heute denkt man längst daran, seinen Geist in einen jungen Körper zu versetzen – als ob man dann noch derselbe wäre…

Davon handelt dieser Sci-Fi-Film des indischen Regisseurs Tarsem Singh, der nur selten inszeniert (zuletzt etwas ganz anderes, die witzige „Schneewittchen“-Version mit Julia Roberts als böser Königin). Genau gesagt, zerfällt diese Geschichte in zwei Teile – zuerst ist man bei Damian Hale, dem rücksichtslosen Millionär: Ben Kingsley spielt ihn mit der selbstverständlichen Rücksichtslosigkeit des Machtmenschen.

Er wird sterben, er wird seinen Geist in den Körper eines jungen Mannes verpflanzen lassen: Was für die Buddhisten die „Wiedergeburt“ ist (dafür gibt es allerdings keine Garantie), hier wird sie real erzwungen. Die Firma, die dergleichen unternimmt, gibt es schon: Professor Albright leitet sie, Matthew Goode spielt ihn mit aalglatter Rücksichtslosigkeit. Einen Namen hat das alles auch – „Shedding“. Schöne zukünftige Welt…

Die Operationsszenen sind schaurig, der eine alte Mann wird in die Röhre geschoben, ein anderer Körper neben ihm, und er wacht gewissermaßen als Ryan Reynolds auf: ein logischer Akt tiefer Verwirrung, denn dieser Mann ist ja nicht, wie behauptet wird, ein künstlicher Körper, er war ja einmal jemand, dessen Gedächtnis und Bewusstsein ausgelöscht wurden.

Natürlich kann der alte Damian nun nicht als junger Damian wiederkehren. Sein Leben bekommt er nicht, nur eine Menge Geld, das er früher besaß. Nun ist er stark und kräftig (hängt allerdings an Pillen), heißt er Edward und darf ein neues sorgloses Dasein beginnen – wobei das schon sehr fraglich ist: Der Film stößt den Zuschauer dauernd in Überlegungen, wie das alles gehen soll und wie viel Sinn es macht. Was ist das, das eigene Selbst, wo sitzt es?

Aber die psychologische und die Meta-Ebene scheint Tarsem Singh dann doch nicht so interessiert zu haben. Was aus der Geschichte wird, ist ein schlichter, geradezu auf der Hand liegender Krimi.

Offenbar wurden die Erinnerungen aus dem früheren Leben des nunmehrigen jungen Damian nicht ausreichend gelöscht – als kurze, alptraumhafte Sequenzen quälen sie ihn. Und wenn man in Zeiten des Internets die fixe Vorstellung eines bestimmten Wasserturms nicht los wird – ja, dann googelt man halt lange genug herum, bis man ihn findet. Und als Damian dorthin kommt, irgendwo in eine schäbige Gegend von St. Louis, fällt ihm eine fassungslose Latina (Natalie Martinez) samt kleiner Tochter um den Hals: Er ist doch nicht tot!?! Im Grunde schon: Ihr Mann, Mark Bitwell, hat, um seine Schulden zu bezahlen und seine Familie zu retten (das kleine Mädchen ist schwerkrank und braucht teure Behandlung), seinen Körper und sein Leben verkauft…

Der Rest ist der absolut obligate Krimi, gejagt von der bösen Firma, die ihre Menschen-Körper-Tauschgeschäfte natürlich heimlich betreibt, mit allerlei gar nicht logischen Drehungen und Wendungen ins unvermeidliche Happyend am Ende. Damian muss wieder Mark in dem Körper Platz machen – nicht geglückt das neue Leben für den anderen, Pech. Nicht einmal ordentlich nachdenken durfte man über das Ganze. Und das ist schade.

Renate Wagner

 

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