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See you am See! – Wiedereröffnung von Kongresshaus und Tonhalle Zürich

im Juni 2021 (Jan Krobot/ Zürich)

17.06.2021 | Allgemein, REISE und KULTUR

See you am See! – Wiedereröffnung von Kongresshaus und Tonhalle Zürich

«Das Umbauprojekt der Architektengemeinschaft Boesch/Diener will dem Bau die Offenheit zurückgeben, die ihm die Architekten Haefeli/Moser/Steiger 1939 verschafft haben. Und es will das Haus gleichzeitig modernisieren, damit es heutigen Ansprüchen an Kongresse, Ausstellungen und Versammlungen aller Art genügt.» So beschrieb der Tages-Anzeiger vor der Abstimmung vom 5. Juni 2016 (am 25. Mai 2016) die Pläne, für die das Stimmvolk 165 Millionen Franken genehmigen sollte und dies dann mit 74,8% Ja-Stimmen auch tat. So wurde der Konzertsaal der Wiener Architekten Hellner und Felmer ein zweites Mal vor dem Abriss gerettet.

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Die „Neue Tonhalle“ in Zürich am General-Guisan-Quai (damals Alpenquai), 1900. Das Gebäude wurde nach Plänen der Architekten Fellner & Helmer aus Wien erstellt. 1937 teilweise abgerissen und durch das Kongresshaus Zürich ersetzt. © Public domain, via Wikimedia Commons

Die erste Rettung geschah in den 1930er-Jahren, als die Architekten Max Ernst Haefeli, Werner Max Moser und Rudolf Steiger den Konzertsaal von Fellner & Helmer in ihr Projekt für den Bau des Kongresshauses integrierten. Das mit seinen barocken Türmchen an den Palais du Trocadéro in Paris erinnernde Gebäude, in Zürich auch «Trocadero» genannt wurde abgerissen, die beiden Säle aber in das neue Kongresshaus, dessen Baugeschichte und Architektur eng mit der Schweizerischen Landesausstellung 1939 (Landi) verbunden sind, miteinbezogen. Die Landi stand ganz im Zeichen der Geistigen Landesverteidigung als politisch-kulturellem Programm der offiziellen Schweiz in einer Zeit, die durch die faschistische Bedrohung geprägt war. Der kaiserlich-katholische Historismus Wiener Prägung war in der Stadt Zwinglis nicht mehr aktuell und so sollte der Tonhalle-Bau ganz abgerissen werden.

Der Erhalt Tonhalle mit den beiden Sälen war nie unumstritten und es gab immer wieder Neubaupläne. 2008 lehnten 56,8 Prozent der Stimmberechtigten den Landkauf für ein Kongresshotel ab. Ohne dieses Grundstück war das Projekt Rafael Moneos am Standort am See nicht realisierbar gewesen. Nach dieser Abstimmung begann die Suche nach einem alternativen Standort und zugleich wuchs die Unsicherheit, was mit dem «alten» Kongresshaus geschehen sollte. «Die Abfuhr an der Urne beschert dem Stadtrat noch ein zweites Problem. Das bestehende Kongresshaus ist renovationsbedürftig, ebenso wie der Backstage-Bereich der Tonhalle. Ohne Griff in die Stadtkasse wird es nicht gehen. Zuerst allerdings muss geklärt werden, wie dieses Architekturdenkmal in Zukunft genutzt werden soll.» kommentierte die Neue Zürcher Zeitung (vom 01.06.2008) die Abstimmung. Diese Gedanken hatte man sich gemacht, so dass die Abstimmung am 5. Juni 2016 gewonnen wurde.

Am 16. Juni 2021 ist nun das Resultat zu bewundern. Es ist gelungen die privatrechtliche Kongresshaus-Stiftung in eine schuldenfreie, öffentlich-rechtliche Stiftung zu überführen. Betrieb und Unterhalt von Kongresshaus und Tonhalle sind für die Zukunft gesichert. Kongresshaus und Tonhalle sind renoviert, die Spuren einer «glanzmindernden» Epoche abgetragen. Die beiden Säle der Tonhalle sind soweit möglich dem Zustand von 1895 angenähert: was da ist, wurde sichtbar gemacht, was nicht mehr da ist, wurde nicht mehr wiederhergestellt.

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Foto © Geoerg Aerni

Der grosse Saal strahlt in neuem Glanz: die graue Farbe, mit der 1939 grosszügig überstrichen wurde, ist entfernt und lässt den Saal wesentlich heller erscheinen. Echtvergoldungen und rosa Stuckmarmor wurden restauriert, an der Decke und den Wänden wurden zahlreiche farbige Ornamente, Tiergemälde, Pflanzendekorationen freigelegt. Der Saal hat neben einer neuen, etwas tieferen und etwas grösseren Bühne (ohne Geländer und Blumenkante), auch einen neue Fussboden bekommen (alles aus osteuropäischer Schwarzkiefer), der schwimmend verlegt bis unter die Bühne reicht und so die Musik auch physisch erfahrbar macht. Die neue Orgel der Tonhalle stammt, wie die erste, heute in der Kirche Neumünster befindliche Orgel, von der Firma Kuhn aus Männedorf. Ihre Vorgängerin tut nun in der Kathedrale von Koper ihren Dienst. Die berühmte akustische Wärme und Brillanz des ursprünglichen Saales, die im Laufe der Zeit deutlich schwächer wurde, wurden mit der Renovation wiederhergestellt.

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Foto © Urs Sigenthaler

Durch die Entfernung des Panorama-Saals des Kongresshaus hat das Foyer der Tonhalle nun wieder Seesicht und wirkt heller und freundlicher. Die Sgrafitto-Verzierungen wurden sorgfältig restauriert und haben einen ganzen Jahrgang Restaurateure beschäftigt.

Am 4. und 5. September 2021 werden Kongresshaus und Tonhalle wiedereröffnet: https://www.seeyouamsee.ch/.

(Details zum Kongresshaus wurden weggelassen, da dieses für das Konzertleben der Stadt nicht so bedeutend ist).

16.06.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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