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SCHWETZINGEN/ Rokokotheater: GIULIETTA E ROMEO von Niccolò Antonio Zingarelli. Premiere

27.11.2016 | Oper

SCHWETZINGEN /  Rokokotheater: „Giulietta e Romeo“ von Niccolò Antonio Zingarelli
Ein Erfolg „con sordino“
(am 25.11.2016 Premiere – Karl Masek)

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Kangmin Justin Kim (Romeo) und Emilie Renard (Giulietta). Copyright: Annemone Taake (Pressefoto Theater Heidelberg)

Seit 2011 bringt das Festival „Winter in Schwetzingen“ einen Zyklus „Opera Napoletana“ mit Wiederentdeckungen von Opernwerken und Pasticcios von Scarlatti, Porpora, Jommelli bis hin zu Zingarelli. Höchst beachtet von der Fachwelt, erfolgreich beim Publikum. Bisher gab es sogar vier Deutsche Erstaufführungen. Im Falle des besprochenen Abends kam den ambitionierten Schwetzingern die Münchener Hofoper 1829 zuvor…

Zingarelli ist von seinen Lebensdaten (1753 bis 1837) und auf Grund seines Schaffens der letzte Vertreter der barocken „scuola napoletana“ und somit ein Bindeglied zwischen Barock, Klassik und Belcanto-Oper des 19. Jhts von Bellini und Donizetti. Im Todesjahr Zingarellis schrieb Rossini nur mehr Kochrezepte…

Publikumsstrukturen änderten sich, Moden und das „Zeitgeistige“ in der Musik noch viel schneller. Die barocken Wurzeln wie einen gewissen Bellini-haften Duktus und ein unentschlossenes Schwanken zwischen diesen Stilen merkt man Zingarellis Musik an. Vieles kommt simpel gestrickt daher. Dramatisches Feuer hat diese Opera seria nur in kurzen Sequenzen anzubieten. Zudem haben dem Originalkomponisten selbst ernannte  „Kofferarien-Schreiber“ dazwischen gefunkt, diese Einlagen hatten mit dem Handlungsverlauf oft gar nichts zu tun.
So auch bei der Arie des Romeo, „Ombra adorata“, die der berühmte Kastrat Girolamo Crescentini für sich selbst dazu komponierte – zum Missfallen Zingarellis. Das war dann prompt das erfolgreichste Stück der Oper…

Von Shakespeares Original weicht die Oper erheblich ab. Einige Figuren gibt’s gar nicht, andere werden praktisch miteinander kombiniert. Die Figur des“Gilberto“ ist eine Mixtur aus Romeos Freund „Mercutio“ und dem „Pater Lorenzo“, der Julia den verhängnisvollen Trank aufdrängt.

Terry Wey spielt diese Doppelfigur. Souverän navigiert er zwischen den besorgten Hilfsbereitschafts-Tönen gegenüber Romeo und der undurchsichtigen, zwielichtigen Art des Paters, dem er eine sanft – böse Aura verleiht. Und das im selben Outfit, als „Pater“ nur mit Kreuz und Weihrauchkessel angereichert. Nicht nur, weil ihm eine Arie gestrichen wurde: Der wie immer mustergültig in den Rezitativen und Dialogen phrasierende Samt-Altus war diesmal stimmlich eindeutig unterfordert.

Den umfangreichsten und schwierigsten Part hat Kangmin Justin Kim als Romeo. Der neue Jungstar unter den Soprancountern hat seit „Didone Abbandonata“ Fortschritte beim Setzen schwebender Piani und in der Mittellage gemacht. In der überlangen Sterbeszene spielt und singt er sich die Seele aus dem Leib. Wenn’s dann dramatisch wird, stößt er mit schrillen Tönen an Grenzen.

Schöne Gesamtwirkung erzielt als „Giulietta“ die anglo-französische Mezzosopranistin Emilie Renard. Ihre Stimme ist in allen Lagen gerundet und durchgebildet, erfreut zudem mit reizvollem Timbre und einer aparten Bühnenerscheinung.

Schwierig wird’s bei den Tenören. Das ist der nicht vorhandenen Balance der Stimmlagen durch den Komponisten geschuldet. Zwei Counter, zwei hohe Tenöre, ein auch hoher Mezzo und ein Sopran: Das ist schon sehr diskant-lastig!

Der Vater Julias heißt hier Everado und ist auch ein Tenor und nicht wenigstens ein Bariton. Zachary Wilder ist mit wirklich schönem, jung klingendem Tenor und der dazu passenden Ausstrahlung in einer „Vaterrolle“ fehlbesetzt. Und er kann nichts dafür, Zingarelli hat es so gewollt. Der abgewiesene Bräutigam und Romeo-Beleidiger heißt hier Teobaldo, ist ein scharfer Charaktertenor für eine undankbare Rolle (Namwon Huh). Einen mit letzter Kraft bewältigten Spitzenton kurz vor seiner frühen Ermordung  hätte er sich besser nicht eingelegt…

Rinnat Moriah, das  israelische Ensemblemitglied der Oper Heidelberg, schickt als teilnahmsvolle Vertraute Giuliettas, „Matilda“, das Publikum mit einer seelenvoll gesungenen Arie in die Pause.

Nadja Loschky zeichnet gemeinsam mit dem Choreographen Thomas Wilhelm für eine gediegene Inszenierung verantwortlich, die das Stück linear, geradlinig erzählt. Keine Umdeutungen, fein dosierte Metaphern, man konnte auch eigene Assoziationen haben. Und man musste keine Regiedoktorarbeit im Programmheft lesen! Kleine Mädchen als erfolglose Friedensstifterinnen zwischen den verfeindeten Clans mit weißen Luftballons. Der Schriftzug „AND PEACE ENTERS OUR HOMES“ prägt das ästhetische Bühnenbild (Daniela Kerck) mit den praktikablen Zwischenvorhängen. Geschmackvolle Kostüme mit modernem Touch (Violaine Thel) erfreuen das Auge, die sportlich-professionelle Kampfchoreographie liefert Thomas Ziesch. Kompliment der fabelhaften Statisterie!

Das Philharmonische Orchester Heidelberg (Dirigent: Felice Venanzoni) und der Chor des Theaters Heidelberg (Einstudierung: Ines Kaun) bewältigen die nicht sonderlich effektvollen Aufgaben achtbar.

Das Publikum blieb bis zur Pause ziemlich reserviert, signalisierte aber am Schluss Zustimmung ohne Widerspruch. Ausdauernder Beifall samt Bravi:  Alles da. Ein Premierenerfolg, gewiss. Aber doch ein bisschen „con sordino“.

Karl Masek

 

 

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